Trauer in Hartkirchen und Natternbach
Wenn der Tod ihr ganzes Leben bestimmt

Das Trauer-Cafe in Hartkirchen | Foto: Österreichisches Rotes Kreuz
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  • Das Trauer-Cafe in Hartkirchen
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Gerade zu Allerheiligen, am 1. November wird das Thema Trauer wieder spürbar. Um den Verlust eines geliebten Menschen besser verarbeiten zu können, wurden sogenannte "Trauer-Cafe's" gegründet. Die Geschichte eines solchen Trauer-Cafe's in Hartkirchen und das tragische Schicksal von Sandra Meier werden im folgenden Text geschildert. 

HARTKIRCHEN, NATTERNBACH. Im Jahr 2015 fiel der Startschuss für das erste "Trauer-Cafe" in der Region. Im Laufe der Zeit gab es immer mehr Mitarbeiterinnen und aus einer kleinen Idee wurde ein Ort des Rückzugs und der Sicherheit geschaffen. Im Bezirk Grieskirchen gibt es unter anderem das Trauer-Cafe in Hartkirchen. Andrea Katzenschläger leitet seit vier Jahren das Cafe und beschreibt, wie ein Nachmittag bei ihr aussieht. 

Trauern bei Kaffee und Kuchen

Im Sommer feierte die Gemeinschaft des Trauer-Cafe's ihr 20-jähriges Jubiläum. Damals entstand die Idee innerhalb einer kleinen privaten Gruppe, bei der unter anderem Gertraud Peter mitwirkte. Sie war damals "die Frau der Stunde" und aus einer Hospizgruppe für Angehörige nach schweren Schicksalsschlägen wurden die Trauer-Cafe's geboren. "Ohne Anmeldung und anonym kamen die ersten Betroffenen aus den unterschiedlichsten Bezirken und später schloss man sich dem RotenKreuz an.", erklärt Frau Peter. Die Treffen fanden vor einigen Jahren immer eimal im Monat statt – beispielsweise der erste Mittwoch im Monat. Im Laufe der Zeit haben sich die Trauer-Cafe's weiterentwickelt. 

"Es gab auch schon Treffen, an denen keiner erschienen ist. Dann sage ich immer: Es hat uns keiner gebraucht.",

sagt Peter.

"Personen, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben sind oft traurig und einsam.", erklärt Frau Katzenschläger. Eine Gruppe besteht aus circa zehn Personen und wird durch zwei dafür geschulte Trauerbegleiterinnen geleitet. Die Treffen werden vorher telefonisch vereinbart und finden alle paar Monate statt. Die Leiterin erklärt im Interview, wie wichtig dabei die Verschwiegenheit und das Zuhören sind. An einem großen Tisch, neben Kaffee und Kuchen, erzählt jeder seine eigene Geschichte zum Thema Trauer und Verlust. Ein Treffen dauert zwei Stunden und findet jeweils von 14 bis 16 Uhr statt. Auch Einzelgespräche werden in Hartkirchen angeboten. "Eine Trauerbegleiterin hat den Lehrgang Hospizbegleitung erlernt und unterstützt die Trauernden mit Büchern oder einfach nur der reinen Anwesenheit.", beschreibt Katzenschläger. 

Hilfe durch Trauer-Cafes

Die "5 Phasen der Trauer" bilden sich laut Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross wie folgt:

1. Nicht-Wahrhaben-Wollen
2. Zorn
3. Verhandeln
4.Depression
5. Zustimmung

Andrea Katzenschläger betont, wie wichtig der Austausch mit Gleichgesinnten ist, da das Gespräch dann zum Selbstläufer wird und echte Freundschaften entstehen können. Durch Corona wurde kein Kaffee mehr ausgeschenkt und die Trauer-Cafes wurden zum Trauer-Treff umbenannt. Auch "Kochen für Trauernde" wird mittlerweile angeboten. "Es kann auch sein, dass kein natürlicher Trauerprozess stattfindet. Die Trauerphase verläuft wellenartig, man kann zwischen seinen Gefühlen schwanken, doch leider gibt es auch manchmal Personen, bei der die Gefahr der Selbstverletzung durch die Trauer besteht. Hierbei verweisen wir sofort an eine professionelle Unterstützung im Krankenhaus.",sagt Katzenschläger. 

"Ich bin sicher, er schaut von oben herab"

Der 15. August 2013 war der Tag, an dem in Kallham der Kirtag mit unzähligen Besuchern ausgelassen gefeiert wurde. Auch Sandra Meiers Sohn Simon war mit seinem Moped auf dem Weg dorthin. Kurze Zeit später, war der 15-Jährige tot. Ein tragischer Mopedunfall kostete dem immer fröhlichen und hilfsbereiten Burschen sein Leben. "An diesem Tag machte das Leben sprichwörtlich einen Punkt.", schildert Sandra Meier im Gespräch. Im August diesen Sommer jährte sich der Todestag ihres Sohnes zum 9. Mal. Der BezirksRundSchau erzählt sie, wie man mit solch einem Verlust überhaupt weiterleben kann. 

