"Daheimgefühl lässt mich leichter gehen"

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Noch weiß der 34-Jährige freilich nicht ganz genau, was ihn in Afrika erwarten wird. So viel aber steht jetzt schon fest: Der Neustifter stellt sich einer ganz großen Herausforderung! Peter Hochrainer hat sich dazu entschlossen, bei der Flücht-lingsorganisation Jesuit Refugee Service „JRS“ zwei Jahre lang als psychiatrischer Krankenpfleger im Flüchtlingslager in Kakuma (Nordwestkenia) zu arbeiten.

NEUSTIFT (tk). Die Anspannung steigt. Anfang nächster Woche besteigt Peter Hochrainer die Maschine, die ihn von München über Istanbul nach Nairobi, in die Hauptstadt von Kenia bringen wird. „Ja, nervös bin ich schon“, sagt der Neustifter, aber sein Beschluss steht fest. Im Leben des 34-Jährigen, der bisher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig war, wird ein neues Kapitel geschrieben. Er wird seine Zelte in Tirol vorläufig abbrechen und im Flüchtlingslager in Kakuma zwei Jahre lang im Bereich der psychosozialen Betreuung von psychisch kranken und behinderten Menschen arbeiten.

Aufbruch ins Unbekannte
Ein Schritt, der sehr viel Mut erfordert. Was bewegt den jungen Stubaier dazu? Hochrainer: „Mich bewegen Begriffe wie Gerechtigkeit, ungerechte Verteilung, Armut, Reichtum, Vertreibung, Elend, Solidarität, Heimatlosigkeit, Angst vor Fremden, Menschenwürde... Der Entschluss, das Abenteuer zu wagen, rührt auch daher, dass psychisch Kranke schon in unserer Gesellschaft am Rande stehen. Und in afrikanischen Kriegsgebieten kommen sie natürlich noch mehr unter die Räder.“

Einsatz am Ende der Welt
Damit auch Sie sich ein ungefähres Bild davon machen können, womit der Neustifter ab nächster Woche konfrontiert sein wird, hier einige Eckdaten: Im Flüchtlingslager Kakuma, das sich rund 1.000 km von Nairobi entfernt befindet, leben derzeit rund 65.000 Menschen in einfachsten Unterkünften. Die meisten von ihnen stammen aus den ärmsten Ländern Zentral- und Ostafrikas wie Äthiopien, dem Sudan, Tansania, Uganda, Somalia und Burundi – zehntausende stammen aus Kriegsgebieten. Vor Ort herrschen schlimme Bedingungen. Zwar sind in dem wüstenähnlichen Gebiet, das von Dürren und armer Landbevölkerung geprägt ist, internationale Hilfsorganisationen aktiv, aber nicht zuletzt deshalb kommt es immer wieder auch zu Konflikten zwischen den Einheimischen und den Flüchtlingen.

Der Frust im Lager ist groß, viele glauben mangels Perspektiven, dass das Leben für sie ohnehin keinen Sinn mehr hat. „Das kann man sich als freier Mensch gar nicht vorstellen. Deshalb gehe ich auch mit einem kritischen Blick nach Afrika: Was kann meine und die Arbeit von anderen vor Ort bewirken? Ich möchte genauer, differenzierter hinschauen. Ich möchte mich ‚aussetzen‘ und eigene, festgefahrene Bilder und Vorstellungen in Frage stellen. Ich möchte aber auch an meine persönlichen Grenzen gehen, mich selbst hinterfragen und meinen engen Horizont aufbrechen und weiten lassen“, so Hochrainer, der von JRS ein halbes Jahr lang auf seinen Einsatz vorbereitet wurde. Nachsatz: „Ich gehe ja nicht, weil ich es hier nicht aushalten würde. Ich fühle mich in Tirol daheim und kann deshalb leichter gehen. Auch Familie und FreundInnen unterstützen mich in meinem Vorhaben und glauben an mich. Sie werden mich gedanklich auf meinem Weg begleiten und mir Mut machen, dass ich den Herausforderungen gewachsen bin.“ Hochrainer, der übrigens auch das Studium zum Religionspädagogen abgeschlossen hat, bezeichnet sich selbst als Suchenden – nicht nur, aber eben auch in religiöser Hinsicht.

Heimaturlaub „zwischendurch“
Für sein Engagement erhält der 34-Jährige Kost, Logis und Versicherung frei plus Taschengeld. Den Flug zahlt sich Hochrainer selbst. Der Stubaier wird aber nicht nonstop für andere da sein (können), er wird auch Zeit zum Abschalten haben: „Man hat freie Tage und Urlaub, den ich übrigens in der Heimat verbringen werde.“ Nichtsdestotrotz sind zwei Jahre eine sehr lange Zeit, aber: „Ich habe gehört, dass es gut ein Jahr dauert, bis man sprachlich und kulturell ‚drinnen‘ ist. Daher die zwei Jahre. Es macht so einfach mehr Sinn.“

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