Schriftstellerin Carolina Schutti im Interview
Wenn aus Erinnerungsbildern eine Geschichte wird

Schriftstellerin Carolina Schutti in der Wagner'schen Buchhandlung | Foto: Wagner'sche
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Im Frühling ist im Literaturverlag Droschl Ihr neuer Roman mit dem Titel „Meeresbrise“ erschienen. Nun sind Sie zu Gast bei den Wochenendgesprächen, die in diesem Jahr von 4. bis 6. Mai stattfinden werden. Das Hauptthema dieser außergewöhnlichen Literaturveranstaltung, die schon zum 45. Mal stattfindet, dreht sich in diesem Jahr um das Thema Herkunft. In welcher Weise reflektieren Sie dieses Fragen der Herkunft literarisch?

Carolina Schutti: Herkunft meint natürlich einerseits so etwas wie "Heimatland" oder "Geburtsort", andererseits aber auch das soziale Milieu bzw. das familiäre Umfeld, dem man entstammt und das einen prägt. Dabei ergeben sich Überlagerungen, die je nach Situation miteinander in Konkurrenz treten: Aussehen, Name, Sprache, Sprechweise, aber auch unsere Interessen und scheinbare Kleinigkeiten wie die Gestik werden von unserer Herkunft geprägt und bestimmen mehr oder weniger, wer wir sind. Gerade Übgerlagerungen und Verschiebungen interessieren mich und sind immer wieder Thema in meinen Büchern.

Der Titel des Romans „Meeresbrise“ verspricht Sanftheit, ein mediterranes Gefühl von Sanftheit. Tatsächlich verhandeln Sie aber im Roman das Thema Isolation und Vernachlässigung zweier Mädchen sowie deren instabile Beziehung zu ihrer Mutter. Wie passt da dieser beinahe schon romantisch anmutende Buchtitel zum Inhalt des Romans?

Schutti: Bereits nach wenigen Seiten wird erklärt, dass es sich bei "Meeresbrise" um den Duft einer Seife handelt. Düfte sind für die meisten Menschen sehr eng mit Emotionen verbunden, sie können auch Sehnsüchte auslösen. In diesem Fall hilft die Sehnsucht nach dem "echten" Meer einem der Mädchen dabei, Mut zu fassen und in ein besseres Leben aufzubrechen.

Ein besonderes Merkmal Ihrer Romane ist, dass sie sehr kurz sind. Setzen Sie bewusst auf diese Kürze oder ist die Prägnanz ein Teil Ihres Stils?

Schutti: Beides ist der Fall. Dieser Roman begleitet die Mädchen vom Kindergartenalter bis in die spätere Jugend. Die kurzen Kapitel stehen für die Art und Weise, wie wir uns an unsere Kindheit erinnern, nämlich bruchstückhaft und unvollständig. Erst, wenn wir davon erzählen, wird aus den Erinnerungsbildern wieder so etwas wie eine Geschichte.

Nicht nur in Ihrem aktuellen, sondern auch in Ihren vorhergehenden Romanen etwa "Patagonien" oder "Der Himmel ist ein kleiner Kreis" fällt auf, dass Sie den Lesenden immer sehr viel Interpretationsspielraum gewähren. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Schutti: Meine Bücher sollen eine Einladung an die Leserinnen und Leser sein, sich mit ihrer eigenen Lebensgeschichte, mit ihren Erfahrungen, aber auch mit ihren Sehnsüchten in das Buch einbringen zu können. Wenn man Luft in die Räume strömen lässt, in denen sich die Leserinnen und Leser befinden, ist mehr Bewegung möglich. Abgesehen davon wirken die Texte viel länger nach, wenn man sie während des Lesens "mitschreibt"...

Woran arbeiten Sie aktuell bzw. welchem Thema wollen Sie sich als nächstes literarisch widmen?

Schutti: Auch wenn in der "Meeresbrise" ein ernstes Thema verhandelt wird, brechen immer wieder witzige Elemente durch. Ich habe Freude daran gefunden und arbeite an einer Geschichte, in der zwei Menschen einander zur Rettung werden. Ach ja, diesmal wird keine Katze darin vorkommen, sondern eine Farbratte.

Das Interview führte
Gerlinde Tamerl

Wochenendgespräche:
www.wochenendgespraeche.at/2023/

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