Lesung mit Musik im Treibhaus
Remember Dr. Werner Vogt, Arzt und Essayist (1938–2023)

In Tirol herrschte zu seinem Tod im November 2023 bisher Totenstille. Der Arzt und Essayist Werner Vogt (1938–2023). | Foto: Rudolf Semotan
  • In Tirol herrschte zu seinem Tod im November 2023 bisher Totenstille. Der Arzt und Essayist Werner Vogt (1938–2023).
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Das Treibhaus Innsbruck und das Gemeindemuseum Absam gedenken an Werner Vogt, zu dessen Tod in seiner Heimat Tirol nur Totenstille zu vernehmen war. Rainer Egger und Johann Nikolussi lesen den Essay.

Lesung mit Musik am Sonntag, 28. Jänner, 19.30 Uhr im Treibhaus Innsbruck

Vor 50 Jahren, im November 1974, erlebte der in Zams im Jahr 1938 geborene und in Landeck aufgewachsene Werner Vogt seinen ersten Fernsehauftritt, der entscheidenden Einfluss auf seinen weiteren politischen und publizistischen Werdegang haben sollte. Bereits Wochen zuvor hatte die Ärztekammer alle Anstrengungen unternommen, um die Ausstrahlung des Films "krank. Anmerkungen zum Spitalswesen" von Götz Hagmüller zu verhindern. Dr. Werner Vogt, selbst Arzt, trat im Film als Diskussionspartner des Ärztekammerpräsidenten Richard Piaty auf. Werner Vogt schreibt zu diesem Auftritt in seinem Lebensbericht Mein Arztroman: „Piaty zeigte sich in Mimik und Sprache als vorwurfsvoller Patientenfeind: Alle fressen sich krank. Ich, der freundlich strahlende Jungarzt, verwarf die schnöde Selbstschuldtheorie, berichtete von sozialen Krankheitsursachen und wies nach, dass sich die kurative Spitalsmedizin in einer schweren Krise befinde, mitverursacht durch die Kammer.“ Der kritische Film wurde trotz Protests der Kammer im Hauptabendprogramm ausgestrahlt und war so erfolgreich, dass er – trotz Kammer-Gezeter – sogar wiederholt werden musste.

Als Aktivist umtriebig

Der ehemalige Tiroler Volksschullehrer, der seine erste Lehrerstelle in Vorarlberg – einen „sicheren Posten“ wie er später formulierte – fluchtartig verlassen hatte, begann in den 1960ern in Wien Medizin zu studieren. Mitte der 1970er hatte er im Film „krank“ den ersten Schritt aus einem System heraus gemacht, das er sein weiteres Leben lang als Aktivist der Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin und als Essayist kritisieren wird. 2010 meinte Werner Vogt, dass er in den zahlreichen gesellschaftlichen Konflikten Ende der 1960er seinen Zweitberuf erlernt hat: das Schreiben. Denn Werner Vogt wird in den nächsten Jahrzehnten ein Doppelleben führen – als Arzt in einem Unfallkrankenhaus und als Publizist, der keine reißerischen „Geschichten“ aus der Spitalsmaschinerie aufgetischt hat, sondern der in unzähligen Essays, Kommentaren, Kolumnen und Glossen nicht nur darauf hinwies, dass Krankheit eben „kein Zellunglück, kein Organversagen, das sich in Individuen ereignet, die ein falsches Leben führen“, ist, sondern, dass Medizin die lebensgeschichtliche und vor allem die soziale Dimension von Krankheit ins Zentrum zu rücken habe.

Einatmen und Ausatmen mit Nenning, Ringel, Cap, Pilz u. v. a.

Aber nicht nur mit dem politischen System, auch mit dem politischen Personal beschäftigte sich Werner Vogt. So bringt er die Rolle von Günther Nenning auf den Punkt, denn „in ihm ist alles, was schon einmal Mode war, versammelt, durch ihn ist fast jeder neuen Idee Luft und Entwicklungsmöglichkeit genommen worden“. Den Professor Erwin Ringel fragte er, warum er „noch nicht an dem Weihrauch erstickt ist, den ihm die Biedermänner der Medienkultur zum Dank für die Erfindung der Österreichischen Seele zugewedelt haben“. Sein Bestseller betreibe die „schäbige Kunst der Psychointerpretation“ gesellschaftlicher Ereignisse. Und Vogt resümierte: „Ringel hat ein schlechtes Buch geschrieben. Freilich, ein gefälliges, ein geschwätziges. Jeder Behauptung folgt ein zünftiges Zitat. Dadurch erspart er sich das Argument. Besser, er hätte uns das Buch erspart, das nun nicht enden wollende Geschwätz von der österreichischen Seele.“ Und lange bevor Armin Wolf 2022 an die ORF-Stiftungsräte appellierte „es ohne Parteifreundeskreise zu probieren“ stellte Werner Vogt 1982 zur Diskussion, ob das österreichische Fernsehen wirklich so „tranig und parfümiert“ sein müsse? Vogt beschäftigt sich zwar auch mit den damals neuen „Seitenblicken“ – ein Stelldichein der plappernden Schweinemägen –, aber auch die Machtstruktur des Staatssenders nimmt er ins Visier und stellt die Frage, wer denn so vom ORF-Kuratorium gewählt wird? Vogt: „Der Gewählte kann eine Niete sein oder ein Talent, entscheidend ist seine verbürgte Treue zum Freundeskreis. Freilich: Nieten werden häufiger gezogen als Talente.“ Heute benützt man vielleicht mit Begriffen wie „Sideletter-Leak“ eine neue Sprache, das damit Bezeichnete ist aber noch immer das „Gängelsystem“ in Form eines gigantischen Amüsierbetriebs, von dem Vogt vor über 20 Jahren geschrieben hat.

Österreichische Finsternis: Der Fall Gross

Dreimal haben seine Gegner Werner Vogt vor Gericht gebracht. Der Prozess mit der größten öffentlichen Wirkung war die Klage des Euthanasiearztes Heinrich Gross wegen „übler Nachrede, die sich dann als aufklärende Rede gegen den Euthanasiearzt erwies, mir nützte, Gross dauerhaften Schaden zufügte“ (Werner Vogt). Die Auseinandersetzung mit den Patientenmorden in der Kinderfachabteilung Am Spiegelgrund in Wien 1940ff hat Heinrich Gross noch im Jahr 2000 mit „ich glaube, man könnte mir nichts nachweisen“ kommentiert.

Werner Vogt hat in profil, Falter und Jüdischem Echo publiziert. Seine Texte sind in „Arm, krank, tot. Argumente für ein gewaltloses Krankenhaus“ (1989), „Einatmen, Ausatmen. Der Missstand als Norm“ (1991), „Reisen in die Welt der Altenpflege“ (2005) und in „Mein Arztroman“ (2013) in Buchform erschienen. Im Jahr 2000 ist er mit der Friedrich Torberg-Medaille der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ausgezeichnet worden.

Lesung mit Musik im Treibhaus

Am 28. Jänner um 19.30 Uhr erinnern das Treibhaus und das Gemeindemuseum Absam an Werner Vogt, zu dessen Tod in seiner Heimat Tirol nur Totenstille zu vernehmen war. Rainer Egger und Johann Nikolussi lesen den Essay. „Finsternis: Der Fall Gross“ aus dem Jahr 2005. Begleitet werden sie von Anna Reisigl am Bass. Eintritt frei.


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