Die ewige Suche nach Erfüllung

Umwerfend als Margarete: Ronja Forcher, hier mit Faust Andreas Wobig. | Foto: Foto: TLT
  • Umwerfend als Margarete: Ronja Forcher, hier mit Faust Andreas Wobig.
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Wenn der Hausherr Faust inszeniert, sind die Erwartungen naturgemäß ebenso hoch wie diffus. Wollte man sie erfüllen, müsste man sich vielleicht auch einen Teufelskerl engagieren und würde gemäß Vorlage vermutlich trotzdem auf sich zurückgeworfen. Also halten wir es nach diesem Theaterabend im Großen Haus besser nicht mit Faust, dem ewig Unzufriedenen und Getriebenen, auch nicht mit Mephisto, den skrupellos zerstörerischen Geist, sondern eher mit Gretchen, die ja zuallererst nach dem Guten suchte. Denn allein durch die Besetzung ist TLT Intendant Johannes Reitmeier schon ein Coup gelungen. Ronja Forcher ist als Margarete schlichtweg eine Sensation an Präsenz und sprachlicher Ausdruckskraft, man hätte ihr den psychischen Totalzusammenbruch freilich auch weniger wuchtig geglaubt. Andreas Wobig und Christoph Schlag sind als Faust/Mephisto ein kongeniales Duo, dies um so mehr, als sie ja nach Fausts Verjüngung die Rollen tauschen. Trotzdem ist man nach diesem Abend einigermaßen ratlos: Die Übersetzung der hinlänglich bekannten Goethe-Verortungen in vermeintlich zeitgemäße Albtraumbilder wie Würstelstand, Supermarkt, Leichenhalle, Skimummenschanz hält einen seltsam auf Distanz. Interessanterweise sind es ausgerechnet die geflügelten Worte dieses enorm dichten Werkes, die einen dann immer wieder in den Text zurückholen. Möglicherweise wäre eine drastische Reduktion der Gesamtwirkung förderlicher gewesen. So wie man dies derzeit beispielsweise in der Ensembleproduktion „Triebe“ am Westbahntheater erleben darf. Luka Oberhammer hat fünf ungemein interessante und sprachlich teilweise geradezu brillante Essays von Mitgliedern des Ensembles dramatisiert und mit einigen bekannten, aber auch etlichen neuen jungen Talenten umgesetzt. Gleichwohl die Texte in ganz unterschiedlichen Tonarten angelegt sind, kreisen sie doch alle ähnlich wie Faust um die ewige Suche nach Identität, Lustgewinn, Erfolg und Bestimmung. Oberhammer spannt dabei den sprichwörtlichen Bogen über weiße Stoffbahnen und Tücher, lässt die Darsteller/innen in schwarzen Leggins und Shirts auftreten, fokussiert sich ganz auf szenischen Rhythmus und Licht; ein CD-Player fungiert als gestisches Zäsurinstrument. Lediglich beim letzten Essaystück „Dreamline“ unterminiert die Häufung an Ausbrüchen den gerade zu Beginn ungemein klugen und selbstreflexiven Text. Und ja, zumindest für meinen Geschmack hätte sich diese sonst rundum gelungene und unbedingt sehenswerte Produktion auch noch einen etwas klareren Titel verdient. Von Christine Frei

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