2. November 2016: Schulreformen bitte nicht nur auf schulfreie Tage beschränken!
Mit einem unfassbar guten Vorschlag lässt der Wiener Stadtschulrat aufhorchen: Eine Reform der schulautonomen Tage! Jetzt sollen also jene freien Tage, an denen die Eltern zusätzlich zu den rund 14 Wochen Ferien (zur Erinnerung: Ein normaler Angestellter hat Anspruch auf fünf Wochen Urlaub) für weitere fünf Tage eine Kinderbetreuung aus dem Hut zaubern müssen, einheitlich für ganz Wien gelten. Denn bisher wurden nur zwei Tage im ganzen Bundesland für alle Schulen zum freien Tag erklärt; die restlichen drei Tage konnte jede Schule eigenständig festlegen. Bei Mehrkindfamilien ist die Betreuung der Kindern dann eine besondere Herausforderung, da in jeder Schule die schulautonomen Tage an unterschiedlichen Tagen stattfinden.
Die Idee einer einheitlichen Regelung ist jedoch nicht neu, diese Diskussion flammt alle Jahre wieder einmal auf. Sogar eine Abschaffung der schulautonomen Tage stand 2009 unter Bildungsministerin Claudia Schmied im Raum - leider erfolglos. Rund um die durchaus sinnvollen Forderung des Stadtschulrates darf aber auch die Frage gestattet sein, warum nie an eine Verkürzung der Sommerferien gedacht wird? Da nicht jede Familie einen Lehrer als Elternteil vorweisen kann, ist die Bewältigung der Betreuung in den neun (!) unterrichtsfreien Wochen im Sommer jedes Jahr für Eltern schlicht und einfach eine Katastrophe. Das Herumschieben des Kindes von Großeltern mütterlicherseits zu den Großeltern väterlicherseits - soweit überhaupt vorhanden - artet jedes Jahr auf Neue in ein äußerst kompliziertes Mühlespiel aus. Natürlich werden von etlichen Organisationen Kinderbetreuunigswochen oder Sprachferien im Ausland angeboten, doch die Kosten hierfür sind nicht für alle Eltern ein Pappenstiel. Auch auf den gemeinsamen Familienurlaub muss des Öfteren verzichtet werden - wenn bei fünf Wochen Urlaubsanspruch rund 15 Wochen Schulferien abgedeckt werden müssen, können sich Mama und Papa nicht gemeinsam frei nehmen.
Eine Reform der schulautonomen Tage, wie jetzt vom Stadtschulrat gefordert, wäre also eine sinnvolle Erleichterung für das Betreuungsmanagement der Eltern. Doch sollte der Stadtschulrat seine Reformen nicht nur auf Ferien beschränken, sondern den Lehrplan endlich entstauben. Dieser unterscheidet sich im Jahr 2016 kaum von jenem aus dem Jahr 1976. Latein und Altgriechisch werden auch in unserer technisierten Welt nicht durch Programmieren ersetzt und nach wie vor ist die Mathematik die unantastbare, heilige Kuh (und der Stolperstein für so manches Genie, das aufgrund seines nicht vorhandenen mathematischen Talents die Schule abbricht). Dass Maturanten zwar die Fläche einer Parabel, die eine Ellipse schneidet, ausrechnen können, aber nicht in der Lage sind, einfachste Kopfrechnungen zu absolvieren, stört offensichtlich niemanden im Stadtschulrat und Bildungsministerium.
Ja, liebe Leser, Sie haben richtig geraten: Ich bin Mutter von zwei Schulkindern. Und jeden Tag fassungslos, dass meine Kinder den gleichen Stoff lernen, wie ich anno dazumal. Und damals gab es statt fünf schulautonomen Tagen nur den Direktortag und wir haben unsere Schulzeit - trotz Parabeln und Ellipsen - auch überlebt. Also meine Bitte: Weniger über die schulfreie Zeit diskutieren, sondern endlich einmal den Lernstoff in die Gegenwart holen!
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