"Kein Mohnstrudel ohne Neonicotinoid"

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Wie hoch ist der Gesamtschaden nach dem Hochwasser?
Max Hiegelsberger: Wir können nur sagen, dass wir wirklich deutlich unter den Summen von 2002 zu liegen kommt. Im Bereich der Landwirtschaft rechnen wir mit 15 Millionen Euro. Bei den Straßen ist es auch nicht so schlimm wie 2002. Auch bei den Gemeinden sind die Schäden bei weitem nicht so groß. Bei den Privaten wird es noch eine Zeitlang dauern, bis wir alles haben. Im Jahr 2002 haben wir 24.000 Schadensfälle betreut, mit einer durchschnittlichen Schadenssumme von 10.000 bis 15.000 Euro. Wir gehen derzeit von 10.000 bis 15.000 Schadensfällen aus. Wie hoch die Schäden jetzt genau sind, kann aber noch niemand seriös sagen.

Vom Katastrophenfonds bekommt man nur maximal 20 bis 50 Prozent der Schadenssumme. Auch die Beträge von den Versicherungen sind ja gedeckelt. Das heißt, der Einzelne bleibt auf dem Großteil des Schadens sitzen.
Man muss das im Verhältnis sehen. Wir sind an das Bundeskatastrophenschutzgesetz gebunden, auch deswegen, weil über Rechnungshofüberprüfungen auch genau geschaut wird, wie mit der Hilfe umgegangen wird. Zudem betreffen die meisten Schäden auch die Einrichtungen und da zahlen wir den Zeitwert. Dennoch, es geht ja darum, dass niemals Existenzen gefährdet sind. Es steht zwar im Gesetz, dass maximal 20 bis 50 Prozent gefährdet sind, aber in begründeten Fällen zahlen wir auch mehr aus. Im Bereich der Landwirtschaft dürfen wir maximal 40 Prozent der Schäden abdecken.

Im Eferdinger Becken gibt es ja gewaltige Erneausfälle. Lieferaufträge können nicht erfüllt werden. Wie hoch sind wirtschaftlicher und Image-Schaden?
Es war mit Abstand der ungünstigste Zeitpunkt für ein Hochwasser. Es ist ja noch nichts abgeerntet gewesen. Die Erbeeren wären gerade gekommen. Und im Eferdinger Becken sind viele Spezialkulturen betroffen. Wir reden hier von Saatzuchtmais zum Beispiel und wir reden da von großen Flächen, die zerstört wurden. Aber zum Glück ist der Imageschaden dennoch nicht so groß. Aber wir haben ein anderes Problem. Gerade dort haben wir immer viele Erntehelfer, die nur deswegen kommen. Und die schauen aber jetzt schon, ob sie nächstes Jahr überhaupt wieder kommen. Diese Erntehelfer sind aber sehr schwer zu bekommen. Die Landwirtschaft gehört nach diesem Hochwasser zu den Hauptbetroffenen. Prinzipiell gilt: Es wird auch nach dem Ausbauprogramm 2023 Gebiete in Oberösterreich geben, die man nicht vor Hochwasser schützen kann.

Wie sicher ist es, dass ein Ausbau des Hochwasserschutzes kommt und wie schnell kann das gehen?
Wir gehen schon davon aus, dass es rasch geht. Aber man muss schon strukturiert an die Sache herangehen. Das Land muss das ja zwischenfinanzieren. Wenn der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt, wird das Land das Ausbauprogramm durchziehen.

Wie hoch wird die Zahl der Absiedelungen sein?
Das kann man noch nicht beziffern. Prinzipiell gilt, es geht nur mit einem Mischsystem von Absiedelungen, Freiflächen für das Wasser und Dämmen. Was immer überbleibt sind aber die landwirtschaftlichen Flächen. Man wird daher den Begriff des Wasserbauern zukünftig brauchen. Bei minderwertigen Flächen, etwa im Augebiet, muss man auch denen, die das pflegen und bewirtschaften, im Katastrophenfall finanziell helfen.

