Zeitgeschichte
Befreiung, Besatzung, Abzug, die Amerikaner in Innsbruck
INNSBRUCK. Am 10. Juli 1945 endete die Besatzung der amerikanischen Truppen in Tirol und die französischen Truppen folgten. Am 3. Mai 1945 marschierte die 103rd Infantry Division in Innsbruck ein:
"There were Austrian flags hanging from many windows – the locals did not display white surrender flags, because they now wished to be considered » liberated nationals of a country that had been invaded by the terrible Germans in the early days of the war « and not members of a population that had strongly supported the German efforts for years."
t/3 Immanuel Wilk, Signal Corps, Headquarters, 103rd Infantry Division, über den Einmarsch in Innsbruck am Abend des 3. Mai 1945.
Peter Pirker und Matthias Breit geben im Buch "Schnappschüsse der Befreiung" interessante Einblicke und besondere Momente der amerikanischen Befreiung und Besatzung wieder.
Falsche Erzählungen
Die Erzählung, dass die amerikanischen Soldaten geglaubt hätten, sie befänden sich in Stuttgart, übernahmen die Journalisten von Karl Gruber, der den Widerstand der letzten Stunde in Innsbruck organisiert hatte, provisorischer Landeshauptmann von Tirol und bald erster Außenminister der Zweiten Republik wurde. Grubers Mär von der Ahnungslosigkeit der eigentlich nicht für die Besetzung Tirols vorgesehenen, aus Deutschland kommenden us -Truppen war eine österreichische Schlaumeierei. Von der zeithistorischen Forschung ist sie längst widerlegt. Im März 1945 hatten die westalliierten Kommandostellen realisiert, dass Westösterreich nicht von Italien her, sondern schneller von Deutschland aus zu besetzen war. Selbstverständlich waren die Führungsstäbe darauf vorbereitet.8 Grubers Schilderung war aber ohnehin nicht historischen Fakten verpflichtet. Gruber ging es um die Pointe, wer allein Anfang Mai in Innsbruck den rechten Überblick und die Fäden in der Hand gehabt hatte : er und die Tiroler. Schon am ersten Jahrestag des Kriegsendes in Europa, am 8. Mai 1946, sollte Gruber kühn behaupten, dass die Aktivisten der Tiroler Widerstandsbewegung die » Hauptlast der Kampfhandlungen « zu tragen gehabt hätten.
Widerstand
So kam es, dass die populärste Darstellung der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus durchaus dazu geeignet war, antiamerikanische Ressentiments über die ungebildeten und unwissenden Amerikaner, die sich kraftstrotzend danebenbenahmen zu bedienen, ja zu bestärken. Auch Grubers Schilderungen der Befreiung Tirols hat die zeithistorische Forschung mittlerweile zurechtgerückt : Es waren amerikanische und französische Truppen, die Westösterreich von den Nationalsozialisten und der Wehrmacht befreit hatten. Einheimische ns -Gegner-Innen, Wehrmachtsdeserteure, ZivilistInnen, ZwangsarbeiterInnen leisteten dazu auf der lokalen Ebene begrenzte, aber durchaus wertvolle Hilfe – mit der Waffe in der Hand, durch Informationsweitergabe, durch Besetzungen und Sicherungen von Brücken und neuralgischen Orten der Macht, wie etwa den 17 Kasernen und dem Radiosender von Innsbruck am 3. Mai. Zu den Relationen ist festzuhalten, dass von den vier beteiligten Großverbänden der us-Armee allein die 103rd Infantry Division und die 44th Infantry Division auf Tiroler Boden noch 57 gefallene und 240 verwundete Soldaten zu verzeichnen hatten – die Zahl der Todesopfer aus den Reihen des Tiroler Widerstands lag im selben Zeitraum bei sechs.
Buchinhalt
Fotografen des Signal Corps dokumentierten u. a. die Gefechte in Scharnitz und im Tiroler Außerfern, die Übernahme Innsbrucks, die Verhaftung von NS-Größen wie Hermann Göring in Kitzbühel oder Wernher von Braun in Reutte, die Repatriierung von KZ-Häftlingen aus dem Gestapo-Lager Reichenau. Nach dem Ende der Kämpfe griffen die Soldaten selbst zu Kameras und fotografierten sich und ihre Umgebung, bei Sport, Musik, Festen, mit lokalen Frauen, Kindern, Männern.
Autoren
Peter Pirker, Dr. phil., Historiker und Politikwissenschaftler an der Universität Wien, zahlreiche Publikationen zur NS-Herrschaft im Alpen-Adria-Raum, Widerstand, Exil und Geheimdienste im Zweiten Weltkrieg, zu Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Zuletzt bei Tyrolia: "Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945".
Matthias Breit, Leiter des Gemeindemuseums Absam, Kulturvermittler, zahlreiche Ausstellungen, interaktive Museumsprojekte mit dem Schwerpunkt Tiroler (Zeit-) Geschichte.
Infos
Peter Pirker; Matthias Breit
Schnappschüsse der Befreiung
Fotografien amerikanischer Soldaten im Frühjahr 1945
978-3-7022-3850-6
2020 Tyrolia
304 Seiten
263 sw Abb.
25 cm x 21 cm
Sofort versandfertig oder abholbereit in der Tyrolia Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 15
29.95 EUR
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.