Ausgrabungen in Ephesos beendet: Verliert Österreich ein Weltwunder?
Aufgrund der bilateralen Spannungen zwischen Österreich und der Türkei wurden die Ausgrabungen des Österreichischen Archäologischen Instituts in der antiken Stadt Ephesos beendet. Ausgrabungsleiterin Sabine Ladstätter hofft eine Entspannung und beantragt die Grabungslizenz für 2017.
WIEN. Seit 1895 hat Österreich eine Grabungslizenz für die antike Stadt Ephesos. Zwar gab es in den vergangenen 120 Jahren immer wieder Pausen, wie etwa während der Weltkriege oder der Zypernkrise, doch die Ruinen rund um das Weltwunder "Tempel der Artemis" waren in österreichischer Hand. Bis zum 31. August 2016.
Das Österreichische Archäologischen Institut hat mit Ende August die Grabungen für 2016 vorzeitig einstellen müssen. Grund sind bilaterale Spannungen: Der österreichische Bundeskanzlers Christian Kern möchte die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nach der harten Niederschlagung des Militärputsches einstellen. Als Reaktion wurde der SPÖ-Politiker von Burhan Kuzu, dem Chefberater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, auf Twitter aufgefordert "sich zu Verpissen". Als Draufgabe wurde Kern von Kuzu noch als "Ungläubiger" bezeichnet und Ankara zog seinen Botschafter aus Österreich ab.
Grabungslizenz nicht verloren
Keine guten Voraussetzungen für eine wichtige, länderübergreifende Arbeit, wie die Ausgrabungsleitung in Ephesos. "Die vorzeitige Einstellung unserer Arbeit kam nach den politischen Differenzen nicht wirklich überraschend für mich", so Sabine Ladstätter, als die bz sie in Ephesos telefonisch erreichte. "Ich habe die vorzeitige Einstellung befürchtet! Wir haben aber die Grabungslizenz nicht verloren. Wir dürfen sie für 2017 wieder beantragen."
Derzeit hält Ladstätter in der antiken Stadt die Stellung und überwacht die Einstellung der archäologischen Tätigkeit. Die meisten der knapp hundert Beschäftigten - vierzig Arbeiter und fast sechzig Archäologen aus aller Welt - haben die antike Stadt bereits verlassen. "Es leert sich und ich als Kapitän mache die Fenster zu", beschreibt Ladstätter sinnbildlich die Situation vor Ort.
"Gebe die Hoffnung nicht auf"
Glück im Unglück: Die eigentlichen Ausgrabungen sind bereits beendet, für September und Oktober standen "nur" große Restaurierungen an. "Die Arbeiten ruhen jetzt und werden vorerst nicht an eine andere Nation übergeben. Ich bin immer noch Grabungsleiterin." Zwar ist Ladstätter zuversichtlich, dass sich die Lage zwischen Wien und Ankara wieder beruhigt, doch Österreich läuft Gefahr, mit dem "Tempel der Artemis" ein Weltwunder zu verlieren.
"Diese Gefahr besteht tatsächlich", so Ladstätter. "Das Österreichische Archäologische Institut hat hier eine internationale Forschungsplattform aufgebaut mit einer sehr hohen Reputation. Ich werde demnächst die Verhandlungen mit den Zuständigen aufnehmen, um die Grabungslizenz für 2017 wieder zu erhalten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf!"
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