"Zuerst befand ich mich in einer kompletten Schockstarre, man braucht eine gewisse Zeit, bis man es realisiert. Durch meine beiden anderen Kinder musste ich das Leben einfach wieder in den Griff bekommen und bin ihnen bis heute noch dafür dankbar", beschreibt Frau Meier. Zum Zeitpunkt des Unfalls war ihr zweiter Sohn dreizehn, ihre kleine Tochter fünf Jahre alt – sie waren der Anker, warum Sandra nie aufgegeben hat. Das Leben ist seit dem Unfall ihres Sohnes komplett anders und ein großer Teil von ihr fehlt seither. Die Unterstützung von Freunden und der Familie war und ist für sie bis heute sehr wichtig. Auch, wenn sie manchmal das Gefühl hat, ihre Bekannten und Freunde mit "der Geschichte von damals" zu nerven. Simons Mutter glaubt an das Leben nach dem Tod und die Zeichen, die ihr Sohn ihr immer wieder schickt. Ein herzförmiger Stein, der Name auf ihrem Handy-Display an seinem zweiten Todestag oder dieses eine Lied von Simon, welches in bestimmten Momenten erklingt geben ihr Kraft und Zuversicht, dass Simon in einer anderen Form noch über die Familie wacht und zusieht. 

"Ich bin mir sicher, dass Simon uns Zeichen schickt. Er will nicht, dass wir aufgeben oder in Trauer versinken. Meine Familie und ich dürfen lachen und Spaß haben, wenn uns danach ist.",

ist sich Meier sicher. 

Selbsthilfegruppe gegründet
Aus der Trauer heraus, entstand die Idee eine eigene Selbsthilfegruppe unter dem Namen "Lebenspunkt" zu schaffen, bei der Gleichgesinnte sich austauschen und Trost finden können. Da das Leben bei Sandra Meier sprichwörtlich "einen Punkt" machte, beschloss sie anderen Menschen zu helfen. Bei einer Bekannten konnte sie die Praxis im Bezirk Schärding nutzen um einen öffentlichen Ort für ihre Selbsthilfegruppe zu bieten. "Bei dem allerersten Treffen kamen circa zwanzig Leute, es war unglaublich!", erinnert sich Meier stolz. Neun Jahre später gibt es die Gruppe unter einem neuen Namen im Bezirk Natternbach noch immer. Die neue Leiterin Lucia Niederleitner taufte die Gruppe in "Leuchtpunkt" um und möchte mit Sandra Meier den Menschen neue Sichtweisen schenken. Die beiden starken Frauen verbindet exakt dasselbe Schicksal – ihre Söhne kamen bei einem Mopedunfall ums Leben. Im Interview mit Meier wird deutlich, dass sie den Tod ihres Sohnes nicht als Strafe sieht, sondern es ihre Aufgabe wurde, den Menschen mit einem ähnlichen Schicksal zu helfen. 

"Jede Trauerphase muss man leider durchleben. Besonders der erste Geburtstag oder das erste Weihnachten waren schlimm. Das Vermissen ist furchtbar, es gibt Tage, an denen ich einfach Unterstützung brauche. Oft stellt man sich die Frage: Warum wir?",

sagt sie nachdenklich im Interview. 

Die Bücher von Pascal Voggenhuber unter dem Titel "Kinder in der geistigen Welt" haben Frau Meier neben der Familie und ihrem Glauben sehr geholfen. Ihrer Meinung nach hat jeder Mensch eine bestimmte Aufgabe auf Erden, die er abarbeiten muss. Ihr Sohn wurde als "alte Seele" geboren und war daher nur mehr kurze Zeit unter ihnen – wie unterstützend und hilfreich er auch für seine Freunde war, erfuhr sie erst später. Trotz der Trauer in ihrem Leben, will sie ihren Kindern nichts verbieten. Viele aus ihrem Bekanntenkreis kritisierten sie dafür: "Hast du keine Angst, dass sie auch verunglücken im Straßenverkehr?"

"Von Tag 1 war Simon nie im Wortschatz weg. Obwohl es sehr viel Kraft abverlangt, kann ich meinen beiden anderen Kindern das Moped fahren nicht verbieten. Ich kann ihnen ihr Leben nicht vorgeben.",

erklärt Meier den Leuten.

Eine starke Frau, die selbst aus dem Negativen etwas Positives zieht, ist sich sicher, ihren Sohn Simon eines Tages wieder zu sehen.

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