Gesundheitstalk: Gelungener Auftakt zur GesundheitsRundschau

Sie gaben Einblicke in ihre Arbeit: Markus Hengstschläger, Petra Apfalter, Daniela Gattringer und Andreas Gruber beantworteten die Fragen von BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler (v. l.).
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  • Sie gaben Einblicke in ihre Arbeit: Markus Hengstschläger, Petra Apfalter, Daniela Gattringer und Andreas Gruber beantworteten die Fragen von BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler (v. l.).
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LINZ. Gänsehaut. Wenn diese vier Spitzenmediziner von ihrer Arbeit erzählen, klingt es wie aus einer anderen Welt. Petra Apfalter entführt das Publikum in jene Sphären, die wir nicht sehen können: Bakterien sind ihr Spezialgebiet. „Die Verbreitung von Bakterien ist gobal geworden“, erklärt die Expertin. Zuallererst beruhigt die Vizerektorin aber die Zuhörer. Hierzulande müsse sich keiner vor Ebola oder Zika fürchten: „Österreich ist ein sehr sicheres Land und für das Ausland gibt es klare Empfehlungen, welche Maßnahmen man einhalten muss.“

"Herdenimmunität nimmt ab"

Apfalters Schwerpunkt sind jene Bakterien, gegen die es nur wenige Medikamente gibt. Ein sorgsamer Umgang mit Antibiotika sei essenziell: „Drei von vier wissen nicht, dass Antibiotika nur gegen Bakterien und nicht gegen Viren wirken.“ Auch in Österreich gebe es zusehends Resistenzen. „Bakterien verändern sich in ihren Eigenschaften, je nachdem, welche Umweltfaktoren auf sie treffen.“ In Linz werden aus ganz Österreich Bakterien gesammelt und ihre Eigenschaften beschrieben. „Wir bauen eine Landkarte, in welchen Gebieten welche Bakterien Resistenzen ausgebildet haben. Daraus kann man ableiten, welche Therapie die richtige ist. Von rund 40 Labors bekommen wir unklare Bakterien geschickt.“

Ein weiteres Sorgenkind sind Viruserkrankungen, wie Masern, die durch die Impfmüdigkeit wieder gehäuft auftreten. „Die Herdenimmunität nimmt ab. Mit einer Impfung kann man etwas Wichtiges für seine Gesundheit tun – alles andere ist Propaganda“, sagt Apfalter in Richtung der Impfgegner.

Gene zielgerichtet verändern

Grenzenlos scheinen die Möglichkeiten, die Markus Hengstschläger beschreibt, wenn er über seine Arbeit als Genetiker berichtet. „Wir kennen Tausende Krankheiten, bei denen Gene eine Rolle spielen“, sagt der Wissenschafter. Durch neue Technologien der DNA-Sequenzierung kann man beispielsweise voraussagen, für welche Krankheiten wir ein erhöhtes Risiko in uns tragen und diese schon vor dem Auftreten behandeln. Auch in der Stammzellenforschung tut sich einiges: Künftig könne es etwa möglich sein, Zellen beizubringen, Insulin zu produzieren. Pflanzt man sie einem Diabetiker in die Bauchspeicheldrüse, besteht die Chance auf Heilung.

Zukunftsmusik ist das „Genome-Editing“. Darunter versteht man, die DNA zielgerichtet zu verändern, sodass man Krankheiten aussterben lassen könnte, weil sie im Erbgut korrigiert werden. „Das klingt im ersten Moment super. Aber ich bin auch Biologe und als solcher muss man auch den Sinn hinterfragen, warum es diese Krankheiten gibt“, erklärt Hengstschläger. Die Abschätzung der Langzeitfolgen der rasch fortschreitenden Technologie sei eine Herausforderung. „Soll alles, was machbar ist, auch gemacht werden? Wir müssen Überlegungen anstellen, die vom Individuum weggehen und die die gesamte Gesellschaft im Auge behalten.“

"Nervenzellen sterben unwiederbringlich ab"

Er operiert im „gläsernen Haus der Seele“: Andreas Gruber ist Gehirnchirurg. Alles, was er tut, hat irreparable Folgen. „Das Gehirn ist das einzige Organ, das Zellen nicht nachbilden kann“, erklärt er. So entfernt er in stundenlangen Eingriffen Tumore. Technische Hilfestellungen gibt es zahlreiche: Ein interoperativer MR-Scanner zeichnet während der Operation eine Landkarte des Gehirns, die die wichtigsten Zentren, etwa für Sinneswahrnehmung oder Motorik, kennzeichnet. So können Schäden in diesen Zentren vermieden werden. Durch den Einsatz von Kontrastmitteln beginnen die Tumore zu leuchten und heben sich so besser vom gesunden Gewebe ab. Dennoch steht der Operateur immer wieder vor schwierigen Entscheidungen: „Schneidet man zu viel weg, hat der Patient bleibende Schäden. Lässt man zu viel übrig, ist die anschließende Therapie vielleicht wirkungslos.“

