"Sind für Kritiker kein lohnendes Ziel mehr"
Seit drei Jahren ist Christian Kern bei den ÖBB am Zug. Nicht nur das Image der Bahn konnte er verbessern.
von Karin Strobl
Um ein Wort von WKO-Chef Leitl zu verwenden: Wie abgesandelt sind die ÖBB?
KERN: „Nicht im Geringsten. Wir haben bei der Modernisierung der Bahn spürbare Fortschritte gemacht und sind heute eine der Vorzeigebahnen in Europa. Wir sind das Bahnunternehmen mit den zweitzufriedensten Kunden in Europa und im Güterverkehr unter den Top drei."
Wenn man sich die Nettoverschuldung der ÖBB mit rund 18 Milliarden Euro ansieht...
"... das Vermögen ist mit 22 Milliarden Euro deutlich höher."
Im September 2014 müssen laut EU die Milliarden-Belastungen der ÖBB-Infrastruktur zum Budget addiert werden.
"Das Entscheidende ist, dass wir mit unserem ambitionierten Bauprogramm Werte und Wohlstand für Generationen schaffen. Und worin der Steuerzahler investiert, kann sich jeder zum Beispiel hier am Hauptbahnhof ansehen. Auf der Aktivseite der ÖBB stehen Vermögenswerte, die höher als die Verbindlichkeiten sind."
Sollten Teile der ÖBB, die nicht systemrelevant sind, privatisiert werden?
„Bahnen sind Zwitterwesen, zwischen betriebswirtschaftlichen Vorgaben und gesellschaftlichen Verpflichtungen. Sie müssen betriebswirtschaftlich geführt werden, haben aber auch eine volkswirtschaftliche sowie gesellschaftliche Verpflichtung."
Welche drei Projekte haben derzeit Priorität?
"Der Hauptbahnhof. Er wird der gesamten Ostregion helfen, die Bahn gegenüber dem Auto wettbewerbsfähig zu machen. Wenn er fertig ist, wird die Bahn bei vielen Destinationen das Auto abhängen, nicht nur zwischen Wien und St. Pölten, sondern auch zwischen Wien und Wiener Neustadt oder Linz und Budapest. Zweitens ist die Südachse entscheidend mit dem Semmeringbasis- und dem Koralmtunnel. Mit der Beschleunigung der Südachse wird Wien-Klagenfurt in zwei Stunden und 45 Minuten möglich sein. Drittens: der Ausbau unserer Güterterminals Wien-Inzersdorf und in Wolfurt in Vorarlberg. Hier geht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs.“
Hat die Konkurrenz den Personenverkehr belebt? "Durch die Konkurrenz sind uns im ersten Jahr zwar rund 25 Millionen Euro entgangen, aber sie hat auch gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit der ÖBB gegenüber Privaten herzeigbar ist. Unser Hauptkonkurrent ist jedoch nicht die Westbahn, sondern die Westautobahn."
Die ÖBB sind oft Spielball der Politik. Wie können Sie die Bahn aus dem politischen Hickhack heraushalten?
"Das schafft man nur durch Leistung. Wenn es unbestritten ist, dass wir erfolgreich agieren, zufriedene Kunden sowie Zuwächse auf der Kundenseite haben, dann erübrigen sich diese Diskussionen. Es zeigt sich bereits, dass die ÖBB für einen politischen Kritiker kein lohnendes Ziel mehr sind."
Apropos Politik: Sie gelten als SPÖ-Personalreserve. Schließen Sie eine politische Karriere aus?
"Vor Menschen, die sich politisch engagieren, habe ich größten Respekt. Jeder muss allerdings für sich die Frage beantworten, ob er da oder dort einen größeren Beitrag leisten kann. Mein Beitrag ist größer in der Unternehmensführung."
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