Tiroler Landesmuseen
Erster Alpenrosen-Schmetterling im Engadin entdeckt

Ein Österreichisch-schweizerisches Forscherteam findet bisher unbekannten Alpenrosen-Minierfalter in Ardez (Untergenadin, Schweiz). | Foto: Jürg Schmid
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  • Ein Österreichisch-schweizerisches Forscherteam findet bisher unbekannten Alpenrosen-Minierfalter in Ardez (Untergenadin, Schweiz).
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BEZIRK LANDECK, ENGADIN, ARDEZ. Forscher der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Tiroler Landesmuseen fanden in Zusammenarbeit mit Schweizer Kollegen den Alpenrosen-Minierfalter in Ardez im Engadin. Dass die Schmetterlingsart in den Alpen vorkommt, war bis dahin unbekannt.

Kommissar Zufall führte Regie

Die Entdeckung des Alpenrosen-Minierfalters ist nicht die Folge einer gezielten Suche, sondern ein reiner Glücksfall. Da Alpenrosen für Schmetterlingsraupen unattraktiv sind und bisher aus dem gesamten Alpenraum kein Spezialist an dieser Pflanze bekannt war, galten sie auch für die Schmetterlingsforscher als uninteressant. Als Konsequenz wurde die Pflanze von Forscher*innen weitgehend ignoriert. Im Rahmen einer Erhebung von Schmetterlingen in Ardez (Engadin, Schweiz) am 29. Juli 2021 allerdings wurde in einer bewölkten Phase neben einem Alpenrosenbusch eine Pause eingelegt.

Alpenrosen-Minierfalter (Schweiz, Graubünden, Ardez). | Foto: Jürg Schmid
  • Alpenrosen-Minierfalter (Schweiz, Graubünden, Ardez).
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„Die rein zufällige Sichtung der ersten Raupe in einem Alpenrosenblatt war ein absoluter Adrenalinstoß, sofort war klar, dass es sich hier um einen außergewöhnliche Art handeln muss“,

erklärt Peter Huemer, Schmetterlingsforscher und Leiter des Bereichs Naturwissenschaften der Tiroler Landesmuseen die Fundumstände. Die erweiterte Suche in den folgenden zwei Wochen erbrachte Hinweise auf eine stabile Population eines vorerst völlig ungeklärten Schmetterlings. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Schmetterlingsexperten Jürg Schmid wurden in mehreren Exkursionen zwischen Ende Juli und Mitte August Raupen und Puppen für Dokumentationszwecke gesucht.

Fraßspuren (Blattminen) des Alpenrosen-Minierfalter an der Rostroten Alpenrose (Schweiz, Graubünden, Ardez). | Foto: Peter Huemer
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Alpenrosen-Minierfalter lebt im Blatt

Der Alpenrosen-Minierfalter bohrt sich gleich nach dem Schlüpfen der Raupe durch die obere Blatthaut in das Blattinnere. Die Raupe verbringt dann ihr gesamtes Leben bis zur Verpuppung zwischen den unversehrten Blatthäuten und frisst das Blattgrün. Die Fraßspur ist eine sogenannte Blattmine. Durch diese Verhaltensweise ist die Raupe vor schlechter Witterung ebenso gut geschützt wie vor vielen Fressfeinden wie z.B. Vögeln, Spinnen oder anderen Insekten.

Charakteristisches Verpuppungsgespinst des Alpenrosen-Minierfalters mit erwachsener Raupe und Puppe (Schweiz, Graubünden, Ardez). | Foto: Jürg Schmid
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Die Blattmine beginnt mit einem langen Gang und endet in einem großen platzartigen Minenteil. Der Kot wird innerhalb dieser Mine abgelegt. Zur Verpuppung verlässt die Raupe das Alpenrosenblatt und fertigt auf der Blattunterseite eines befallenen oder nahegelegenen Blattes ein typisches Gespinst. Mit mehreren feinen Seidenfäden wir eine kunstvolle „Hängematte“ produziert, in der schließlich die Umwandlung zur Puppe erfolgt. Im Labor gelang nach etwa zehn Tagen die erfolgreiche Zucht zum Falter, mit einem frappierenden Ergebnis.

