Galtürer Almbegegnung
"Tierwohl als ein Luxusproblem?"

Alpinairum-GF Bgm. Toni Mattle mit Moderator Markus Schermer und den ExpertInnen Julianna Fehlinger, Christoph Winckler, Helga Brunschmid, Stephan Pöchtrager und Nadia Angelika Neuner Schatz (v.l.). | Foto: Othmar Kolp
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GALTÜR (otko). Das Thema "Konzerne, Komfort und die Kuh: Wer hat die Macht im Streit um das Tierwohl?" wurde bei der Galtürer Almbegegnung kontroversiell diskutiert.

Kultiviertes Streigespräch

Zur bereits 14. Auflage der Galtürer Almbegegnung wurde am Vorabend der 25. Internationalen Almkäsepolympiade ins Alpinarium Galtür geladen. Geschäftsführer Bgm. Anton Mattle freute sich über einen vollen Saal. Eine Expertenrunde unter der Moderation von Markus Schermer (Universität Innsbruck) diskutierte beim kultivierten Streitgespräch zum Thema "Konzerne, Komfort und die Kuh: Wer hat die Macht im Streit um das Tierwohl?"

Tierwohl ist umkämpft

Das Wohl der Tiere ist vielen eine Herzensangelegenheit. Das Tierschutzgesetz verbietet daher ab 2020 die dauerhafte Anbindehaltung in der Milchwirtschaft und Rinderzucht. Allerdings ist dieses Tierwohlgesetz löchrig wie ein Schweizer Käse, denn es beinhaltet zahlreiche Ausnahmen zu Lasten der Tiere und zum Wohl des Betriebes. Namhafte Handelsmarken wollen daher einen endgültigen Schlussstrich unter das Kapitel „Kuh steht im Stall“ ziehen. Schon ab 2021 darf eine vermeintlich „ursprüngliche“ Milch nur mehr von Betrieben mit Laufstall produziert werden. Drei große österreichische Molkereikonzerne ziehen nach, z.B. mit der Prämie „Kuhkomfort“.

Wissenschaftlicher Zugang

Moderator Schermer warf zu Beginn der Diskussion gleich ein, dass das Tierwohl ein umkämpftes Gebiet ist: "Wer weiß, wie es der Kuh geht?"
Christoph Winckler von der Boku Wien, Institut für Nutztierwissenschaft, erläuterte den wissenschaftlichen Zugang zu dem Thema. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Tierwohl mehrere Dimensionen (physisch, emotional/psychisch, Natürlichkeit) hat. Haltungssysteme lassen nur bedingt Rückschlüsse auf das Tierwohl zu. Zudem erfordert die Sicherstellung des Tierwohls – unabhängig vom Haltungssystem – ein regelmäßiges Monitoring. "Kühe sind keine Tiere, die lebenslang am gleichen Platz stehen wollen. Gerade die Bedeutung des Auslaufs ist bei der Anbindehaltung relevant. Kühe arbeiten dafür, dass sie auf die Weide gehen können", erläuterte Winckler.

Bäuerlicher Widerstand

Vizepräsidentin Helga Brunschmid verwies darauf, dass die Tiroler Landwirtschaftskammer das heurige Jahr unter das Thema Tierwohl gestellt hat. "Wir bemerken aber, dass es Widerstand aus der Bevölkerung gibt. Wenn die Bergbauern beim Tierwohl nicht mehr mitgehen, dann ist etwas falsch. Hier geht es um mehr als um die Haltungsform." Wenn es der Kuh gut gehe, dann sei sie auch motiviert und der Bauer spare sich Kosten. "Die Frage ist allerdings wie weit dies gehen darf, damit die Bauern nicht den Spaß an der Viehhaltung verlieren." Das Ziel der Landwirtschaftskammer sei die flächendeckende Erhaltung der Landwirtschaft. "Wir haben Angst, dass die Bauern davon laufen. Wenn wir eine gewisse Tierwohlsache erreicht haben, braucht der Handel wieder etwas anderes. Wir müssen die bewährte Landwirtschaft weiter entwickeln und das Tierwohl gewährleisten", unterstrich die LK-Vizepräsidentin.

Gesättigter Markt

Julianna Fehlinger von der Vereinigung der Bergbäuerinnen und Bergbauern betonte, dass die aktuelle Debatte über das Tierwohl von der Ablehnung der Massentierhaltung herrühre. "Ich habe vier Sommer lang auf einer Alm gearbeitet und jede Kuh von den 17 verschiedenen Bauern erzählt etwas. Tiere aus Kombinationshaltung sind viel zugänglicher."
Für Nadia Angelika Neuner Schatz, die eine Dissertation zum Thema „Tierwohl“ schreibt, ist das ganze eine zusätzliche Produkteigenschaft bzw. ein Qualitätsmerkmal in einem gesättigten Markt: "Wir müssen hier mit dem Schlagwort 'Natürlichkeit' aufpassen. Bei der Debatte handelt es sich um ein Luxusproblem. Bei uns leidet niemand Hunger und Österreich hat eine Milchproduktion von 160 Prozent."

Mündigkeit des Konsumenten

Stephan Pöchtrager, "Zurück zum Ursprung", erinnerte daran, dass man bei der Beurteilung sehr vorsichtig sein sollte. "Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist ein ganzheitliches System. Wie geht der Bauer mit seinen Tieren um und wie sind die Systembedingungen – diese Ausgewogenheit gilt es zu beurteilen. Bei der ganzen Diskussion sei aber auch anzumerken, dass der Konsument in der Stadt sitzt und keinen Bezug zur Landwirtschaft mehr hat. "'Zurück zum Ursprung' sagt, dass das Vieh jeden Tag raus muss und wir setzen mit über 200 Tagen stark auf Weidehaltung. Für diese höheren Standards wird auch mehr an die Bauern für ihre Milch bezahlt, wobei aber auch gewisse Richtlinien abverlangt werden", so Pöchtrager.
Ein Zuhörer wendete ein, dass solche Anreizsysteme aber nicht ins Gegenteil fallen sollten: "Sobald man monetäre Anreize schafft, braucht man Parameter. Hier gilt es Vorsicht walten zu lassen damit es nicht zur Perversion wird." Otmar Juen, LK-Bezirkstellenleiter in Imst, warnte vor einer "Kommerzialisierung" des Tierwohls und der Aufsplittung in "gute und böse Milch".
Pöchtrager entgegnete, dass bei den Konsument das Bewusstsein für Lebensmittel gestiegen sei. "Der Konsument von Bio-Produkten erwartet sich, dass es dem Tier besser geht und dafür zahlt er auch mehr. Mehr Transparenz ist hier wichtig und es braucht wieder eine bessere Verbindung zwischen dem Produzenten und Konsumenten."

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