AK-Präsident Michalitsch
„Die Wirtschaft muss mehr Lehrlinge ausbilden“

Der Fachkräftemangel – AK-Präsident Gerhard Michalitsch spricht von einem Fachkräftebedarf – sei absehbar gewesen. | Foto: Roman Felder
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  • Der Fachkräftemangel – AK-Präsident Gerhard Michalitsch spricht von einem Fachkräftebedarf – sei absehbar gewesen.
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Burgenlands Arbeiterkammer-Präsident Gerhard Michalitsch spricht im RegionalMedien Burgenland-Interview über aktuelle Arbeitsmarktprobleme, die gescheiterte Reform der Arbetslosenversicherung, die Maßnahmen gegen die Teuerungen und die Bedeutung der Sozialpartner.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Wirtschaftslage?
GERHARD MICHALITSCH: Ich bin in vielen Betrieben unterwegs und ich registriere eine vorsichtig optimistische Stimmung, auch wenn viele Unternehmen mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben und ein knappes Null-Wachstum vorausgesagt wird.

Bei einem Null-Wachstum muss man aber auch davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird…
Man sagt, dass man ungefähr ein zweiprozentiges Wachstum braucht, damit die Arbeitslosigkeit nicht steigt. Ich glaube aber, dass dies in der jetzigen Situation nicht eintreten wird.

Warum?
Es wird vielleicht in der einen oder anderen Branche Rückschläge geben, gleichzeitig aber in vielen anderen Branchen weiter Bedarf an Arbeitskräften.

Der Arbeits- und Fachräftemangel betrifft aktuell fast alle Branchen. Sehen Sie diese Entwicklung auch mit Sorge?

Die Wirtschaft redet von einem Fachkräftemangel, ich sage, es handelt sich um einen Fachkräftebedarf, der aber absehbar war. Ich habe bereits als Jugendsekretär in der Gewerkschaftsjugend – das war zwischen 1984 und 1994 – immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass wir auf einen Facharbeitermangel zusteuern.

Was sind die Gründe dafür?
Damals haben wir im Burgenland noch 5.000 Lehrlinge ausgebildet, heute sind es 2.540. Wenn ich keine Lehrlinge ausbilde, dann darf ich mich auch nicht wundern, dass zu wenig Fachkräfte vorhanden sind. Da hätte die Wirtschaft schon ein wenig mehr investieren müssen.

Für AK-Präsident Gerhard Michalitsch sind die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Bundesregierung zu wenig zielgerichtet.  | Foto: Roman Felder
  • Für AK-Präsident Gerhard Michalitsch sind die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Bundesregierung zu wenig zielgerichtet.
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Ihre Forderung lautet also, wieder mehr Lehrlinge auszubilden?
Ja, die Wirtschaft muss sukzessive wieder das aufbauen, was sie in den vergangenen 35 Jahren versäumt hat und wieder mehr Geld in die Ausbildung stecken - nicht nur im Lehrlingsbereich. Auch das AMS muss Geld in die Hand nehmen und verstärkt darauf schauen, in welchen Bereichen Fachkräftebedarf besteht und entsprechende Schulungen anbieten. Das ist aber in der Regel kein 3-Wochen-Kurs, sondern das müssen Facharbeiter-Intensivausbildungen sein.

„Das ärgert mich sehr, dass die Bundesregierung nichts zusammengebracht hat, obwohl alle sich einig waren, dass Handlungsbedarf beim Arbeitslosengeld besteht.“

Eine Maßnahme, um den Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, ist der Versuch, Pensionistinnen und Pensionisten länger im Erwerbsleben zu halten oder wieder aus der Pension zurückzuholen…
Das ist vielleicht eine Möglichkeit, aber wenn man jahrzehntelang schwer gearbeitet hat – wie etwa in der Pflege oder am Bau – dann wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder ins Erwerbsleben zurückkehren. Da müssen schon die Begleitumstände passen – sowohl finanziell als auch die Arbeitszeiten und die Arbeitsbedingungen.

Anfang Dezember verkündete die Bundesregierung, dass die Arbeitsmarktreform nicht zustande kommt.…
Das ärgert mich sehr, dass die Bundesregierung nichts zusammengebracht hat, obwohl alle sich einig waren, dass Handlungsbedarf beim Arbeitslosengeld besteht.

