Interview/FokusFrau
"Frauen, kämpft für eure Rechte"

Stephanie Pletzenauer schloss vor einigen Monaten das Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich ab. | Foto: privat
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  • Stephanie Pletzenauer schloss vor einigen Monaten das Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich ab.
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Stephanie Pletzenauer wurde mit Spinaler Muskelatrophie geboren. Trotzdem lässt sie sich in ihrem Alltag nicht davon abhalten, ihre Ziele zu erreichen.

FIEBERBRUNN (jos). Bereits im Kleinkindalter werden Stephanie Pletzenauer und ihre Eltern mit der Diagnose „Spinale Muskelatrophie“ konfrontiert. Es ist ein Leben im Rollstuhl, das auf das kleine Mädchen wartet. Doch davon ließ und lässt sich Pletzenauer nie bremsen. „Ich habe schon im Kindergarten gewusst, dass ich Richterin werden will.“ Nach dem Besuch der Volksschule sowie Hauptschule absolvierte Stephanie die Handelsakademie und begann nach der Matura an der Universität Innsbruck das Studium der Rechtswissenschaften, das sie vor wenigen Monaten erfolgreich abgeschlossen hat.

Politikerin mit klaren Zielen

Die Politik bestimmt schon seit einigen Jahren das Leben der 28-jährigen Fieberbrunnerin, die sich nicht auf ihre Behinderung reduzieren lässt. Sie sitzt seit 2016 im Fieberbrunner Gemeinderat und ist überdies EU-Gemeinderätin. Außerdem ist sie u.a. Regionalobfrau der JVP im Pillerseetal sowie die Obfrau-Stellvertreterin der VP-Frauen und sitzt damit auch in der Bezirksparteileitung. Den BEZIRKSBLÄTTERN gab sie in einem Interview Einblicke in ihr Leben und sprach über ihre Ziele.

BEZIRKSBLÄTTER: Was hat dich bereits im Kindesalter motiviert, Richterin zu werden?

Stephanie Pletzenauer: "Diese Frage stelle ich mir mittlerweile tatsächlich auch selbst oft und ehrlicherweise kann ich sie nicht abschließend beantworten, es war, denke ich, ein Prozess. Motiviert hat mich mit Sicherheit die Tatsache, dass ich meistens nicht besonders ernst genommen wurde, wenn ich nach meinem Traumberuf gefragt wurde. Hinzu kam dann hier natürlich mein Ehrgeiz und dass ich von Haus aus gerne Recht und das letzte Wort habe, aber auch zwei Menschen haben mich besonders ermutigt. Zum einen mein Opa, der, als ich ihm mit vier Jahren davon erzählt habe, einfach nur trocken gemeint hat „Ja mach das, das ist etwas anständiges und den Kopf dazu hast du auch“ und zum anderen ein Richter, den ich mit 14 Jahren bei den Schnuppertagen in der Hauptschule kennenlernen durfte. Das waren für mich die drei beeindruckendsten Tage in meinem Leben und ich bin nach wie vor dankbar, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe. Ihn würde ich gerne wieder einmal sehen, aber ob ich noch immer Richterin werden will, weiß ich zum ersten Mal seit 24 Jahren nicht, weil sich im Studium auch andere Interessen entwickelt haben. Damals mit 14 hat mich der Richter und sein Rechtspraktikant immer samt Rollstuhl hinaufgetragen. Sollte ich doch Richterin werden, dann muss das Justizministerium jedenfalls etwas mehr für Barrierefreiheit sorgen, denn in den Gerichtssälen, wo ich bis jetzt war, führte der Weg zum Platz des Richters immer über eine oder mehrere Stufen. Das wäre ja für mich jetzt schon fast wieder eine Motivation Richterin zu werden (lacht)."