Ein Österreichisch-schweizerisches Forscherteam findet bisher unbekannten Alpenrosen-Minierfalter in Ardez (Untergenadin, Schweiz). | Foto: Jürg Schmid
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Rätselhafte Engadiner Population

Die Falter gehörten völlig überraschend zu einer in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika weit verbreiteten Art, dem Sumpfporst-Minierfalter (Lyonetia ledi). Die Bestimmung wurde durch Untersuchung morphologischer Merkmale wie Flügelfarbe und Zeichnung sowie durch DNA Abgleich (DNA Barcodes) mit nordeuropäischen Tieren abgesichert. Die Engadiner Population ist jedoch mehr als 400 Kilometer von den nächsten bekannten Fundorten entfernt. Weiteres lebt der Sumpfporst-Minierfalter im nördlichen Europa ausschließlich am Sumpfporst und dem Gagelstrauch. Diese zwei typischen Sträucher von Hochmooren fehlen aber in den Alpen. Allerdings teilten sich der Sumpfporst und die Alpenrose in früheren Kältephasen im Alpenvorrand den Lebensraum. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat hier nach der letzten Kaltzeit und dem Abschmelzen der Gletscher ein Übergang der Raupe von Sumpfporst auf die Alpenrose stattgefunden. Die in nachfolgenden Wärmephasen verursachte Auftrennung der Areale beider Pflanzen führte zwangsläufig auch zur Trennung der Falterpopulationen.

Lebensraum des Alpenrosen-Minierfalters im Engadin/Schweiz. | Foto: Jürg Schmid
  • Lebensraum des Alpenrosen-Minierfalters im Engadin/Schweiz.
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Eine giftige Futterpflanze

Die Rostrote Alpenrose ist auf Grund ihrer Blütenpracht eine der bekanntesten und attraktivsten Pflanzen, zumindest für den Menschen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine hochgradig giftige Pflanze, die daher von Weidetieren streng gemieden wird. Für Insekten ist die Alpenrose höchstens als Nektarpflanze interessant, Insektenlarven entwickeln sich hingegen nur ganz ausnahmsweise an ihr. Dies gilt auch für Alpenschmetterlinge, die Alpenrosen trotz ihrer weiten Verbreitung weitgehend ungenutzt lassen. Umso überraschender kommt daher die Entdeckung einer hochgradig spezialisierten Schmetterlingsart in den Alpen.

Rostrote Alpenrose, eine der populärsten Alpenpflanzen. | Foto: Ingrid Huemer
  • Rostrote Alpenrose, eine der populärsten Alpenpflanzen.
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Verbreitung und Gefährdung

Der Alpenrosen-Minierfalter ist bisher mit Sicherheit nur aus dem Unterengadin bekannt. Der Lebensraum ist ein steiler, nordexponierter, Fichten-Lärchen-Zirbenwald in etwa 1.800 Metern Seehöhe. Die hohe Schneelage im Winter und die Schattenlage im Sommer führen dazu, dass die Alpenrosen hier nicht zur Blüte gelangen.

Charakteristisches Verpuppungsgespinst des Alpenrosen-Minierfalters mit erwachsener Raupe und Puppe (Schweiz, Graubünden, Ardez). | Foto: Jürg Schmid
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Die Wissenschaftler vermuten, dass die Art bei intensiver Nachsuche auch an ähnlichen Stellen in den Nordalpen noch entdeckt werden kann, so im benachbarten Tirol und Vorarlberg. Da der Falter schwer zu finden sein dürfte und erst spät im Jahr fliegt und vermutlich auch im Falterstadium überwintert, ist die Suche nach den Raupen und Puppen jedenfalls vielversprechender. Die kleinklimatische Sondersituation des Schweizer Standortes lässt aber nicht erwarten, dass diese trotz 250 Jahren Schmetterlingsforschung bisher übersehene Art weit verbreitet ist. Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass sie eines der ersten Opfer des Klimawandels sein könnte.

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