Entwicklungsareale einer eingesperrten Stadt

Der Frachtenbahnhof ist ein innerstädtischer Diamant – ungeschliffen wohlgemerkt. Nach der Fertigstellung des Brenner-Basistunnels wird dieses Areal wohl in den Fokus der Stadtplaner rücken.
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  • Der Frachtenbahnhof ist ein innerstädtischer Diamant – ungeschliffen wohlgemerkt. Nach der Fertigstellung des Brenner-Basistunnels wird dieses Areal wohl in den Fokus der Stadtplaner rücken.
  • hochgeladen von Stephan Gstraunthaler

Innsbruck wächst. Nach Jahren der Stagnation nimmt die Einwohnerzahl der Stadt wieder stetig zu. Doch der Zuwachs an Einwohnern bringt auch Herausforderungen mit sich. Es braucht Raum für neue Wohnungen und neue Arbeitsplätze. Doch Flächen zur Entwicklung sind rar.

Platz ist in Innsbruck Mangelware. Die selbsternannte „Hauptstadt der Alpen“ liegt eingezwängt zwischen ihren natürlichen Wahrzeichen Patscherkofel im Süden und Nordkette. Diese geografischen Gegebenheiten sind Chance und Hemmnis zugleich. Einerseits nützt die Landeshauptstadt ihre Nähe zum hochalpinen Bereich geschickt, um sich im Spannungsfeld „alpin und urban“ zu positionieren, andererseits stoßen die Stadtplaner ob der eingeschränkten nutzbaren Fläche immer wieder an ihre Grenzen. Derzeit wird gerade das örtliche Raumordnungskonzept für die nächsten zehn Jahre erarbeitet. In diesem „ÖROKO 25“ werden die wichtigsten Entwicklungsbereiche der Stadt für die nächste Dekade festgelegt.

Gewerbe und Handel

Gerade die Bereitstellung von Flächen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist in der Landeshauptstadt eine Herausforderung. Die größten Reserven hierbei liegen im Osten von Innsbruck. Im Gewerbegebiet Rossau hat sich die Stadt bereits etliche freie Flächen sichern können. Vereinzelte Grundreserven zur Ansiedelung neuer Betriebe gibt es auch entlang der Haller Straße im nördlichen Bereich und nördlich angrenzend an den Flughafen. Letztere wurden – eingebunden in eine Studie für den Bereich Hötting-West – unlängst dem Bauausschuss zur Beratung vorgelegt.

Herausforderung: Wohnbau

Die größte Herausforderung für die Planer liegt jedoch – angesichts der immensen Immobilienpreise – darin, Platz für Wohnbau zu reservieren. Vor allem der soziale Wohnbau soll weiter forciert werden. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht mit Sicherheit das Campagnereiter-Areal im Stadtteil Rossau. Das riesige Gebiet liegt seit etwa einem Jahrzehnt brach. Doch die Planungen für eine baldige Bebauung laufen auf Hochtouren. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten gibt es in Saggen und Mühlau, westlich des Sanatoriums befinden sich noch etliche Freiflächen. Auch im Bereich Mentlberg wären noch einige größere Wohnbauprojekte realisierbar. Hier befinden sich weitläufige Gründe im Besitz des Stiftes Wilten. Verhandlungen über einen Ankauf der Gründe bzw. den Erwerb eines Baurechts verliefen jedoch bislang im Sand.

Verdichtung gegen Charakter

Kontroversen wird hingegen die Frage verursachen, wie mit den Freiflächen in den dörflich geprägten Stadtteilen Igls, Vill, Arzl, Mühlau und Amras umgegangen werden soll. Auch dort wären noch einige große Bauvorhaben realisierbar. Gegner dieser Verdichtung befürchten aber, dass damit der ländliche Charakter der eingemeindeten Dörfer zerstört wird.

Zukunft der Planungen

Mittelfristig wird auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der strikten Trennung von Gewerbe und Wohngebieten in der Stadt relevant werden. Arno Ritter, Leiter des Thinktanks „aut. architektur und tirol“, glaubt, dass diese Trennung nicht mehr zeitgemäß ist. Ebenso wenig wie die Erstellung eines Raumordnungskonzepts durch jede einzelne Stadt oder Gemeinde. „Die starken Zuzugsdynamiken im Zentralraum führen zu Problemen, die durch dieses Kirchturmdenken nicht lösbar sind. Allerdings ist der Leidensdruck der betroffenen Gemeinden noch nicht groß genug. Tatsächlich wird es mittelfristig notwendig sein, ganz Tirol als eine große Stadt zu sehen und die Planungen entsprechend überörtlich auszuführen. In Ansätzen findet dies ja bereits statt“, so Ritter.

Vision: Durchmischung

In die selbe Kerbe schlägt auch Harald Gohm, Leiter der Standortagentur Tirol. „Innsbruck ist ein hoch attraktiver Wirtschaftsraum. In den kommenden Jahren wird ein Bevölkerungswachstum von bis zu 16 Prozent prognostiziert. Das bringt natürlich auch Probleme mit sich“, gibt Gohm zu bedenken. Er ist überzeugt, dass es gerade für produzierendes Gewerbe im Tiroler Zentralraum immer schwieriger wird, geeignete Standorte zu finden. „Diese Problemstellung wird sich nur in einer überörtlichen Kooperation lösen lassen. In der Schweiz gibt es bereits Beispiele von großen Planungsverbänden, die diesen Weg gehen“, so der Standortentwickler. Genauso wie Ritter sieht auch Gohm die strenge Trennung in Wohn- und Gewerbegebiete als überholt an. „International geht der Trend klar hin zu einer Durchmischung. Es gibt interessante städtebauliche Konzepte, die den Weg Richtung Quartierentwicklung gehen. Das bedeutet, dass Gewerbe und damit Arbeitsplätze auf engstem Raum neben Gastronomie und Wohngebieten angesiedelt werden. So wird wohl die Zukunft auch in Innsbruck aussehen“, erläutert Gohm.

Zukunftsaktie Frachtenbahnhof

Die wichtigste Zukunftsaktie der Stadt Innsbruck bleibt aber weiterhin der Frachtenbahnhof. Das riesige Verschubareal wird spätestens mit der Fertigstellung des Brenner-Basistunnels nahezu obsolet werden. Bislang sind die Experten aber skeptisch. Niemand traut sich abzuschätzen, wie stark das Areal kontaminiert ist und welche Sanierungskosten bei einer Bebauung anfallen würden.

Zusätzliche Information:

Das ÖROKO (Örtliches RaumOrdnungsKOnzept) ist städteplanerische Grundlage und Wegweiser für die Zukunft Innsbrucks. Damit stellt es den übergeordneten Rahmen für die künftige Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung dar. Der erste Entwurf des ÖROKO `25 soll im ersten Halbjahr 2015 vorliegen. Alle Innsbruckerinnen und Innsbrucker (Personen, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben) sowie Rechtsträger, die in der Gemeinde eine Liegenschaft oder einen Betrieb besitzen, haben dann ein gesetzlich vorgesehenes Recht zur Stellungnahme. Bis Ende 2015 muss das ÖROKO´25 fertiggestellt und vom Innsbrucker Gemeinderat als Verordnung beschlossen werden. Danach ist die Tiroler Landesregierung am Zug. Als Aufsichtsbehörde muss sie das beschlossene ÖROKO der Stadt genehmigen.

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