Wie ist es generell um die Landwirtschaft in Oberösterreich bestellt?
Wir heben uns im Vergleich mit den anderen Bundesländern deutlich ab. In Oberösterreich geht es hauptsächlich um Produktion, ob es Lebensmittel, Energie oder Urlaub am Bauernhof ist. Da die Höfe auch im Wettbewerb stehen, auch mit dem entsprechenden Maß an Produktivität. Aber man muss sich auch zu der Lebensmittelproduktion mit einem gewissen Entgelt dahinter bekennen. Und man muss deutlich sagen, wer kauft dann die Produkte um welchen Preis. Es ist auch eine gesellschaftspolitische Frage, ob wir als Volkswirtschaft unsere Lebensmittel selber produzieren oder nicht. In der medialen Berichterstattung glaubt man, wir haben 60 oder 70 Prozent Bio-Produktion und der Rest konventionell. In Wirklichkeit haben wir maximal zehn Prozent Bio, im Fleischbereich sogar nur 0,5 Prozent. Die Landwirte würden gerne umsteigen, aber dann ist die Frage, ob das die Leute auch zahlen. Und der zweite Punkt ist, dass man wenn man Bio will muss man auch sicherstellen, dass keine minderwertigen Produkte aus dem Ausland reinkommen.

Das heißt, es gibt nicht genug Abnehmer für Bioprodukte?
Wir sehen nur, dass der Markt nicht stark wächst. Die Frage vielmehr ist, welche Wertschöpfung will man im Land selber haben. Es ist ein gesellschaftspolitisches und nicht bloß ein agrarpolitisches Thema.

Für regionale Produkte ist der Bedarf aber da.
Absolut. Aber beispielsweise die Debatte um die Neonicotiniode zeigt, dass man Landwirtschaft in seiner Gesamtheit sehen muss. In der Debatte war für die Bauern nichts zu gewinnen, weil die Diskussion so emotional war. Aber was das bedeutet, wissen die wenigsten. Den Mohn wird es in Oberösterreich ohne Neonicotinoidbeize nicht mehr geben. Und dann wäre die Konsequenz: Gut, wir brauchen keinen Mohn in Oberösterreich. Und dann essen wir nicht mehr einen Mohnstrudel, sondern einen Nussstrudel. Aber diese Konsequenz findet ja nicht statt. Und es schaut ja niemand, wie der Mohn im Ausland angebaut wird. Wenn Neonicotinoide verboten werden, verlieren wir auch 50 Prozent der Rapsflächen. Die Landwirte setzen ja die Schädlingsbekämfpungsmittel nicht aus Jux und Tollerei ein. Dahinter steckt ja Pflanzenschutz. Dass das Bienensterben auch in anderen Ländern stattfindet, in denen es schon längst ein Neonicotiniodverbot gibt, wissen halt auch die wenigsten.

Von der Landwirtschaft noch zu den Gemeinden. Wie ist es um die Finanzkraft der Gemeinden in Oberösterreich bestellt?
Ich bin der festen Überzeugung, dass in unserem Modell mehr Zukunft steckt, als in der politisch motivierten Gemeindefusion in der Steiermark. Es gibt viel bessere Instrumente um die Verwaltungskosten in den Gemeinden in den Griff zu bekommen. Ich habe ja auch in den Gemeinden Spezialisten sitzen. Spezialaufgaben müssen ja nicht mehr in allen Gemeindeämtern abgedeckt werden. Und es geht ja nicht nur um die Kosten, sondern es steckt ja eine Leistung dahinter. Mittel- bis langfristig werden wir durch das Entlastungspaket auch bei den Gemeinden auf einen guten Weg kommen. Das Ziel müssen daher Kooperationen sein.

Können Abgangsgemeinden auch wieder aus eigener Kraft aus dem Abgang herauskommen?
Da muss man prinzipiell vorsichtig sein. Abgangsgemeinde bedeutet ja nicht, dass die nicht wirtschaften können. Ein Teil davon ist ja das strukturelle Ausgangsszenario. Aber der größte Teil ist, welche Darlehensbelastung hat eine Gemeinde. Und man muss sich anschauen, welche Belastungen aus Krediten kann man einer Gemeinde zumuten. Den Ansatz muss man gesamtheitlich sehen. Die Summen, die hinter den Gemeinden stehen beim Budget sind wichtig, nicht die Zahl der Gemeinden, die ausgeglichen bilanzieren können. In gewissen Bereichen geht es aber nicht. Zum Beispiel wenn ich ein großes Gemeindegebiet, wenig Betriebe und Einwohner habe. Dann habe ich ja trotzdem die Aufwendungen für die Infrastruktur. Diese Gemeinden können es mit den Mitteln aus dem Finanzausgleich einfach nicht schaffen. Aus meiner Sicht wird es immer 50 und mehr Abgangsgemeinden geben.

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