Gottfried Haber: "Die Unsicherheit hemmt uns"

Gottfried Haber hält komplexe Steuersysteme für die Politik für „angenehmer“ | Foto: WOCHE
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Geht es um die wirtschaftlichen Erwartungen für das beginnende Jahr 2015 hat der bekannte Volkswirt Gottfried Haber eine klare Ansicht. „Die Menschen sind vorsichtig und skeptisch“, analysiert er. „Vielleicht sind die Erwartungen an die Wirtschaft sogar ein bisschen zu gedämpft.“
Zwar sei von einer „Quasi-Stagnation“ die Rede, aber: „Es ist Wachstum durchaus realistisch.“ Das Problem seien die enttäuschten Erwartungen an das Wirtschaftswachstum. „Das Revidieren der Prognosen erzeugt die Stimmung“, ist Haber überzeugt.

Unsicherheit als Hemmnis
Diese Stimmung nimmt Gottfried Haber auch in Kärnten wahr. „Die Unsicherheit ist der größte Hemmnisfaktor“, sagt er klar. Die Skandale, die über die Grenzen hinaus für Aufsehen sorgen, würden die Stimmung weiter nach unten drücken. „Die Hypo hat maßgeblich geschadet“, blickt er zurück. Der aktuelle HCB-Fall im Görtschitztal schade der Tourismus-Destination - „auch wenn er regional begrenzt ist.“
Damit würden über Kärnten stets Damokles-Schwerter hängen. Wie viele davon kann das Land vertragen? Haber: „Jedes einzelne ist eines zuviel.“
Der Landesregierung stellt er allerdings kein vernichtendes Zeugnis aus. „Seit 20 Jahren wachsen die Schulden dynamisch“, erklärt der Volkswirt. Jetzt sei die Situation eine schmerzhafte. Das Kärntner Budget müsse unbedingt in Ordnung gebracht werden. „Das Land tut sich schwer“, so Haber, „aber die Schritte gehen in die richtige Richtung.“ Eindeutiger Nachsatz: „Die Politik hätte aber schneller und konsequenter vorgehen können.“

34.000 Kärntner ohne Jobs
Als großes Problem ortet Haber die steigende Arbeitslosigkeit im Land. Ende Dezember waren fast 31.700 Kärntner ohne Arbeit; inklusive den Personen, die sich in einer Schulung befinden, sind über 34.000 Menschen auf Jobsuche - ein negativer Rekord in Kärnten.
Skeptisch ist Haber, wenn man versucht Menschen mit öffentlichen Mitteln in Beschäftigung zu halten. „Kurzfristig hilft das gegen Armut und Dequalifikation“, sagt er. „Mittelfristig kann man sich keine Arbeitsplätze kaufen.“
Verschärft werde das Kärntner Problem durch den zunehmenden Fachkräftemangel: Unternehmen finden schwer qualifizierte Mitarbeiter; qualifizierte Kärnten gehen woanders hin, um eine Arbeit zu bekommen. „Man muss bei der Qualifikation ansetzen“, ist Haber überzeugt.

Risikokapital vom Land
Für eine Systemumstellung spricht sich Haber aus, wenn es um die Subvention von Unternehmen oder deren Gründung geht. „Wir sollten weg von den verlorenen Zuschüssen“, stellt der Volkswirt klar. „Vielmehr müsse man Menschen in die Lage versetzen, selbst etwas zu tun.“ Haber ist für die Stärkung von Eigenkapital der Unternehmen und spricht von einem „Mittelstandsfonds“. Die Idee: „Wir veranlagen öffentliche Mittel als Risikokapital in Unternehmen“, erklärt Haber. Das Land beteilige sich also.
Wenn es um Impulse für die heimische Wirtschaft geht, spricht sich Haber gegen große Einzelmaßnahmen aus. „Einmalimpulse sind nicht so wirksam“, so Haber, „zu dosieren ist besser.“

Bei den Ausgaben ansetzen
Insgesamt ist es laut dem Universitätsprofessor aber notwendig, die Ausgaben zu verringern, um mehr Spielraum zu erhalten. „Man könnte Verwaltungsstrukturen und -einheiten zusammenlegen“, bringt Haber eine bekannte Idee wieder auf den Tisch.
Das Spargebot gelte aber nicht nur für Kärnten. Der Bund müsse ebenfalls auf seine Ausgaben achten - auch im Hinblick auf eine Steuerreform. „Eine Entlastung kann nicht nur gegenfinanziert werden“, ist er überzeugt. Sie müsse auch über geringere Ausgaben möglich gemacht werden. Haber: „Nachhaltig wäre es, bei den Ausgaben anzusetzen.“
Vorschläge gebe es dazu genug. „Da muss man das Rad nicht neu erfinden“, sagt er. „500 Vorschläge des Rechnungshofs liegen auf dem Tisch.“ Gleichzeitig mahnt er zu raschem Handeln. „Je länger eine Maßnahme dauert, desto früher muss ich sie anpacken, damit sie eine Wirkung entfaltet.“

Ein faires Steuersystem
Geht es um eine Steuerreform in Österreich, hofft Haber auf Fairness. Das habe auch mit Einfachheit zu tun. „Je klarer das System ist, desto ehrlicher kann ich darüber sprechen“, meint er. Deshalb spricht er sich für eine Reduzierung der Einkunftsarten aus. Stattdessen: „Alles, was einer Person zufließt, wird gesammelt und mit einer Steuer belegt.“ Auch Vermögenszuwachs sei ein Einkommen.
Daran, dass so etwas kommen wird, glaubt Haber aber nicht. „Komplexe Systeme sind für die Politiker angenehmer, weil so jeder glaubt, dass er von einer Regelung profitiert.“
Als Möglichkeit für einen Kompromiss zwischen der SPÖ und der ÖVP im Streit um die Vermögenssteuer hält Haber die Grundsteuer und die Einheitswerte. „Das ist der kleinste gemeinsame Nenner“, glaubt Haber.
Von einer Erhöhung der Grundsteuer spricht der Experte nicht, sondern „von der Anpassung der Einheitswerte an die Marktwerte der Immobilien“. Dabei gehe es auch um Fairness: „Seit der letzten Anpassung sind die Werte der Liegenschaften unterschiedlich gestiegen.“ Man könnte die Einheitswerte so anpassen, dass das Aufkommen an Grundsteuern gleich bleibt.

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