Projekt "Likrat" der IKG
Wiener Jugendliche kämpfen gegen Antisemitismus
Einen Dialog führen, Barrieren abbauen und gegen Antisemitismus vorgehen – das sind die Ziele des Projekts "Likrat". Bei diesem besuchen jüdische Jugendliche Schulen im ganzen Land, um aufzuklären und etwas zu verändern. MeinBezirk.at war mit dem Israelischen Botschafter David Roet und Bildungsminister Martin Polaschek in der Leopoldstädter Zwi Perez Chajes Schule (ZPC), um mehr über "Likrat" zu erfahren.
WIEN/LEOPOLDSTADT. Mit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Österreich einiges verändert. Während der Zusammenhalt und die Unterstützung auf der einen Seite groß ist, haben auf der anderen Seite der Hass und Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden zugenommen. Die Antisemitismus-Meldestelle verzeichnete eine signifikante Zunahme antisemitischer Vorfälle in Österreich, besonders in Wien. Neben der Verschärfung des Verbotsgesetzes gibt es andere Maßnahmen, die viel niederschwelliger ansetzen, um am besten Antisemitismus erst gar nicht entstehen zu lassen. Eines davon ist "Likrat".
Auf Hebräisch bedeutet likrat "aufeinander zugehen" – und genau darum geht es bei diesem Projekt der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien. Aufeinander zugehen sollen jüdische Jugendliche und gleichaltrige Schülerinnen und Schüler. Erstere werden in Rahmen von Workshops und Seminaren hinsichtlich Religion, Israel, jüdische Geschichte, Shoah, Rhetorik, Kommunikation und Gruppendynamik ausgebildet, um dann mit den anderen auf Augenhöhe ins Gespräch zu treten. Auf diese Weise soll gegenseitiges Verständnis geschaffen, Gemeinsamkeiten betont sowie antisemitische und rassistische Vorurteile und Stereotype angebaut werden.
Antisemitismus und Vorurteile abbauen
In der Zwi Perez Chajes Schule (ZPC) der IKG Wien im 2. Bezirk machten sich der Israelische Botschafter David Roet und Bildungsminister Polaschek (ÖVP) ein Bild von "Likrat". Dort trafen sie auf jüdische Jugendliche, die von ihren Erfahrungen als sogenannte "Likratinos" berichteten.
Dabei wird schnell klar, dass der Nachwuchs bei den sogenannten "Begegnungen" immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert ist. "Jüdinnen und Juden stehlen" oder "Jüdinnen und Juden bezahlen keine Steuern" sind nur Beispiele der Phrasen, mit denen die "Likratinos" konfrontiert werden. Doch sie versuchen ins Gespräch zu gehen, um Vorurteile abzubauen und die Sichtweisen zu verändern. Auch wenn die Situationen durchaus überwältigend sein können. Denn leider bleibt es manchmal nicht "nur" bei Vorurteilen. So sah sich der Nachwuchs etwa bereits mit Schülerinnen und Schülern konfrontiert, die ihnen gegenüber verbotene Gesten machten.
Seit dem 7. Oktober sei der Umgang gegenüber den jungen Jüdinnen und Juden mitunter ein anderer geworden. Auch die Gespräche und Fragen hätten sich verändert und würden sich nicht großteils um das Judentum, sondern auch im Israel und die Hamas drehen. Dass die jungen Jüdinnen und Juden für die Teilnahme an diesem Projekt Mut brauchen, ist spätestens jetzt klar. Doch sie wollen etwas verändern und sind bereit dafür, sich schwierigen Situationen auszusetzen.
"Wir gehen in die Konversation, sprechen über unsere Kultur. Die Jugendlichen können Fragen über das Judentum stellen, vielleicht erzählen sie uns auch etwas über ihre Kultur", erzählt Sharon (17), die bereits seit zwei Jahren an Likrat teilnimmt. Das Wesentliche daran sei die Peer-to-Peer-Methode, also dass die 14- bis 18-jährigen Jüdinnen und Juden sich mit Gleichaltrigen austauschen. Auf diese Weise will man Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammen Grenzen überwinden lassen.
Projekt bringt positive Veränderung
Die Methode zeigt Erfolg. Das erzählt Sharon aus eigener Erfahrung: "Auch meine Schwester hat an Likrat teilgenommen. Und nach einer Begegnung ist ein Jugendlicher zu ihr gekommen und hat gesagt: 'Weißt du was, du bist cool, ich mag dich'. Also man merkt, es bringt was und auch ich habe schon viel gelernt." Die Schülerin habe sich dafür entschieden, am Projekt teilzunehmen, um zu zeigen, "dass Jüdinnen und Juden ganz normale Menschen sind und Antisemitismus zu bekämpfen."
Das ist auch die Herangehensweise, bei welcher es bei Likrat geht: Es sollen die Gemeinsamkeiten der Jugendlichen hervorgehoben und eine Atmosphäre geschaffen werden, bei der ethnische Herkunft, Hautfarbe oder Religion keine Rolle spielen. Positiv nehmen das auch Schülerinnen und Schüler wahr, die an dem Projekt teilgenommen haben. Laut IKG Wien würden 93 Prozent der Teilnehmenden das Projekt unbedingt weiterempfehlen.
Überzeugt vom Likrat ist auch der Israelische Botschafter: "Wenn man hört, dass Antisemitismus immer noch lebendig ist und sich leider nach dem 7. Oktober noch mehr in den Köpfen verfestigt, ist es sehr wichtig, ein solches Programm zu haben", so Roet gegenüber MeinBezirk.at.
Bildungsminister Polaschek ergänzt: "Diese Schule leistet hervorragende Arbeit. Sie kümmert sich sehr stark nicht nur um jüdische Schülerinnen und Schüler, sondern hilft auch die jüdische Tradition und die Sprache hochzuhalten." Gerade in Zeiten, in denen man vermehrt Antisemitismus in Österreich erlebe, sei es wichtig, zu zeigen, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat.
Das könnte dich auch interessieren:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.