Müssen Sie aber nicht auch erleichtert sein, dass nun Maßnahmen, wie etwas das degressive Modell beim Arbeitslosengeld oder Einschränkungen beim Zuverdienst für Arbeitslose nicht umgesetzt werden?
Das stimmt zum Teil. Aber wir können auch mit einem degressiven Modell leben – das heißt zu Beginn 70 Prozent und nach einem halben oder einem Jahr die Senkung auf 55 Prozent. Aber es darf nicht unter 55 Prozent gehen, sonst verschärft man die Probleme.
Mir wäre lieber gewesen, man hätte weiter verhandelt und wir hätten für die große Mehrheit der Arbeitslosen etwas erreicht und für die anderen einen Kompromiss gefunden.

Ein Ziel ist ja unter anderem, die Langzeitarbeitslosen wieder in Beschäftigung zu bringen.
Wenn wir über Langzeitarbeitslose reden, dann sollten wir ehrlich reden. Die Mehrheit der Langzeitarbeitslosen hat körperliche und gesundheitliche Einschränkungen. Selbst wenn das Arbeitslosengeld auf 5 Prozent gesenkt wird, wird es uns nicht gelingen, diese Gruppe in Beschäftigung zu bringen. Da bedarf es vielmehr Unternehmer, die bereit sind, diese Menschen einzusetzen, auch wenn sie nicht 100 Prozent der Leistung bringen können.

Vor allem für junge Bewerberinnen und Bewerbern ist das Thema Work-Life-Balance sehr wichtig. Wie bewerten Sie diesen Trend?
Grundsätzlich ist es ein positiver Trend, wenn Menschen sagen, sie wollen mehr Zeit für die Familie haben. Es gibt mittlerweile auch viele Firmen, die darauf reagieren und entsprechende Arbeitszeitmodelle anbieten – wie etwa eine Vier-Tage-Woche.
Aber ich bin grundsätzlich vorsichtig mit Generalisierungen, weil unsere Wirtschaft so vielschichtig ist. Solche Arbeitszeitmodelle sind nicht in allen Branchen gleich umsetzbar.

Gerhard Michalitsch fordert ein vorübergehendes Aussetzen oder Senken von Mehrwertsteuern auf Grundnahrungsmitteln sowie rigorose Preiskontrollen. | Foto: Roman Felder
  • Gerhard Michalitsch fordert ein vorübergehendes Aussetzen oder Senken von Mehrwertsteuern auf Grundnahrungsmitteln sowie rigorose Preiskontrollen.
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Sowohl die Bundes-, als auch die Landesregierung haben in den vergangenen Wochen und Monaten Maßnahmen gegen die Teuerungen umgesetzt oder geplant. Wie ist Ihre Bewertung?
Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, die Probleme zu bekämpfen, sondern nur die Symptome – etwa mit Einmalzahlungen. Das ist keine Lösung.
Wir brauchen lenkende Maßnahmen, dass Gas- und Strompreise sinken - so wie es auch viele andere Länder gemacht haben.
Hier muss man das Burgenländische Modell des Wärmepreisdeckels loben, weil es klüger, durchdachter und vor allem zielgerichtet ist.

Gibt es sonst noch Maßnahmen, die sie sich wünschen würden?
Was ich nicht verstehe: wenn die Verbraucherpreise steigen, warum steigen dann automatisch die Mieten. Hier muss die Bundesregierung direkt eingreifen.
Außerdem sind wir für ein vorübergehendes Aussetzen oder Senken von Mehrwertsteuern auf Grundnahrungsmitteln.
Und wir fordern rigorose Preiskontrollen. Wir gehen nämlich davon aus, dass ein großer Teil der Preissteigerungen nur Mitnahmeeffekte und nicht berechtigt sind.

WK-Präsident Nemeth wies im RegionalMedien Burgenland-Interview darauf hin, dass sich der Staat nicht in die Kollektivvertragsverhandlungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite einmischen soll…
Das sind wir uns einig. Die Lohnfindung ist die ureigenste Aufgabe der Sozialpartnerschaft. Die Sozialpartner wissen ganz genau, was in der Wirtschaft los ist.
Die gut funktionierende und effiziente Zusammenarbeit hat sich etwa bei der Kurzarbeit – eine Erfindung der Sozialpartner – gezeigt. Sozialpartner sind in vielen Bereichen sehr effizient, wahrscheinlich viel effizienter als es jede Regierung sein kann.

Und wie funktioniert die Zusammenarbeit im Burgenland?
Die Zusammenarbeit funktioniert auf persönlicher Ebene sehr gut. Wir machen auch gemeinsame Projekte, beispielsweise Aktionen gegen Lohn- und Sozialdumping.
Aber man könnte sicher noch mehr Projekte auf den Weg bringen, etwa wenn es um Fachkräfte geht.

Zum Thema:

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