Equal Pay Day 2013: Der Macht- und Wirtschaftsfaktor Frau

"Weltweit nimmt die Ungleichheit zwischen Mann und Frau langsam ab", so der Global Gender Gap Report 2013.
Der Bericht, der den Zugang zu der Ressourcenverteilung unter den Geschlechtern in 135 Ländern der Welt untersucht, wurde am 24. Oktober 2012 in New York vorgestellt. Die Analyse, die die Chancengleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Politik und Wirtschaft misst, stützt sich auf die Datenauswertungen des internationalen Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen Arbeitsorganisationen. Während also weltweit die Geburtenrate von Mädchen und Jungen fast gleich hoch ist, Frauen immer länger leben und sowohl bei der Alphabetisierung als auch der Ausbildung stark aufgeholt haben, scheint sich in puncto Wirtschaft bei dem Geschlechtsunterschied nicht viel zugetragen zu haben. Die Spitzenpositionen unter den Ländern, die die geringste Diskrepanz bei der Verteilung der Ressourcen zwischen Männern und Frauen aufweisen, haben sich auch dieses Jahr die nordischen Länder gesichert. Auf dem ersten Platz liegt Island (seit 2009 Listenführer), auf dem zweiten und dritten Platz befinden sich Finnland und Norwegen (die seit dem Vorjahr lediglich die Positionen getauscht haben), es folgen Schweden auf dem vierten und Irland (das seine Position seit 2009 um drei Plätze verbessert hat) auf dem fünften Rang. Österreich liegt in diesem Jahr an zwanzigster Stelle. Faktoren, die für die Erstplatzierungen verantwortlich sind, sind jüngsten wissenschaftlichen Studien zufolge gleiche Bildungschancen für Männer und Frauen, ein hoher weiblicher Anteil an Erwerbstätigen, geringere Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern sowie bessere Aufstiegschancen für Frauen. Wie dies in der Praxis aussieht, das hat allen voran das schwedische Parlament, das mit fast 45% die weltweit höchste Frauenquote aufweist, vorgemacht. In Schweden wurden Gesetze geschaffen, die staatlich geförderte Elternzeiten, obligatorische Mütter- und Vätermonate und Förderungen für den beruflichen Wiedereinstieg von Müttern regeln bzw. vorsehen. Demnach sind die Ursachen, die für die Lohndiskrepanz zwischen Mann und Frau und die daraus resultierende misslichere wirtschaftliche Lage der Frauen verantwortlich sind, allen voran auf einige bestimmte Faktoren zurückzuführen. So ist beispielsweise die Frauenquote in Spitzenpositionen in Österreich nach wie vor gering. Das weibliche Geschlecht unterbricht häufig familienbedingt die berufliche Laufbahn und wagt den beruflichen Wiedereinstieg – wenn überhaupt – durch einen Teilzeitjob. Weshalb sich Frauen für dieses Arbeitsmodell entscheiden, liegt für Alice Schwarzer auf der Hand: „Es sind die berufstätigen Mütter, die zu Hause bleiben, wenn Kinder krank sind. Es sind die Mütter, die beim Ton der Krankenwagen-Sirene aufschrecken am Arbeitsplatz, weil sie fürchten, ihr Kind sei betroffen. Es sind auch die Mütter, die sich einen Arbeitsplatz »gleich um die Ecke« suchen – unabhängig von seinen sonstigen Qualitäten –, damit sie ihre Kinder vom Kindergarten oder nach Schulschluβ abholen können. Es sind die Mütter, die Teilzeitarbeit machen.“ (Schwarzer, 1973) Schwarzer hatte schon 1973 in ihrem Buch Frauenarbeit – Frauenbefreiung. Praxis-Beispiele und Analysen davor gewarnt, welche Konsequenzen die unterbezahlte Teilzeitarbeit sowohl für die Frauen als auch für die Wirtschaft mit sich bringt: „Hüten sollten Frauen sich vor: (1.) der Teilzeitarbeit, die zwar eine Übergangs- und individuelle Lösung sein kann, für das Kollektiv Frauen jedoch diskriminierend, da nur in unqualifizierten Berufen praktikabel ist. Auch ist die Teilzeitarbeit eine neue Form der zusätzlichen Ausbeutung und bei Rezessionen ganz besonders gefährdet: Teilzeitarbeiterinnen werden als erste nach Hause geschickt; (2.) der Drei-Phasen-Theorie (Beruf – Mutterschaft – Beruf). Hier gilt das gleiche wie für die Teilzeitarbeit. Sie ist schon in halbwegs qualifizierten Berufen nicht praktikabel; (3.) dem Hausfrauengehalt, das – von wem auch immer gezahlt: Staat, Arbeitgeber des Ehemannes oder Ehemann selbst – die Abhängigkeit der Frau vom Ehepartner und die Zuständigkeit eines Geschlechts für Haus und Kinder nur zementieren würde. Dieses Präsent, das auf den ersten Blick so verlockend aussieht, ist eine Zeitbombe.