Regierung uneins
Reform der Arbeitslosenversicherung endgültig abgesagt

Die Verhandlungen über die lange geplante Reform der Arbeitslosenversicherung sind gescheitert.
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Lange wurde die Öffentlichkeit zur Frage, wann denn die Arbeitsmarktreform komme, mit der Antwort abgespeist, man befindet sich in intensiven Verhandlungen. Im letzen Anlauf der Gespräche konnte sich die Regierung nicht auf ein gemeinsames Paket einigen.  "Die große Reform ist abgesagt", sagte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kochers (ÖVP) am Freitag.

ÖSTERREICH. Knackpunkte waren unter anderem der Zuverdienst und eine geplante "Karenzzeit" für jene, die neu beim AMS gemeldet wurden. Die ÖVP habe ein Modell vorgeschlagen, das einen zusätzlichen Erwerb für Arbeitslose deutlich einschränkt. Vor allem bei Personen in niedrigen Einkommenssegmenten habe die aktuelle Regelung klare Beschäftigungsanreize vermissen lassen, sagte Kocher. So habe sich für manche Personen durch das Arbeitslosengeld plus Nebenerwerb ein höheres Einkommen ergeben, als dies bei einer regulären Beschäftigung der Fall wäre - für die Türkisen eine suboptimale Regelung. Insgesamt gehen derzeit etwa 10 Prozent der Arbeitslosen einer Zusatzbeschäftigung nach. Mit dem Modell hätte man die Arbeitslosigkeit verringern können und längerfristig auch prekäre Arbeitsverhältnisse eingedämmt, meint der Minister. Der grüne Verhandlungspartner habe dies vor allem wegen Bedenken abgelehnt, die betroffenen Personen damit in die Armut zu treiben.

Kern der Gespräche war auch ein Modell für ein degressives Arbeitslosengeld in drei Stufen. Der Plan sah vor, für die ersten 7-10 Tage ohne Beschäftigung kein Arbeitslosengeld auszubezahlen, also eine Karenzzeit im Gesetz zu verankern. In weiterer Folge hätte sich die Nettoersatzrate auf 70 Prozent und nach drei Monaten auf 55 Prozent belaufen. An den Modalitäten zum Bezug der Notstandshilfe hätte sich nichts geändert.

Arbeitsminister Martin Kocher wolle alternativ etwa einen Fokus auf Personen mit Zuverdienst bei der Vermittlung legen. | Foto: Christopher Dunker/BKA
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Damit wäre das Arbeitslosengeld zwar anfangs teurer gekommen, per saldo hätte sich dies laut Kocher durch den erhofften Beschäftigungseffekt aber ausgeglichen. Die Grünen befürchten laut dessen Angaben einen Missbrauch durch Arbeitgeber, um Arbeitnehmer temporär in die Arbeitslosigkeit zu schicken, was für diese eine Unsicherheit bedeuten würde. Die Karenzzeit hätte gegenüber dem jetzigen Modell zwar Nachteile bei geringer Dauer der Arbeitslosigkeit gebracht, räumte Kocher ein. Das sei aber zumutbar gewesen, zumal in dieser Phase großteils keine Armut drohe.

Kocher will AMS-Beratungen überprüfen

Zwar werden es in dieser laufenden Legislaturperiode keine Novelle für den Arbeitsmarkt mehr geben, Evaluierungen etwa bei der Beratung des AMS mit Blick auf die Zuverdienstgrenzen kann sich Kocher aber sehr wohl noch vorstellen. Arbeitssuchende , die einer Nebenbeschäftigung nachgehen, sollen so schneller vermittelt werden. Auch die Wirkung und die zeitliche Abfolge der Sanktionen bei Arbeitslosigkeit wolle man überprüfen. Um Leistungsmissbrauch zu vermeiden, sollen das Arbeitsministerium, Finanzministerium und die Österreichischen Gebietskrankenkasse künftig besser zusammenarbeiten. Alle diese Maßnahmen könne man auch ohne Grüne umsetzen, meint Kocher, der sich weiter gesprächsbereit zeigt. 

Grünen: „Keine Überschneidungen“ 

Der grüne Sozialsprecher Markus Koza erklärte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, dass die gemeinsamen Positionen, die gemeinsamen Überschneidungen nicht ausgereicht hätten, „eine große Arbeitsmarktreform zu beschließen“. Man habe vergeblich auf die Valorisierung der Notstandhilfe gepocht. Beim Zuverdienst hätte man eine Beschränkung akzeptiert, aber man müsse ihn grundsätzlich schon ermöglichen, sagte Koza. Für viele Menschen sei der Zuverdienst „eine wesentliche Hilfe, um den finanziellen Alltag einigermaßen bewältigen zu können“.

Die ÖVP hat ein Modell vorgeschlagen, das einen zusätzlichen Erwerb für Arbeitslose deutlich einschränkt. | Foto: iStock
  • Die ÖVP hat ein Modell vorgeschlagen, das einen zusätzlichen Erwerb für Arbeitslose deutlich einschränkt.
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Der ÖVP-Wirtschaftsbund bezeichnete das Scheitern der Arbeitsmarktreform als „verheerendes Zeichen für unsere Volkswirtschaft und alle fleißigen Menschen in unserem Land“. Man sei enttäuscht, dass „diese dringend notwendigen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Österreich nun Parteiinteressen weichen mussten“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger.

Opposition: "Regierung krachend gescheitert"

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch wiederholte einmal mehr die SPÖ-Forderung nach Neuwahlen: "Wenn der Arbeitsminister seit über einem Jahr eine Arbeitsmarktreform verspricht, die wieder einmal nicht zustande kommt, dann bleibt nur noch festzustellen – diese Regierung ist am Ende!" Er plädierte für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Gehalts, mehr Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit und Ausbildungsoffensiven in Mangelberufen.

Das ‚Beste aus beiden Welten‘ hat wieder einmal versagt“, kommentierte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch das Platzen der Reform. „Kocher sollte endlich einsehen, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist, und zurücktreten.“ Ein degressives Modell beim Arbeitslosengeld und eine Kürzung der Zuverdienstgrenze lehne sie ohnehin ab. 

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker sah in der Reform eine Gelegenheit, Österreich wieder wettbewerbsfähig zu machen und damit das Sozialsystem finanzierbar bleibt. Wichtig sei es vor allem gewesen, die Bezüge für kurzzeitig Arbeitslose anzuheben und dann abzusenken, um Anreize für den Wiedereinstieg in den Beruf zu schaffen.

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