LKA Chefin Katja Tersch
"Jede Gewalttat ist eine Straftat zu viel"

Ermittlung nach dem Mord in Imst. Das nicht rechtskräftige Urteil: 20 Jahre. | Foto: zeitungsfoto.at
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INNSBRUCK. Ein Bericht über die ersten Frauen bei der Wiener Polizei im Jahr 1992 waren für Katja Tersch Motivation, selbst die Polizeikarriere zu bestreiten. Seit 2001 ist sie in Innsbruck tätig, seit Feber 2020 leitet Katja Tersch das Landeskriminalamt. Die Teamspielerin hat somit auch eine Vorbildfunktion für junge Kolleginnen. Im Bezirksblätter-Interview geht es um Gewaltverbrechen, Entwicklungen und Persönliches.

Interview

Bezirksblätter: Frau Tersch, nach dem schockierenden Mordfall in Kufstein - wie wichtig ist die Balance zwischen öffentlicher Information und Opferschutz?
Katja Tersch:
Diese Balance ist überaus wichtig. Wir stehen hier im Spannungsfeld von verschiedenen Interessen - auf der einen Seite ist hier die Öffentlichkeit, die über schwerwiegende Straftaten informiert werden möchte, und auf der anderen Seite das oder die Opfer, der Beschuldigte und - nicht zu vergessen - deren Angehörige, die sich in den Schlagzeilen finden und Situationen sowie Details öffentlich gemacht sehen, die für sie an sich schon schwer zu erleben und zu verarbeiten sind. Und dann kommt hinzu, dass diese nun durch die mediale Berichterstattung für jeden lesbar und transparent gemacht werden. Das kann, wie man sich vorstellen kann, sehr belastend sein.

Seit Ihrem Amtsantritt gab es in Imst den Mord an einer Frau, in Längenfeld den Mord an zwei Mädchen und den Mord in Kufstein. Wie verarbeiten Sie persönlich derartige Fälle?
Jeder Mordfall ist an sich ein tragisches Ereignis und mein Mitgefühl ist hier bei den Angehörigen. Die Aufarbeitung der Tat – von der Spurensicherung, den Ermittlungen bis hin zur medialen Berichterstattung - gehört zum Beruf eines Polizisten bzw. einer Polizistin, insbesondere im Kriminaldienst im Landeskriminalamt. Daher liegt wohl schon ein Teil des „Verarbeitens“ in unserer Ermittlungsarbeit und in unserer Aufgabenerfüllung, da wir hier sehr viel Engagement, Akribie und Hartnäckigkeit in die Aufklärung solcher Taten investieren.

Ist ein Fall für Sie vorbei, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind oder schließen Sie erst mit einer Verurteilung des Täters ab?
Eine Verurteilung eines Täters ist natürlich auch ein wichtiger Aspekt, jedoch liegt diese nicht mehr in der Hand der Polizei. Wir sind im Vorfeld tätig, sichern Spuren, ermitteln, analysieren und dokumentieren. Unsere Aufgabe ist es, alle be- und entlastenden Beweise zu sammeln und diese der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zu berichten, damit diese in weiterer Folge im Zuge des Strafverfahrens entscheiden können.

In der Öffentlichkeit sind Femizide ein großes Thema, haben Sie als Leiterin des LKA einen anderen Zugang zu diesen Gewalttaten?
Jeder Mord, jede Gewalttat ist eine Straftat zu viel und berührt und macht betroffen. Ich glaube nicht, dass dies eine Frage des Geschlechts ist.

Gibt es einen Anstieg von Gewaltverbrechen?
2020 war laut Kriminalstatistik ein Rückgang der Gewaltkriminalität in Tirol zu verzeichnen. Es wurden 5.795 derartige Delikte angezeigt, was ein Minus von 8,9 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Davon konnten 5.264 Delikte geklärt werden, was einer Aufklärungsquote von 90,8 Prozent entspricht. Wie der Trend im Jahr 2021 aussehen wird, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vorhersagen. Was wir allerdings aktuell feststellen, ist, dass mehr Betretungs- und Annäherungsverbote zum Schutz von Personen vor häuslicher Gewalt ausgesprochen wurden.

