Noch immer keine Hilfe für autistisches Kind
Landes-Mühlen mahlen langsam

Für Anja und ihre Mutter hat sich noch immer nichts verändert, hier arbeiten die Mühlen der Landesregierung zu langsam. | Foto: Pletzer
  • Für Anja und ihre Mutter hat sich noch immer nichts verändert, hier arbeiten die Mühlen der Landesregierung zu langsam.
  • Foto: Pletzer
  • hochgeladen von Nadine Isser

Das letzte halbe Jahr war für Anja Pletzer und vor allem ihre Mutter, Silvia Pletzer turbulent: Gleich mehrere Medien berichteten über den Fall, auch das STADTBLATT.

Das letzte halbe Jahr war für Anja Pletzer und vor allem für ihre Mutter Silvia Pletzer turbulent: Gleich mehrere Medien berichteten über den Fall, auch das STADTBLATT. Kurz zusammengefasst: Silvia Pletzers Tochter ist schwer behindert, sie ist im Autismus-Spektrum, kann nicht verbal kommunizieren und bekommt regelmäßig „Anfälle“, in denen sie autoaggressiv reagiert und sich selbst z. B. am Kopf verletzt, in dem sie ihn immer wieder gegen die Wand schlägt. Aufgrund der Größe und des Gewichts des Kindes kann die Mutter nur schwer eingreifen und ist mit der Situation zunehmend überfordert. Ärzte empfehlen dringend eine Fremdunterbringung. Diese ist allerdings nicht möglich, da kein passender Platz gefunden wird. In Tirol schon gar nicht, aber auch die beiden vorgeschlagenen Stellen in Deutschland sind ungeeignet. Die Situation ist nun, trotz medialer Berichterstattung und trotz des Versprechens von Seiten des Landes Tirol nach einer Lösung zu suchen, nach wie vor unverändert.

Kein Platz in Tirol

In den vorhandenen Stellen, wie dem Elisabethinum ist leider kein Platz für Anja vorhanden. Dazu müsste erst das Land eine entsprechende Genehmigung geben. Anja ist dabei aber nicht der einzige Fall, wie viele Kinder und Jugendliche keinen geeigneten Platz haben, ist jedoch unklar. Die argeSODiT (Arbeitsgemeinschaft der sozialen Dienstleistungsanbieter in Tirol) hält jedoch fest, dass es für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf nach Beendigung der Schulpflicht dringend Wohnplätze braucht, da diese sonst zunehmend ins Pflege- oder Altersheim müssen. Nach deren Ermessen fehlt weiters eine Rund-um-dieUhr-betreutes-Wohnen, sowie Angebote für Menschen mit schwersten körperlichen Beeinträchtigungen – es mangelt an Personal, Ausstattung und entsprechenden Strukturen. Die Frage ist nun, wie kann man das ändern?

Gesetzliche Lage

Nun ist ja in Tirol die Situation rechtlich über das sogenannte Teilhabegesetz geregelt. Das sagt ganz klar, und zwar unter Paragraph 12, „(1) Wohnleistungen sollen Menschen mit Behinderungen, angepasst an den Unterstützungsbedarf, eine adäquate Wohnform in einer Einrichtung ermöglichen“ und unter Paragraph 10 wird explizit auf Kinder und Jugendliche eingegangen. Überdies hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung 2008 ratifiziert. Da heißt es unter Artikel 28: „(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderung auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien, einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung.“

Der Bedarf muss geklärt werden

Das Recht gibt also vor, dass es für solche Fälle, wie bei Familie Pletzer, Lösungen geben sollte. Woran scheitert es dann? Um genügend Plätze schaffen zu können, muss man erst einmal wissen, wie viele Plätze es braucht. Das ist auch im Teilhabegesetz unter Paragraph 44 verankert, in dem sich das Land Tirol dazu verpflichtet, „einen Bedarfs- und Entwicklungsplan auf dem Gebiet der Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben“ auszuarbeiten – und das innerhalb von zwei Jahren. Ausgearbeitet und beschlossen wurde das Gesetz im Dezember 2017. Bisher gibt es noch keine solche Erhebung, weswegen die Liste Fritz im Frühjahr 2019 einen Dringlichkeitsantrag stellte, der eben genau diesen Bedarfs- und Entwicklungsplan vom Land Tirol verlangt, um in weiterer Folge ein ausreichendes Angebot zu schaffen. Aktuell wird laut dem Land Tirol diese Erhebung gerade erstellt, das Land Tirol ist seiner Verantwortung diesbezüglich nachgekommen. Bis wann die Erhebung abgeschlossen sein wird und wie lange es dauern wird, bis dann in weiterer Folge ein passendes Angebot geschaffen wird, ist noch unklar.

Schnelle Hilfe fehlt

Dass hier langfristige Ziele angegangen werden und sich der Problematik gestellt wird, so wie es auch das Gesetz vorsieht, ist die eine Sache. Die andere ist, wie man schnell und konkret Familien hilft, die jetzt in einer Notsituation ist. Man darf hier nicht nur Symptombekämpfung betreiben, sondern muss von Grund auf gesetzliche Bestimmungen treffen, sodass Notlagen zukünftig vermieden werden. Doch dass Familien, wie zum Beispiel Frau Pletzer und ihrer Tochter, nicht mehr genügend Energie und Ressourcen haben, auf einen endgültigen Beschluss und dann noch auf die Schaffung von Plätzen zu warten, steht auf einem anderen Blatt. Hier ist nach wie vor
schnelle Hilfe gefragt, da jeder weiterer Tag eine enorme Belastung darstellt, und weil es das Gesetz vorsieht. So steht neben einer moralischen eben auch eine gesetzliche Verantwortung, die das Land Tirol dringend zu erfüllen hat.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.