“ (Schwarzer, 1973) Das neue Frauenbild, das Alice Schwarzer in den Siebzigern so prophetisch skizzierte, sieht dem aktuellen leider sehr ähnlich: „Frauen dürfen nicht nur berufstätig sein, sie sollen sogar berufstätig sein. Aber sie dürfen – zum Nutzen des Kapitals und des Patriarchats – ihr KKK-Leitbild [Kinder-Küche-Konsum] dabei nicht aus den Augen verlieren. In Küche und Kinderzimmer arbeiten Frauen ohne Widerspruch und schuldbewuβt – weil berufstätig – weiterhin allein; im Büro und am Flieβband bleiben sie das willig-billige Arbeitskraftpotential – weil vor allem Mutter und Ehefrau.“ (Schwarzer, 1973) Der Preis, der von den Frauen für die Doppelbelastung zu entrichten ist, bleibt hoch: „Sie arbeiten im Haus gratis als Hausfrau und Mutter […] auβer Haus als Lohnabhängige, und sie sind als Frauen zusätzlich betroffen von der geschlechtsspezifischen Benachteiligung im Beruf.“ (Schwarzer, 1973) Dabei sollten Frauen nicht vergessen – und dies betrifft das gesamte weibliche Geschlecht, nicht nur Mütter –, dass sie es den Männern gleichtun sollten und schon zu Beginn ihres Wirtschaftslebens eine berufliche Laufbahn von 30 bis 40, oder nach jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen von 50 Jahren, einplanen sollten. Dies würde mit sich bringen, dass Frauen die immer zahlreicher angebotenen Bildungschancen nutzen könnten, um hoch qualifizierte Berufe anzustreben. Die positiven Konsequenzen wären bessere Verhandlungspositionen aufgrund der hohen Qualifikation sowie die Möglichkeit, einflussreiche Positionen in Wirtschaft und Politik (siehe die zuvor genannte beispielhafte Anzahl der Parlamentarierinnen in Schweden) innezuhaben, um sich dann in der günstigen Lage zu befinden, ein Netzwerk auf die Füße zu stellen, das sich allen voran für ihre Interessen einsetzen könnte. Dass eine derartige Situation sowohl für die soziale als auch für die wirtschaftliche Situation eines Landes wünschenswert wäre, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Auf dem Weg zum Macht- und Wirtschaftsfaktor ist der Zusammenschluss von Frauen bzw. der Aufbau von Netzwerken für Alice Schwarzer unerlässlich: „Frauen [müssen] zum Machtfaktor werden. Sie müssen miteinander reden und handeln, überall: im Wohnblock, im Büro, in der Fakultät. Nur »Frauen gemeinsam sind stark!«“ (Schwarzer, 1973)
Ganz in diesem Sinne hat sich eine Gruppe von Frauen 2008 dazu entschlossen, ein Zeichen zu setzen und auf die sozialen und ökonomischen Missstände, die einer florierenden Wirtschaft im Wege stehen, aufmerksam zu machen. Die BPW (Business and Professional Women Germany) hat vor fünf Jahren die Initiative Rote Tasche (die symbolisch für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen steht) ins Leben gerufen. Inspirieren lieβen sich die Frauen in Deutschland von der seit 1988 stattfindenden Red Purse Campaign der amerikanischen Business and Professional Women. Der seit 2008 bundesweit stattfindende Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen – der Equal Pay Day – erfreut sich wachsender Berühmtheit. (Quelle: Business and Professional Women Germany e.V. und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Seit 2009 sind die Business and Professional Women Austria dem Beispiel der Kolleginnen in Deutschland gefolgt und kämpfen auch in Österreich um mehr Lohngerechtigkeit.
Dieses Jahr fällt der Aktionstag in Österreich, der Equal Pay Day 2013, auf den 05. April 2013. Dieses Datum markiert exakt den Zeitraum, den Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um auf das Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen.

Quellen:

Schwarzer, Alice: Frauenarbeit – Frauenbefreiung. Praxis-Beispiele und Analysen,
Frankfurt: Suhrkamp, 1973.

Business and Professional Women Germany e.V. und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (http://www.bpw-germany.de/)

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