Gasthaussterben
Nachhaltigkeit und Regionalität als Lösung

Ideen und Lösungen sind in einer Studie zum Gasthaussterben zu finden. | Foto: pixabay
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INNSBRUCK. Das "Wirtshaussterben" beschäftigt seit Jahren das Land. Liebgewonnene Stammtische sind ebenso verschwunden wie Höhepunkte der traditionellen Küche. Eine Studie beschäftigt sich mit Entwicklung und sucht nach Lösungen. Fazit: Besonders traditionelle und regionale Wirtshäuser sind vom Aussterben bedroht. Und: „Einfach nur Gasthaus zu sein, das reicht heute nicht mehr aus.“ 

Entwicklung

Von 2012 bis 2020 in Tirol sank die Anzahl der Wirtshäuser von 414 auf 359. Eine Entwicklung die sich durch Corona verstärken wird. In den vergangenen zwei Jahren hat sich Alexander Plaikner vom Forschungszentrum Tourismus und Freizeit der Universität Innsbruck intensiv mit dem Gasthaussterben in Tirol beschäftigt. Im Abschlussbericht der Forschungsinitiative präsentiert er nun eine Bestandsaufnahme der Herausforderungen, mit denen Tiroler Gasthäuser aktuell konfrontiert sind. Außerdem zeigt der Bericht Lösungsansätze auf, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Gründe

Fachkräftemangel, demographischer Wandel, sich verändernde Gästeanforderungen, eine fehlende Differenzierung von der Konkurrenz und Probleme bei der Übernahme von Betrieben – mit diesen Herausforderungen ist die Gastronomie aktuell konfrontiert. Besonders traditionelle und regionale Betriebe sind dadurch vom Gasthaussterben bedroht. „Einfach nur Gasthaus zu sein, das reicht heute nicht mehr aus“, lautet das Fazit von Alexander Plaikner zu den Ergebnissen der Forschungsinitiative „Gasthaussterben in Tirol“. Plaikner, der am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck und an der UMIT Tirol tätig ist, hat sich in Kooperation mit der Standortagentur Tirol, der Tirol Werbung und dem Land Tirol intensiv mit den Herausforderungen und Hintergründen des „Wirtshaussterbens“ auseinandergesetzt. „In insgesamt vier Teilstudien haben wir 32 ausführliche Interviews mit Vertreter*innen aus der Gastronomiebranche geführt. Diese waren dabei in unterschiedlichsten Funktionen tätig, die von der Geschäftsführung über die Vertretung der Wirtschaftskammer bis hin zu politischen Ämtern reichten. Dadurch haben wir einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen der Branche bekommen und konnten daraus Lösungsansätze ableiten“, beschreibt Plaikner die Forschungsinitiative.
Schlüsselerkenntnisse

Abschlussbericht

Die wichtigsten Lösungsansätze präsentieren Alexander Plaikner sowie die beiden Studierenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungsinitiative Barbara und Katharina Weiskopf nun in ihrem Abschlussbericht. Es sind vor allem Angebotsanpassungen der Gasthäuser selbst und Hilfen durch die Politik, die dem Gasthaussterben entgegenwirken können, betont Plaikner: „Die Gasthäuser müssen ihre Angebote an neue Zielgruppen anpassen und beispielsweise Takeaway- oder Lieferservices anbieten. Aber auch mit Veranstaltungsreihen – sofern diese wieder möglich sind – können sie neue Gäste gewinnen. Von Seiten der Politik können finanzielle Förderungen helfen, die Befragten in unserer Studie waren jedoch der Meinung, dass gerade thematische Initiativen wie beispielsweise ,Tirol zualosn‘ oder ,klickundguat‘ in Oberösterreich Gasthäusern helfen.“ Für Plaikner und seine Kolleginnen und Kollegen am Forschungszentrum Tourismus und Freizeit ist die Arbeit zum Thema Gasthaussterben mit Abschluss der Forschungsinitiative aber nicht getan. „Aus dem, was wir hier erarbeitet haben, gehen einige weitere interessante und wichtige Fragestellungen hervor, mit denen wir uns in naher Zukunft auseinandersetzen wollen. So interessiert uns etwa, welche Rolle Gasthäuser für die Dorfgemeinschaft haben, wie man durch gutes Immobilien- und Raumplanungsmanagement dem Gasthaussterben entgegenwirken kann und wie man als Gasthaus durch die Etablierung einer starken Arbeitgebermarke trotz Fachkräftemangel einen guten Personalstamm aufbauen kann“, beschreibt Plaikner die Forschungsthemen, die er in Zukunft gemeinsam mit Studierenden der Universität Innsbruck und der UMIT Tirol bearbeiten möchte.