Wie schaut bei dir der Alltagsleben mit Handicap aus? Gibt es etwas, dass du trotz deinen Einschränkungen unbedingt erreichen willst?
"Meine Bedürfnisse sind im Prinzip dieselben, die alle Menschen so in ihren Leben haben. Der Unterschied liegt darin, dass ich für die Erfüllung dieser, immer Unterstützung brauche. Es gibt wirklich nichts wofür ich keine Unterstützung benötige und mein Alltag ist halt mit viel Planung und Organisation verbunden. Im Alltag sehe und fühle ich mich aber trotzdem nicht von meiner Behinderung beschränkt, sondern von Umständen die unsere Gesellschaft mitträgt. Ich tu nichts trotz meiner Einschränkung sondern alles mit Einschränkungen – das ist mein Leben. Mein Lebensziel ist daher dasselbe, dass ich auch ohne Behinderung hätte, nämlich selbstbestimmt als Frau zu leben."

Wie erging es dir, trotz besonderen Bedürfnissen, im Studium?
"Es war wie alles in meinem Leben eine Frage der Organisation und es wurde immer für alles ein Lösung gefunden. Ich hatte persönliche Assistenz am „Arbeitsplatz“, die Person ersetzte mir meine Arme und Beine, zu ihren Hauptaufgaben zählten das Mitschreiben, umblättern usw. Studienkollegen unterstützten mich auch mit Mitschriften und so, wenn Bedarf war. Die Professoren waren eigentlich auch immer sehr bemüht, wenn ich ein Anliegen hatte und immer sehr lösungsorientiert. Bei Prüfungen hatte ich das Recht auf modifizierte Prüfungsmodalitäten. Bei den mündlichen Prüfungen verzichtete ich jedoch auf meine Ansprüche, da ich es nicht für notwendig erachtete. Zum Beispiel hätte ich unter anderem das Recht gehabt, dass meine Prüfung nicht öffentlich ist, aber mir persönlich war diese Transparenz wichtig, dass meine Studienkollegen sehen, dass auch mir nichts geschenkt wird, sondern dass auch ich manchmal erfolgreicher und manchmal weniger erfolgreiche für den Abschluss arbeite."

Welche Ziele verfolgst du derzeit bzw. zukünftig in der Politik (Gemeinderat, Regionalobfrau JVP Pillerseetal)?
"Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich selbst, mit mir am kritischsten bin und ich selbst auch die höchsten Ansprüche an mich selbst stelle, weshalb ich ehrlich gesagt nur ein sehr egoistisches Ziel habe, ich möchte mir selbst treu bleiben."

Welche besonderen Aufgaben hat man als Europa-Gemeinderätin?

"Meine Aufgabe ist es, die EU bewusst zu machen und den Bürgern näher zu bringen. In meiner Funktion geht’s aber nicht um Parteipolitik oder um persönlichen Zuspruch, sondern darum, den Fieberbrunnern Mut zuzusprechen, mehr Europa im Kopf und im Herzen zuzulassen, aber gleichzeitig nicht aufzuhören, manche Sachen kritisch zu hinterfragen. Man steht natürlich auch in Verbindung mit anderen Europa-Gemeinderäten, den Außenministerium und Personen, die für und in der EU arbeiten."

Wie stellst du dir deine Berufliche zukunft vor?

"Meine berufliche Zukunft stelle ich mir so vor, dass mein Arbeitgeber mit meiner Leistung zufrieden ist und ich eine Aufgabe habe, die mich erfüllt, fordert und mit Menschen zu tun hat, dann bin ich auch zufrieden."

Welche Tipps würdest du als „Mutmacherin“ Frauen im Bezirk Kitzbühel mit auf den Weg geben?
"Ehrlich gesagt sehe ich mich mit meinen 28 Jahren nicht in der Position, allen Frauen im Bezirk Tipps zu geben, denn jede hat ihren eigenen Rucksack zu tragen und muss ihren Weg finden. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass es „leichter“ geht, wenn man sich selbst liebt und an sich glaubt, denn wenn man es selbst nicht tut, warum sollte es dann jemand anderer tun. Als Juristin aber kann ich nur dafür appellieren: liebe Frauen, kämpft für eure Rechte und sichert euch eure Rechte ab!"

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