Sie waren in Ihrer Laufbahn auch in der Kriminalprävention tätig, gibt es Maßnahmen oder Möglichkeiten gegen Gewaltverbrechen?
Dazu gibt es verschieden Möglichkeiten und Zugänge. Angefangen von Jugendpräventionsmaßnahmen zum Thema Gewalt, aber auch Opfernachbetreuungen und Normverdeutlichungsgespräche mit Beschuldigten sowie sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen, die anlassbezogen Organisations- und Behördenübergreifende stattfinden. Darüber hinaus ist hier die Vernetzung mit Opferschutzeinrichtungen und anderen in dieser Thematik agierenden Organisationen äußerst wichtig, da wir alle dasselbe Ziel haben, Gewalttaten zu verhindern und Opfer den bestmöglichen Schutz zukommen zu lassen; jeder Netzwerkpartner jedoch mit anderen Zuständigkeiten und Möglichkeiten.

Hat sich in Ihrer polizeilichen Laufbahn seit 1992 viel in der Kriminalarbeit verändert?
Kurz gesagt: Sie wurde internationaler und um das Tatmittel „Internet“ ergänzt. Die zunehmende Globalisierung und Digitalisierung hat natürlich auch nicht vor dem Kriminalitätsgeschehen halt gemacht, ganz im Gegenteil; sie wurde um einen wesentlichen Aspekt erweitert und hat die Möglichkeit für neue Begehungsformen, aber insbesondere für eine immense Reichweite der Täter geschaffen. War es früher erforderlich sich als Täter vor Ort zu begeben, so kann er quasi von seinem Schreibtisch aus Opfer in der ganzen Welt erreichen.

Ihre Amtsübernahme im Feber 2020 hat für viel Interesse in der Öffentlichkeit gesorgt. Sie sind die erste Frau an der Spitze eines LKAs. Inzwischen eine Selbstverständlichkeit?
Das müsste man wahrscheinlich besser mein Umfeld fragen. Für mich war in meinen mittlerweile 29 Dienstjahren die Polizeiarbeit und besonders der Kriminaldienst immer ein höchst spannender und interessanter Beruf, den ich sehr gerne und mit Leidenschaft ausübe. Dass ich es bis in die Leitung des Landeskriminalamtes geschafft habe, freut mich natürlich umso mehr.

Abgesehen vom Ziel die Aufklärungsquote weiterhin zu steigern, welche Ziele haben Sie?
Gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Kriminaldienst auf die neuen Herausforderungen auszurichten, die Vernetzung mit Kooperationspartner zu forcieren und weiterhin auf Kriminalprävention zu setzen.

Persönliche Bilanz nach 2 Jahren an der Spitze: Die richtige Wahl getroffen?
Für mich persönlich - ja, auf jeden Fall.

Erschütternde Verbrechen in Tirol

"Jeder Mord, jede Gewalttat ist eine Straftat zu viel und berührt und macht betroffen", hält Katja Tersch im Interview fest. Manche Verbrechen bleiben in besonderer Erinnerung. Wie Guido Zingerle, der im Sommer 1950 am Patscherkofel eine Engländerin ermordet hat. Aber auch in der jüngeren Geschichte gibt es Gewalttaten, die für Erschütterung sorgen. 2013 war es der "Fall Larissa" in Rum. Sie wurde von ihrem Freund umgebracht und im Inn versenkt. Wochenlang wurde nach ihr gesucht. In Mühlbachl erstach ein 25-Jähriger im Dezember 2014 einen Bekannten. Das Opfer wies mehr als 100 Messerstiche auf. Ein 21-Jähriger Vorarlberger wurde am 25. November 2018 bei der Bogenmeile von einem Unbekannten mit einem Messer angegriffen, er starb wenig später in der Klinik. Im Oktober 2019 wurde in Kitzbühel eine Familie von einem 25-Jährigen ermordet und im Dezember 2020 erwürgte ein 28-Jähriger seine beiden neun Monate sowie zwei Jahre alten Töchter. Am 14. Juni kam es in Kufstein zu einer erschütternden Tat. Ein 29-Jähriger soll ohne Motiv einen 77-Jährigen Einheimischen mit einem Küchenmesser ermordet haben.

Mord in Imst

Bei einem Streit um die Finanzen hatte ein 34-Jähriger in Imst im Juni 2020 seine Ehefrau und Mutter des gemeinsamen Sohnes erdrosselt. Der Montagetischler musste sich vor Gericht für die Tat verantworten. Die Geschworenen sprachen sich mit 6:2 Stimmen für Mord aus.  (Hier finden Sie den Bezirksblatter-Beitrag zum Urteil)

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