Im Land von Kim Jong Un
Bergsteigen und Reisen in Nordkorea

Extrembergsteiger Christian Stangl vor den Statuen von Kim Il Sung und Kim Jong Il | Foto: Stangl
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  • Extrembergsteiger Christian Stangl vor den Statuen von Kim Il Sung und Kim Jong Il
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Nordkorea ist ein exotisches Land – politisch und gesellschaftlich. Doch das isolierte Land übt auf immer mehr Touristen seinen Reiz aus.

Im September erkundete auch der Haller Bergsteiger Christian Stangl den ostasiatischen Staat. "Ein Freund hat ein Faible für die höchsten Berge aller Länder. Es hat dann von Mai bis August gedauert, bis wir die Genehmigung bekommen haben", berichtet Stangl.

Kumgang-Gebirge | Foto: Stangl

Das ursprüngliche Ziel der Reise war der Berg Paektu, mit etwa 2.750 Metern die höchste Erhebung des Landes. "Sie haben uns aber einfach den Flug dorthin gestrichen, Gründe wurden keine genannt", sagt Christian Stangl. Daher blieb Stangl und seinen Mitreisenden mehr Zeit, um das Land zu besichtigen. Ohne ständige Überwachung durch eine koreanische Begleitung geht ohnehin gar nichts. Sogar das Hotel durfte nur einen gewissen Radius weit verlassen werden.

Unbekanntes Land

Was 70 Jahre Kommunismus unter den Machthabern der Kim-Dynastie bewirkt haben, wird Stangl, er war der erste Mensch, der die "Triple Seven Summits" – die drei höchsten Berge auf jedem Kontinent – erfolgreich bewältigt hat, schon bei der Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt Pjöngjang augenscheinlich.

Blick über die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang | Foto: Stangl

"Superbreite Straßen, aber keine Autos. Motorisierter Individualverkehr ist nicht existent, ebenso wenig wie Werbetafeln, Reklame und Leuchtschriften. Dafür sind zwei Gesichter omnipräsent – entweder in Riesengemälden oder in bis zu 20 Meter hohen Statuen aus Bronze oder Marmor. Das eine zeigt den Staatsgründer Kim Il Sung, das andere dessen Nachfolger Kim Jong Il. Pjöngjang, Hauptstadt mit 3,2 Millionen Einwohnern, ist komplett anders als die großen Metropolen dieser Welt."

Fotografieren meist unerwünscht

Die Fotokamera darf nur dann gezückt werden, wenn dies ausdrücklich erlaubt wird. In sensiblen Bereichen, wie etwa dem Mausoleum, wird einem vorsorglich gleich alles abgenommen: Fotoapparat, Smartphones, digitale Uhren, Schlüsselbund, Brieftasche. Die Bekleidungsvorschrift ist streng. "Ich hatte ein normales T-Shirt an, durfte so aber nicht hinein. Daher musste ich mir ein Hemd von einem lettischen Touristen ausborgen", schildert er seine Eindrücke.

Stadtbild zeigt nur 65 Jahre Geschichte

Stolz präsentiert die koreanische Reiseleitung Christian Stangl und seinen Kollegen in der Hauptstadt Pjöngjang einen Supermarkt – offenbar den einzigen im ganzen Land. Das Straßenbild nordkoreanischer Städte kennt weder Einkaufszentren noch Fachmärkte. Orte für soziale Zusammenkünfte wie Lokale, Kinos oder Gastgärten sucht man vergebens. Sakralbauten und Stadtkerne gibt es nicht. Alle größeren Städte wurden im Koreakrieg (1950 bis 1953) in Grund und Boden gebombt, der damalige Machthaber Kim Il Sung ließ alle Städte nach eigenen Vorstellungen errichten.

Nordkoreas eigene Zeitrechnung

Wenn westliche Medien Nordkorea pauschal als rückständig, unterentwickelt und wirtschaftlich abgeschottet aburteilen, mag dies oberflächlich betrachtet zwar stimmen, es muss aber auch erwähnt werden, dass wirtschaftliche Selbstversorgung eine der großen Staatsideen von Kim Il Sung war und ist. Wirtschaftliche, militärische und politische Souveränität – diese drei Eckpfeiler bilden die Grundlagen der von Kim Il Sung verfassten Juche- (sprich Tschutsche) Doktrin. Sie bilden so etwas ähnliches wie eine Verfassung für den 1948 gegründeten Staat.

Ein Polizist in der Mitte der breit ausgebauten Straße regelt den (nicht vorhandenen) Straßenverkehr. | Foto: Stangl
  • Ein Polizist in der Mitte der breit ausgebauten Straße regelt den (nicht vorhandenen) Straßenverkehr.
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Dass der Staatsgründer auch heute noch gottähnliche Verehrung genießt, basiert unter anderem auf einem sehr plausiblen Hintergrund. Mit den Juche-Doktrin startete er ganz ungeniert eine neue Zeitrechnung und tat es somit Christus beziehungsweise Mohamed gleich. 1912 (nach Christus) ist das Geburtsjahr des „ewigen Präsidenten“. Demnach herrscht gegenwärtig in Nordkorea das Jahr „Juche 106“

Show der Superlative

Als „absolut abgefahren“ bezeichnet Christian Stangl die Massenspiele zum 70. Jahrestag der DPRK, der demokratischen Volksrepublik Koreas. Alle 150.000 Sitzplätze im Stadion '1. Mai' sind gefüllt. 17.400 Personen bilden am Rasen ein menschliches Mosaik und eröffnen damit die Spiele. "In jenem Moment, wo das Mosaik das Gesicht des Staatsgründers Kim Il Sung zeigt, erheben sich die Massen mit einem scheinbar nicht enden wollenden Gegröle und der leibhaftige Kim Jong Un, der gegenwärtige Führer Nordkoreas, betritt das Stadion. Eine perfekte Inszenierung, man kommt schlichtweg nicht aus dem Staunen raus."

Kim Jong Un ziert jedes Zeitungscover

Weil Stangl und seine Kollegen am nordkoreanischen Nationalfeiertag im Land waren, mussten sie zu den Massenspielen gehen. "Uns wurden gleich einmal 100 Euro Eintritt abgenommen. Danach mussten wir zwei Stunden lang zur Sicherheitskontrolle in ein anderes Stadion. Bis auf Papiergeld durften wir nichts mitnehmen." Wie groß der Personenkult rund um Machthaber Kim Jong Un ist, beweist ein Gesetz, welches besagt, dass alle Zeitungen, die gedruckt werden, den Diktator auf der Titelseite zeigen müssen. "Nordkorea ist anders. Nordkorea ist eine Reise wert", sagt Stangl abschließend und plant bereits eine Rückkehr im nächsten Jahr.

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