„Musik ist für die Jugend existenziell“

Domkapellmeister Christoph Klemm

TIP: Ist sakrale Musik noch zeitgemäß? Will die noch jemand hören? Und wie steht die Jugend zur geistlichen Musik?
Christoph Klemm:
„Ja, eine gute Frage. Das Singen und die geistliche Musik sind bei der heutigen Jugend eher nicht mehr zeitgemäß, aber durch konsequente Jugendarbeit und damit verbunden durch eine solide Ausbildung, kommen auch junge Menschen wieder zur Religion und zur Kirchenmusik. Wenn man als Kind und Jugendlicher die Möglichkeit bekommt, z.B. ein Mozart-Requiem selbst mitzusingen, wird man einen anderen Zugang zur Bedeutung der sakralen Musik haben als Kinder, die Lady Gaga hören.“

TIP: Musik und Jugend. Wie sehen Sie die Heranführung der Kinder und Jugendlichen überhaupt an die Musik?
Christoph Klemm:
„Enorm wichtig. Musik ist für die Entwicklung eines Kindes existenziell. Zu diesem Thema gibt es zahlreiche Studien, die dies belegen. Ich selbst kann dies aus meiner über 20-jährigen Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen bestätigen, wie sich die Musik auf die Kinder und ihr Leben auswirkt. Musik ist gut für die Seele.“

TIP: Aber alle Kinder sind nicht gleich talentiert.
Christoph Klemm:
„Natürlich nicht, aber wenn man sich die Mühe macht, mit den Kindern ernsthaft musikalisch zu arbeiten, wird man staunen, zu welchen Leistungen die Kinder fähig sind, nicht nur die begabten. Nur auf die Besten zu setzen ist zu wenig. Gerade im kirchlichen Bereich hat jedes Kind eine Chance verdient, sich gesanglich zu bilden und Musik zu erfahren.“

TIP: Dann gibt es konkrete Pläne, hier mehr außerhalb des Domes tätig zu werden?
Christoph Klemm:
„Ja, wir arbeiten derzeit an der Planung einer Domsingschule, die es übrigens in Innsbruck schon einmal gegeben hat. Erste Schritte sind getan, auch eine Kooperation mit der Volksschule Innere Stadt mit Direktorin Eva Nora-Hosp, der ich dafür sehr dankbar bin, ist bereits ausverhandelt. Ab September werden hier Kinder intensiv musikalisch mit vokalem Schwerpunkt ausgebildet. Ich darf anmerken, dass eine Domsingschule in Innsbruck für den kirchlichen Bereich in Österreich auch ein Impuls sein kann, denn nur an zwei österreichischen Domkirchen hat man erkannt, wie wichtig die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist.“

TIP: Und die Kriterien für die Teilnahme an einem solchen Unterricht?
Christoph Klemm:
„Keine, wir wollen allen Kindern die Möglichkeit geben, zu singen. In den meisten Fällen melden sich sowieso die Kinder, die Interesse an der Musik haben. Neben der Volksschule Innere Stadt wird der Unterricht auch im Zuge der Dommusik angeboten. Weiters gibt es am Dom auch eine musikalische Früherziehung für Kinder im Kindergartenalter.“

TIP: Sie sind seit acht Jahren Domkapellmeister, auch die Leitung des Domchores liegt in Ihrer Aufgabe. Kommt der Nachwuchs für den Domchor aus den Reihen der Jugend, die Sie musikalisch begleiten?
Christoph Klemm:
„Ja, immer wieder kommen Jugendliche zum Domchor, bei großen Projekten singen die Chöre auch gemeinsam. Grundsätzlich ist mir aber sehr wichtig, dass die SängerInnen wissen, dass Kirchenmusik kein Selbstzweck ist. Kirchenmusik ist für die Liturgie komponiert worden und ist fester Bestandteil der Liturgie. Die Kirchenmusik hat daher eine bedeutende Funktion, der sie nur gerecht werden kann, wenn alle an der Liturgie Beteiligten darum wissen. Das Niveau kann nicht hoch genug sein.“

TIP: Wie steht es derzeit generell um den Domchor?
Christoph Klemm:
„Der Domchor ist derzeit auf einem sehr guten Weg. Das Konzert und die musikalische Gestaltung der Messe im Dom von Ravenna mit einem durchwegs schweren A-cappella-Programm sind schon Höhepunkte und Motivation für die SängerInnen.“

TIP: Und wenn jemand mitsingen will?
Christoph Klemm:
„Herzlich gerne, gerade Männerstimmen, speziell Tenöre, sind immer gerne gesehen, der Probentag ist Mittwoch, auch eine Schnupperprobe kann gerne besucht werden.“

TIP: Sie sind ausgebildeter Kirchenmusiker und Vorsitzender der Kirchenmusikkommission der Diözese. Wie beurteilen Sie insgesamt die Kirchenmusik in Tirol?
Christoph Klemm:
„Erfreulich ist die Tatsache, dass sich 18 MusikerInnen für den 1. Kirchenmusikkurs gemeldet haben. Dies zeigt, dass das Interesse an einer fundierten kirchenmusikalischen Ausbildung vorhanden ist. Wir erhoffen uns von den ausgebildeten Kirchenmusikern im Nebenamt, dass sie das Erlernte als Multiplikatoren in den Pfarren weitergeben.

An dieser Stelle darf ich darauf hinweisen, dass im September wieder ein zweijähriger Ausbildungskurs für KirchenmusikerInnen im Nebenamt beginnt und ich wünsche mir, dass sich wieder so viele Interessenten melden. Besonders freue ich mich darüber, dass die Diözesanverantwortlichen – unser Bischof, der Propst am Dom sowie die Seelsorgeamtsleiterin – diese kirchenmusikalische Ausbildung ausdrücklich wünschen und fördern.“

Zur Person:
Studium Kirchenmusik-A an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz; Meisterkurse bei Eric Ericson, Robert Sund und Sergiu Celibidache; von 1997-2002 Domkantor am Hohen Dom zu Mainz; Aufbau des Mädchenchores am Mainzer Dom, mit diesem Konzerte in Italien, Polen, Spanien und der Ukraine, CD-Einspielung; seine spezielle musikalische Prägung erhielt er als Sänger im Kammerchor Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius.

Seit 2002 Domkapellmeister am Dom St. Jakob Innsbruck; setzt im Bereich der Tiroler Kirchenmusik neue musikalische Akzente; Gründung diverser Instrumental- und Vokalformationen. Gründung der Domkonzertreihe, die sich am liturgischen Jahr ausrichtet. Vorsitzender der Kirchenmusikkommission der Diözese Innsbruck. Seit 2008 Vizepräsident der Pueri Cantores Austriae.

Informationen
Domchor:
www.dommusik-innsbruck.at/
Anmeldung Domsingschule:
Katharina Lehner, E-Mail:
dompfarre.innsbruck@dibk.at
Anmeldung Kirchenmusikkurs:
Kirchenmusikreferat der katholischen Kirche Tirol, E-Mail:
raimund.rungaldier@dioezese-innsbruck.at

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