Ärztemangel
Das O-Dorf blutet aus

Olympisch ist im O-Dorf die Vergangenheit, aber nicht die Geschwindigkeit, mit der man Probleme der Krankenversorgung löst. | Foto: Ranalter
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  • Olympisch ist im O-Dorf die Vergangenheit, aber nicht die Geschwindigkeit, mit der man Probleme der Krankenversorgung löst.
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Dr. Wolfgang Hofer ist der einzige Kassenarzt für einen Stadtteil mit 7.000 BewohnerInnen. Ein politisches Versagen, wie er meint.

INNSBRUCK. Die Geschichte von Dr. Hofer hört sich wie ein Zählreim für Kinder an. 2016 als er als Sprengelarzt in Innsbruck seinen Dienst aufgenommen hat, gab es zusammen mit ihm drei Kassenhausärzte. 2018 waren sie nur mehr zwei und seit Sommer 2022 ist er der einzige im O-Dorf. Die Kassenarztstelle teilt er sich mit einer anderen Ärztin. Geplant war eine Aufstockung der Ordinationszeiten und die Übernahme der PatientInnen von Dr. Seeber, der im heurigen Sommer in Pension gegangen ist. Aber Dr. Hofer erkrankte selbst und kann nicht in dem Ausmaß weiterarbeiten wie bisher.

Komplett ausgelastet

In seiner Praxis ist die Lage fatal. Sein Team muss täglich zehn bis zwanzig neue PatientInnen wegschicken: "Seit August gibt es bei uns einen Aufnahmestopp." Dass PatientInnen dann einfach zum nächstgelegenen Arzt gehen, ist dabei Utopie, denn auch die zwei Kassenhausärzte in Neu-Rum sind ausgelastet. Aber auch, wenn er auf Urlaub ist oder selber krank, müssen die PatientInnen mit langen Anreisen zum nächsten Arzt/der nächsten Ärztin rechnen.
"Meine Vertretungen befinden sich in Wilten und in Kranebitten. Vom O-Dorf aus ist das eine halbe Weltreise und eine absolute Zumutung für alle, die krank sind." Er gibt zu bedenken, dass der Stadtteil eine besonders hohe Dichte an älterer Bevölkerung hat – 30 Prozent sind über 65 Jahre alt. Außerdem lebt im O-Dorf überwiegend nicht das Klientel, das sich einen Besuch beim Wahlarzt leisten könnte.
Er stellt den Zuständigen im BezirksBlätter-Gespräch ein echtes Armutszeugnis aus. "Das Problem ist seit Jahren bekannt und trotzdem wird nichts gemacht." Auch er hätte 2020 beinahe das Handtuch geworfen, wenn die Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) und Gemeinderat Christoph Kaufmann (Für Innsbruck) nicht tatkräftig geholfen hätten. Seine Räumlichkeiten im O-Dorf – eine umgebaute 2-Zimmer-Wohnung – platzte von Beginn an aus allen Nähten. Die IIG habe ihm daraufhin einen großen Ordinationsraum zur Verfügung gestellt, der sogar ausgebaut werden könnte.

"Alle Kassenarztplätze sind besetzt"

Wenn man bei den Zuständigen nachfragt, ist alles in Ordnung. Die vorgesehenen Plätze für KassenhausärztInnen in der Gemeinde sind besetzt, sagt die Ärztekammer und auch der verantwortliche Vizebürgermeister streicht hervor, dass Innsbruck im Vergleich zu anderen Gemeinden gut dastehe. Nichtsdestotrotz räumt Vbgm. Hannes Anzengruber (ÖVP) ein, dass die Lage im O-Dorf keine ideale ist. Jetzt soll alles auf ein Pferd gesetzt werden. Auf die sogenannte Primärversorgungseinheit (PVE), die mehrere ÄrztInnen, Pflegepersonal, Sozialarbeiter, etc. an einen Standort zusammenführt.

Erste Primärversorgungseinheit Tirols soll im O-Dorf stehen

Das größte Problem dabei: PVE sind in Tirol nicht bekannt genug und ÄrztInnen fürchten sich vor den unbekannten bürokratischen Schritten. Hier fühlt sich Dr. Hofer ein weiteres Mal im Stich gelassen: "Ich soll jetzt alles auf die Beine stellen und dann können sich die Zuständigen zum Schluss einfach aufs Foto stellen. Ich würde mir wünschen, man kommt mir entgegen, macht die Primärversorgungseinheiten bei den jungen ÄrztInnen publik oder bietet günstige Ordinationsräume an. Es gäbe viele Möglichkeiten zur wertschätzenden Zusammenarbeit." Dabei findet er PVEs grundsätzlich als gutes Mittel für die neue Ärztegeneration, die mehr im Team arbeiten und ausgewogener Leben will. "Das ist gut, denn die Patienten brauchen ja auch einen Arzt, der ausgeschlafen ist und nicht nach einigen Jahren selbst einen Burnout hat." Jetzt liegt der Ball bei Ärztekammer, Land Tirol und der Stadt Innsbruck, dass der "Zählreim" nicht in Erfüllung geht, sonst bleibt im O-Dorf kein Kassenarzt mehr übrig.

Zahlen zu den Kassenärzten in Innsbruck

In Innsbruck gibt es ingesamt 2.588 niedergelassene ÄrztInnen. Von ihnen sind 150 (also nicht einmal 6 %) als KassenärztInnen der größten Kasse, der Österreichischen Gesundheitskasse, tätig. Gut ein Drittel dieser 150 ÄrztInnen (56) ist in der Allgemeinmedizin (also als HausärztIn) tätig. Die Stadt rechnet mit künftigen Ärztemangel-Hotspots z. B. in der Reichenau.

Olympisch ist im O-Dorf die Vergangenheit, aber nicht die Geschwindigkeit, mit der man Probleme der Krankenversorgung löst. | Foto: Ranalter
Das O-Dorf kämpft mit dem Ärzemangel. | Foto: Czingulszki
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