Ärztemangel
Kaiserregion bald ohne Wochenend-Ordinationsdienst

Sprengelarzt Lorenz Steinwender sieht aufgrund des Ärztemangels Versorgungsengpässe auf die Region Ellmau, Going, Scheffau und Söll zukommen.  | Foto: GPhoto
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Der Ärztemangel ist seit langem ein Problem. In Ellmau, Going, Scheffau und Söll werden nun die Auswirkungen sichtbar, indem künftig wohl kein durchgehender Wochenend-Ordinationsdienst mehr gewährleistet werden kann.

ELLMAU/GOING/SCHEFFAU/SÖLL. Genau ein Jahr ist es her, als Ärztekammervertreter auf die problematische Situation bei den Kassenärzten im Bezirk Kufstein aufmerksam gemacht haben (die BEZIRKSBLÄTTER berichteten). Nun schlagen Mediziner erneut Alarm, denn die Zahl der Praktischen Ärzte mit Kassenarztpraxis ist in der Region Ellmau, Going, Scheffau und Söllvon ursprünglich sechs auf vier gesunken

„Ein regelmäßiger Wochenend- und Feiertagsdienst kann damit leider nicht mehr gewährleistet werden“,

erklärt Lorenz Steinwender, Praktischer Arzt in Ellmau, Sprengelarzt und Zuständiger für die Diensteinteilung an Wochenenden und Feiertagen.

Das lange Warten

Die prekäre Situation scheint auch nicht so schnell gelöst zu werden. Immerhin ist die Kassenarzt-Stelle für eine Praktische Ärztin bzw. einen Praktischen Arzt in Söll seit Jahren vakant. Zusätzlich geht nun auch der Scheffauer Hausarzt Johann Georg Lechner in Pension. Damit fehlen der Region zwei Kassenärzte. Die Ärzte Lorenz Steinwender (Ellmau), Barbara Kranebitter (Ellmau), Markus Muigg (Going) sowie Alexandra Bado und Tanja Ascher (Gemeinschaftsordination in Söll) werden die Versorgung so gut wie möglich aufrecht erhalten, an den Wochenenden und Feiertagen kann diese aber nicht mehr garantiert werden, wie Sprengelarzt Lorenz Steinwender erläutert: 

„Die Koordination der Wochenenddienste war bereits in den letzten Jahren mit nur fünf Ärzten eine Herausforderung. Vorausschauend muss ich ganz klar sagen, dass zukünftig die Wochenenddienste mit nur vier Praktischen Ärzten zum Teil nicht mehr zu besetzen sein werden."

Steinwender geht davon aus, dass der Region ein, zweimal im Quartal keine Wochenend-Ordination zur Verfügung steht. Vor allem in der Urlaubszeit oder wenn einer der Kollegen erkrankt, sei es schwierig, diese Serviceleistungen aufrecht zu erhalten. Verletzte oder erkrankte Personen müssen in solchen Fällen dann ins Bezirkskrankenhaus Kufstein oder St. Johann ausweichen.

„Wir sind aber sehr bestrebt, zumindest den Sprengelärztlichen Dienst aufrecht zu erhalten, zum Beispiel für die Totenbeschau,“

schließt Steinwender.

Es gibt immer weniger Hausärzte mit Kassenarztpraxis. Ich...

"Keiner will sich Kassensystem unterwerfen"

Die Situation bereitet so manch Mediziner schlaflose Nächte. Andererseits haben viele Verständnis, dass der "Run" auf die offenen Kassenstellen ausbleibt. Steinwender spricht von einem "mulitfaktorellem Problem", welches das österreichische Kassensystem ausweist und "dem sich keiner mehr unterwerfen möchte". So sei beispielsweise der kassenärztliche Leistungskatalog nach wie vor undurchsichtig und nicht einheitlich, was die Verrechnung äußerst kompliziert mache. Zudem zielt das Kassensystem auf Masse ab. 

"Nur wenn entsprechend viele Patienten behandelt werden, finanziert sich eine Praxis. Das heißt jedoch auch, dass du dir als Arzt kaum Zeit für den einzelnen Patienten nehmen kannst,“

betont Steinwender. Viele entscheiden sich daher für eine Wahlarztpraxis. Die Verschärfung des Arbeitszeitgesetzes, wodurch Ärzte in den Krankenhäusern weniger Nachdienste absolvieren dürfen, führe ebenfalls dazu, dass dort mehr Mediziner benötigt werden, die dann wiederum als Hausärzte abgehen.

96 Prozent der Kassenstellen besetzt

ÖGK-Landesstellenvorsitzender Werner Salzburger erkennt das derzeitige Problem in der Kaiserregion. Trotzdem müsse man auch anerkennen, dass tirolweit derzeit 96 Prozent aller 320 Allgemeinmediziner-Stellen besetzt sind. In vielen Fällen würde es den Ärztinnen und Ärzten gelingen, selbst eine Nachfolgelösung zu finden. Dies werde seitens der ÖGK auch durch das Modell „Übergabepraxis“ besonders gefördert. In Fällen wo das nicht funktioniert, so Salzburger, sind ÖGK gemeinsam mit der Ärztekammer um eine rasche Neuvergabe der Stelle bemüht. In der jüngsten Vergangenheit gab es durchaus einige Maßnahmen, die zur Attraktivierung des Landarzt-Berufes beigetragen haben. Salzburger nennt hier beispielsweise verschiedene Zusammenarbeitsformen. Dadurch wolle man gesellschaftlichen Entwicklungen, wie z. B. dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance, Rechnung tragen. Auch die Gesprächsmedizin werde nun deutlich stärker honoriert.

Laut Werner Salzburger hat sich das Kassensystem in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert.  | Foto: Krabichler/BB Archiv
  • Laut Werner Salzburger hat sich das Kassensystem in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert.
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Wirtschaftliche Fächer im Medizin-Studium?

Nach dem sechsjährigen Medizinstudium entscheiden sich viele Ärzte für den Job mit den besten Rahmenbedingungen. Laut Steinwender braucht es mehr Reformen, um Kassenverträge für Ärzte lukrativer und attraktiver zu machen. Zusätzlich ist man mit einer eigenen Praxis auch als Unternehmer tätig. Das würde viele abschrecken, denn viele Mediziner hätten vor dem Studium ein Gymnasium absolviert, was bedeute, dass sie sich nie wirklich mit kaufmännischen Angelegenheiten auseinandersetzen mussten.

"Man muss schon betriebswirtschaftlich denken können. Entsprechende Fächer im Studium wären vielleicht ebenfalls ein Ansatz",

meint Steinwender.

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