Wirbel um "Spitzel-Aufruf" in Kufsteiner Wirtschaftskammer-Newsletter

Martin Hirner, Obmann der Wirtschaftskammer im Bezirk Kufstein. | Foto: Horvath
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BEZIRK (nos/be). "Händeringend werden von den Unternehmern Arbeitskräfte gesucht", meint WK-Bezirksobmann Martin Hirner und forderte daher in einem Newsletter seine Mitglieder dazu auf, Arbeitssuchende zu melden, "die sich lediglich den Stempel abholen kommen, um weiterhin das Arbeitslosengeld beziehen zu können".

Der Donnerstagmorgen begann für Hirner recht überraschend. Verschiedene Radiostationen meldeten sich bei ihm, weil Michael Carli, der Sprecher der Grünen Wirtschaft Tirol, den Newsletter als Grundlage für Spitzelei betrachtet und deshalb die Medien informiert hat. Er meinte, dass dies nicht die Aufgabe der Kammer sei. Dem Obmann ist es jedoch wichtig, dass endlich einmal aufgezeigt wird, dass Woche für Woche Arbeitslose zu den Unternehmern kommen und damit ihrer Verpflichtung dem AMS gegenüber nachkommen, dass sie aber keineswegs an einer Arbeitsstelle interessiert sind. „Manche sagen klipp und klar, dass sie nur den Stempel haben wollen um zu bezeugen, dass sie da waren“, sagt Hirner, der selbst einen Lageristen für sein Unternehmen sucht. Er betont aber auch, dass die Sozialpartnerschaft in Kufstein sehr gut gelebt wird und AMS-Chef Hans-Jörg Steinlechner erklärte, dass im Bezirksbeirat darüber gesprochen wurde, die Unternehmer wissen zu lassen, dass es für Arbeitsunwillige Sanktionen gibt.
Für die Unternehmer bedeuten diese unwilligen Arbeitssuchenden viel Zeitverlust, weil nicht jeder sagt, dass er gar nicht arbeiten will. „Diese Arbeitslosen kosten jeden Bürger eine Menge Geld. Da muss es doch legitim sein, dass man aufzeigt, wenn etwas falsch läuft“, betont Hirner. Wer unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerät, sollte ohne großes Wenn und Aber die Leistungen beziehen können, alle anderen sollten spüren, dass es Leistung braucht, um Geld beziehen zu können. Allein im Bezirk Kufstein gibt es 2199 Arbeitslose und 724 offene Stellen. Wie mehrere Unternehmer betonen, ist es auch mit Überbezahlung nicht möglich, engagierte Mitarbeiter zu bekommen. „Das Gesetz erlaubt es, ein paar Monate arbeiten zu gehen, um dann wieder des Arbeitslosengeld beziehen zu können“, weiß Hirner. Diese Entwicklung sei hausgemacht, den Menschen werde dadurch buchstäblich das Arbeiten verlernt.

„Gezieltes Ausnützen des Systems schwächt den Arbeitsmarkt!"

Wirtschaftsbund und AAB forcieren Aufklärung in Sachen Verweigerung von zumutbaren Jobs

Nicht zu akzeptieren sind für Tirols Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl und AAB-Obfrau Landesrätin Beate Palfrader jene Fälle, in denen sich Arbeitslose das Erscheinen bei Unternehmen bescheinigen lassen, ohne die jeweilige Stelle wirklich annehmen zu wollen. „Nach wie vor kommt es vor, dass sich Arbeitslose ihren Stempel holen, zugleich aber keine wirkliche Arbeitsabsicht verfolgen und bewusst im System des Arbeitslosengeldes verbleiben“, so Franz Hörl. Beim aktuellen Angebot an offenen Stellen und Arbeitssuchenden in Tirol sei dies nicht tragbar.

„Das gezielte Liegenbleiben in der sozialen Hängematte schwächt unser System, die Unternehmen und zuletzt auch die Betroffenen selbst!“ Auch Tirols AAB-Obfrau Landesrätin Beate Palfrader bezeichnet die umfassende Information zu diesem Thema als besonders wichtig. „Nicht nur deshalb, da das Fernbleiben vom Arbeitsmarkt vielfältige nachteilige Auswirkungen für die Menschen und deren Lebensqualität mit sich bringt – ihnen drohen zudem Sanktionen, wenn in solchen Fällen seitens des AMS geprüft wird. Nicht aber Verfolgung und Bestrafung, sondern Aufklärung und Prävention müssen im Vordergrund stehen", so Palfrader. Laut Arbeitslosenversicherungsgesetz verlieren Personen, die die Annahme einer zumutbaren zugewiesenen Beschäftigung verweigern, für sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Für Wiederholungstäter verlängert sich der Anspruchsverlust mit jeder weiteren Pflichtverletzung um zwei Wochen.

Mit Blick auf die Situation am Tiroler Arbeitsmarkt gäbe es hier dringenden Handlungsbedarf. Laut AMS Tirol waren im ersten Halbjahresdurchschnitt 23.246 arbeitslose Personen registriert – dies bei insgesamt 22.542 gemeldeten freien Stellen. „Sowohl aus Sicht der Arbeitgeber, aber auch der Arbeitnehmer möchten wir mit weiterer Aufklärung dazu beitragen, diese Situation zu verändern und beide Seiten über die nachteiligen Folgen informieren. Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat soll es auch bekommen. Es kann aber nicht sein, dass das System wegen einiger schwarzer Schafe leidet“ so die beiden. Klar sei auch, dass es dazu zusätzlich die richtigen Rahmenbedingungen seitens des Gesetzgebers brauche. „Solange das Fernbleiben vom Arbeitsmarkt für arbeitsfähige Menschen attraktiv bleibt, solange wird sich auch die Situation am Arbeitsmarkt nicht wesentlich verändern“, so Franz Hörl.

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