Schlaganfälle sind ebenso sein Spezialgebiet. Es handelt sich dabei um einen „Mischmasch“ aus Hirnblutung und Hirninfarkt. „Time is brain. Die Nervenzellen sterben unwiederbringlich ab. Aber man kann auch viel gutmachen, weil es im Gehirn ein lebhaftes Netzwerk an Gefäßen gibt“, erklärt Andreas Gruber.
Man habe ein Zeitfenster von etwa sechs Stunden. „Schlaganfalltherapien sind die effizientesten, die wir in der Medizin haben. Man kann die Gefäße beispielsweise öffnen, indem man mit dünnen Schläuchen die Blutpfropfen herauszieht.“

"Viele haben einen Leidensweg hinter sich"

Weniger technisch, aber mit umso mehr Herz geht es bei Daniela Gattringer zu: „Unser Fach ist der Konterpart zur apparativen Medizin. Wenn wir behandeln, dann greifen wir an und sind auch Trainer und Motivator. Zuwendung ist sehr wichtig. Selbst das simple Reden senkt das Schmerzniveau.“ Gattringer ist Spezialistin für Rehabilitation. In ihrem Gebiet versucht sie, die Defizite, die Patienten durch Krankheiten und Therapien hinnehmen müssen, zu minimieren. „Die Patienten sollen ein so normalen Leben wie möglich führen.“

So hat sie in ihrer Abteilung eine ambulante Reha-Therapie entwickelt. „Viele haben schon einen langen Leidensweg hinter sich. Sie wollen oft ihre Familien nicht verlassen.“ Besonders, wenn keine ärztliche Versorgung rund um die Uhr notwendig ist, greift diese ambulante Versorgung. „In der Onkologie ist diese Form neu.“ Gerade hier geht der Weg noch weiter, mit der sogenannten Prähabilitation: „Das ist ein Konzept aus Prävention und Rehabilitation. Wir schreiten ein, noch bevor die Chemotherapie Wirkung zeigt. Mit der Diagnose startet das Trainingsprogramm, ein individuelles Konzept, das den Patienten auf die kommenden Ereignisse vorbereitet.“

Die Experten im Überblick

Petra Apfalter ist Vizerektorin an der Medizinischen Fakultät Linz und Primaria des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Krankenhaus der Elisabethinen Linz. Die Spezialistin für Infektionskrankheiten beschäftigt sich mit multiresistenten Keimen und dem Einsatz von Antibiotika. Sie ist Leiterin des Referenzzentrums für nosokomiale Infektionen (Krankenhausinfektionen) und Antibiotikaresistenz, das für ganz Österreich Daten sammelt.

Markus Hengstschläger ist Top-Wissenschafter im Bereich der Genforschung. Er ist Experte für DNA-Sequenzierung und Genom-Editing. Internationale Anerkennung fand Hengstschläger für seine Entdeckung von Stammzellen im Fruchtwasser und seinen Innovationen im Bereich der prä- und postnatalen genetischen Diagnostik. Er fungiert außerdem als stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission. Gleichzeitig ist Hengstschläger wissenschaftlicher Leiter der Academia Superior.

Primaria Daniela Gattringer leitet das Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. Ihre Abteilung bietet als erste in Österreich eine mehrwöchige ambulante Rehabilitation für Krebspatienten. Der Bedarf an Leistungen dieses Faches steigt signifikant. Das ergibt sich unter anderem aus der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft und der damit einhergehenden Änderung des Krankheitsspektrums.

Primar Andreas Gruber ist Professor für Neurochirurgie an der Medizinischen Fakultät in Linz und Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie. Er ist der einzige Mediziner Österreichs, der komplexe und technisch anspruchsvolle „High flow“-Bypässe ins Gehirn legen kann: „Je dicker der Bypass, umso besser die Durchblutung, aber umso tiefer muss man operieren. Damit steigt die Gefahr von Komplikationen.“ Die Eingriffe dauern viele Stunden. Er operiert unter bis zu 40-facher Vergrößerung.

Der Gesundheitstalk ist ein neues Diskussionsformat, das die BezirksRundschau gemeinsam mit der Academia Superior, der oberösterreichischen Gesellschaft für Zukunftsforschung, etabliert hat. Der erste Gesundheitstalk fand im Festsaal der Johannes Kepler Universität Linz statt. Er bietet interessierten Laien Zugang zu Wissen über aktuelle Forschung und neue Behandlungsmethoden.

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