Frei im Theater: Körper am Ende der Welt
Wie junge Frauenkörper domestiziert werden

Marion Rothhaar (li) und Rahel Jankowski zeigen in Elke Hartmanns Inszenierung eindrücklich auf, wie Körper und Psyche in einer genuin weiblichen Sportart wie Rhythmische Sportgymnastik bis zur Selbstverleugnung in die gewünschte Systempassform gebracht werden.  | Foto: Daniel Jarosch
3Bilder
  • Marion Rothhaar (li) und Rahel Jankowski zeigen in Elke Hartmanns Inszenierung eindrücklich auf, wie Körper und Psyche in einer genuin weiblichen Sportart wie Rhythmische Sportgymnastik bis zur Selbstverleugnung in die gewünschte Systempassform gebracht werden.
  • Foto: Daniel Jarosch
  • hochgeladen von Christine Frei

„Körper am Ende der Welt“ – ein gleichermaßen poetischer wie aufrüttelnder Titel für eine Produktion, in der das Theater praesent einmal mehr einem wichtigen und brisanten Thema Raum öffnet – dieses Mal aus Platzgründen im Brux. Immerhin geht es in dieser Ko-Produktion u.a. mit dem Luxembuger-Künstlerkollektiv Maskénada um eine theatrale Verarbeitung der so genannten Magglingen Protokolle, die 2020 an die Öffentlichkeit kamen und in denen Athletinnen des dortigen Sportzentrums längst überfällig die Gewaltdynamik offenlegten, welche diese dauerlächelnden, federleicht anmutig wirkenden Balance- und Gelenkigkeitswunder hervorbringt, die aller Schwerkraft zu trotzen scheinen.

Hula-Hoop und Zirkeltraining
Qualität kommt von Qual. Druck macht aus Dreck Diamanten. Mit diesen Sätzen auf der riesigen Videoleinwand wird man schon zu Beginn eingestimmt auf das, was Rahel Jankowski als exemplarischer Gymnastin auf ihrem vermeintlichen Weg nach oben so alles blüht, an Drill und Unterwerfung, unbarmherzig durchgetakteten Tages- und Trainingsplänen. Während sie sich im atemberaubend dargebotenen Hula-Hoop-Monolog noch selbstbewusst in Motivationsrage redet, wird sie im Zirkeltraining über alle Grenzen getrieben.

Reflexionen einer Betroffenen
Das Stück lebt jedoch ganz klar von den eindrücklichen Auftritten Marion Rothhaars, einer in der Schweiz lebenden Theatermacherin, die in ihrer Jugend selbst mehrfache deutsche Meisterin in rhythmischer Sportgymnastik war und 1988 sogar an den olympischen Spielen teilgenommen hat. Von ihr stammen nicht nur Idee und Konzept für diesen Theaterabend, sie hat auch gemeinsam mit der Autorin Regina Dürig den Stücktext entwickelt, in dem auf Basis der Magglingen Protokolle auch ihre eigenen Erfahrungen und Reflexionen eingearbeitet sind.

Empathische Einblicke 
Mit viel Einfühlungsvermögen und gleichzeitig glasklarem Blick gestaltet Regisseurin Elke Hartmann diesen Einblick in einen vornehmlich weiblichen Spitzensport, bei dem Körper wie Geist der jungen Frauen nach alten tradierten Schönheitsidealen domestiziert werden. Unglaublich berührend ist etwa jene Szene, in der Rothhaar mit liebevollem Blick die Bewegungsabläufe ihres jugendlichen Wettkampf-Ichs auf der Video tänzelnd nachzeichnet.

Sätze, die nachschwingen
Wunderbar auch ihre Reflexionen aus dem Off, während sie sich an die früheren Übungsabläufe zu erinnern versucht. „Wie wäre das, wenn unsere Welt nicht aus Wettbewerben bestünde, wir einfach sein dürften“, sagt sie da. Und zuletzt gemeinsam mit ihrem jüngeren Alter Ego Rahel Jankowski: „Du hast das Recht, keine Siegerin zu sein.“ Ein Satz, den man mit nach Hause nimmt.

Spannender Kontrast
Dazwischen zeigt uns eine junge Innsbrucker Sportgymnastin in zwei kurzen Sequenzen anmutig ihr Können. Natürlich faszinierend, wenngleich man ihr gleichzeitig wünscht, dass ihr die aufgezeigten Schattenseiten erspart bleiben mögen. Leider nur noch heute Freitag im Brux zu sehen! Unbedingte Empfehlung

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.