Wichtiger Forschungsbereich

Die Relevanz der Forschung im Bereich Gastronomie und Tourismus leitet sich aus den Zahlen ab. Rund ein Siebtel aller österreichischen klein- und mittelständischen Betriebe stammt aus der Sparte Beherbergung und Gastronomie. Und gerade beim Thema Übernahme wird die Relevanz noch deutlicher: Von den jährlich bis zu 7.000 Unternehmensübergaben bzw. -übernahmen finden mehr als die Hälfte im Bereich Tourismus und Gastronomie statt. „Die Forschung in diesem Bereich ist gerade für das Tourismusland Österreich sehr wichtig. Mit der Stiftungsprofessur Tourismusforschung des Landes Tirol, die Mike Peters innehat, und dem interdisziplinären Forschungszentrum Tourismus und Freizeit sind wir an der Universität Innsbruck bestens ausgestattet, um mit unserer Forschung zur Lösung aktueller Probleme in Gastronomie und Tourismus beizutragen und nachhaltige Konzepte mitzugestalten. Die Forschungsinitiative ,Gasthaussterben in Tirol‘ ist ein gelungenes Beispiel dafür“, sagt Plaikner.

Chance

Die Ergebnisse zeigen, dass Regionalität eine große Chance für Gasthäuser darstellt und viele Vorteile mit sich bringt. Produkte können aus dem eigenen Garten, von BäuerInnen oder regionalen Zulieferern für Gerichte verwendet werden. Durch die Verarbeitung lokaler und saisonaler Produkte von regionalen Zulieferern können Transportwege kurzgehalten werden. Zudem besteht eine hohe Affinität zur heimischen Landwirtschaft. Durch eine verpflichtende Herkunfts- und Herstellungskennzeichnung können Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Dadurch wissen Gäste genau, woher die Produkte stammen und die Glaubwürdigkeit seitens des/der WirtIn wird erhöht.

Den Abschlussbericht finden Sie hier

Auszug

In diesem Bereich liegt eine Leitmaßnahme auf der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, wobei Tourismus und Landwirtschaft zusammenspielen müssen. Dafür wurden Maßnahmen in der vorliegenden Tourismusstrategie definiert. Der Fokus liegt auf der Kennzeichnung der Lebensmittelherkunft, der Bewusstseinsbildung und Vernetzung von Tourismus und Landwirtschaft in Aus- und Weiterbildung, sowie in der Integration von Tiroler Lebensmitteln in der Gastgewerbebranche. Derzeit gibt es für diese Maßnahmen diverse Initiativen wie „Bewusst Tirol“, „Ich sag wo’s herkommt“, „genial REGIONAL“ oder „Genussbotschafter Ötztal“. Zudem werden Lücken in der Wertschöpfungskette geschlossen und Logistik-, Lagerungs- und Vertriebsstrukturen erstellt (Land Tirol et al., 2020). Diese Maßnahmen sind weiterhin zu forcieren, da in der Gesellschaft immer stärker das Bewusstsein auf Regionalität liegt. Auch Gäste erwarten sich regionale Produkte aufgrund ihres nachhaltigen und ökologischen Lebensstils. Eine Weiterentwicklung dieser Maßnahmen könnten die derzeitigen Förderbestrebungen des „Gasthauspakets“ einschließen und einen Fokus auf die breite Förderung der regionalen Kreislaufwirtschaft befürworten.

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