Asylwerber in Kitzbühel
Vom Flüchtling zum Lehrling

Daumen hoch: Chef Josef Fuchs (re.) ist stolz auf seinen Lehrling Faramarz Nesami.
  • Daumen hoch: Chef Josef Fuchs (re.) ist stolz auf seinen Lehrling Faramarz Nesami.
  • hochgeladen von Johanna Bamberger

KIRCHDORF (jos). Faramarz Nesami ist Asylbewerber. Im Februar erhielt er grundlos seinen ersten negativen Asylbescheid. Seither hat sich sein Leben im Bezirk Kitzbühel zum Guten gewendet: Er trat im März eine Ausbildung zum Installateur bei der Firma "Josef Installateur" an. Beim zweiten negativen Asylbescheid droht ihm jedoch die Abschiebung in sein Heimatland Afghanistan. Über sein Schicksal entscheidet ein Richter.
Die Chefleute Josef und Evelyn Fuchs setzen sich für den sympathischen 21-Jährigen ein und wollen, dass er in Tirol bleibt.

Von Afghanistan nach Tirol

Nesami hat eine berührende Geschichte zu erzählen, die einzigartig und zugleich schockierend ist: Geboren wurde er in der Nähe von Teheran im Iran. Seine Eltern waren bereits 20 Jahre im Iran und wurden dort sesshaft, bevor sie zurück nach Afghanistan mussten. Aus Gründen, die der Redaktion bekannt sind, aber der 21-Jährige nicht publik machen will, um sich selbst und andere zu schützen, flüchteten er und seine beiden Cousins nach Österreich, um dort in Sicherheit zu leben. Die Flucht führe sie über Afghanistan, Pakistan, Iran, Griechenland und über die sog. Balkanroute nach Österreich.
Ein ganzes Monat und 15 Tage waren sie unterwegs, teilweise unter den widrigsten Bedingungen. Nesami hatte nur einen Rucksack im Schlepptau. Darin waren seine wichtigsten Habseligkeiten und ein wenig Geld verstaut. Nesamis Onkel organisierte für die jungen Männer einen Schlepper. Dieser versprach dem Onkel, dass sie unterwegs Verpflegung erhalten würden. Bekommen haben sie jedoch nichts: Im Gegenteil, Geld und Handys wurden ihnen gestohlen, die Rucksäcke mussten sie zurücklassen, um das Gewicht beim Transport zu reduzieren. "Es war einfach grauenvoll. An der Grenze zwischen Iran und Türkei lagen tote Personen auf dem Boden. Auf sie wurde vermutlich geschossen", so Nesami.

"Denke oft an die Heimat"

Auch in seiner Heimat in Afghanistan gab es des öfteren Auseinandersetzungen mit Todesfolge. Dabei hatte er vorher ein normales Leben: Nesami besuchte die Schule, an den Nachmittagen arbeitete er zwei Jahre lang in einem Lebensmittelgeschäft und half seinem Vater bei landwirtschaftlichen Arbeiten. "Es war aber einfach nicht möglich, dass sich das Land weiterentwickeln konnte. Eine Firma baute zum Beispiel eine Brücke über einen Fluss. Dann wurde ein Anschlag auf die Mitarbeiter verübt. Bei der Bombardierung starben drei Menschen. Seine Eltern leben nach wie vor in Afghanistan, mit denen er regelmäßigen Kontakt pflegt. "Es ist manchmal schwierig hier, da ich oft an meine Heimat denke, aber ich bin froh dass mir mein Chef einen gute Ausbildung bieten kann und ich arbeite wirkliche gerne in der Firma. Ich finde es gut, dass jungen Leuten die Chance gegeben wird, eine Lehre zu machen, denn wenn sie nur Zuhause sitzen, kommen sie oft auf schlechte Gedanken", so der 21-Jährige.

Fachkräftemangel

"Wir haben in unserer Branche einen massiven Fachkräftemangel. Das wird in den nächsten Jahren noch schwieriger, wie es jetzt schon ist. Faramarz macht seine Arbeit wirklich gut. Er zeigt großes Interesse am Beruf. Die Sprachbarrieren machen die Zusammenarbeit etwas schwieriger, aber durch genaue Erklärungen kann man diese auch überwinden", so Josef Fuchs. "Viele Asylwerber würden gerne eine Ausbildung machen, können aber keine antreten, da es die Regierung nicht mehr erlaubt. Hier bleibt die Integration auf der Strecke", so Fuchs weiter. Fuchs entschied sich für Nesami, da der 21-Jährige beim Bewerbungsgespräch voll überzeugen konnte. "Wir sind froh um Faramarz und wissen, dass es die richtige Entscheidung war, ihn einzustellen."
Nesami arbeitete bereits bei der Gemeinde Oberndorf und ein Jahr bei der Lebenshilfe in Oberndorf. Dort half er Leuten mit Handicap den Alltag zu bewältigen.

Tierlieber Lehrling

Der 21-Jährige hat große Träume: "Ich möchte unbedingt hier in Österreich bleiben. Ich will meinen Führerschein machen und mir ein Auto leisten können. Momentan sind wir zu dritt in einem Zimmer in unserer Unterkunft. Eine kleine Wohnung wäre ideal für mich. Wenn meine Deutschkenntnisse ausreichend sind, möchte ich gerne die Matura machen und Tierarzt werden." Fuchs gab sich über dieses Bekenntnis etwas überrascht: "Ich würde es bevorzugen, dass du uns nach der Lehre als Geselle erhalten bleibst, anstatt Tierarzt zu werden."

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