Interview
Lorenz Potocnik: "Natürlich schwingt Wut mit"

Linz-plus-Spitzenkandidat Lorenz Potocnik ärgert sich über vieles in der Stadt, Wutbürger will er aber trotzdem nicht sein.  | Foto: BRS/Diabl
  • Linz-plus-Spitzenkandidat Lorenz Potocnik ärgert sich über vieles in der Stadt, Wutbürger will er aber trotzdem nicht sein.
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Alle Spitzenkandidaten im Interview – an einem Ort ihrer Wahl. Diesmal: Lorenz Potocnik von Linz-plus über Kümmerer, persönliche Angriffe, die Ostumfahrung, staatliche Eingriffe in der Klimakrise und seine Chancen bei der Wahl.

LINZ. Nach seinem Rauswurf bei den Neos tritt der ehemalige pinke Fraktionsobmann mit einer eigenen Liste zur Gemeinderatswahl an.  

Die Bürgermeister aus Wien und Innsbruck haben sich angesichts der dramatischen Entwicklung in Afghanistan bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. Wie sieht das ein Bürgermeister Potocnik?
Lorenz Potocnik: Das ist für mich eigentlich selbstverständlich. Die EU soll einen Schlüssel vorgeben, und dann nimmt Linz den prozentuellen Anteil. Bei Moria wären es 17 Menschen gewesen. Das ist eine Frage der humanitären Einstellung, gar nicht so eine politische. Abgesehen davon gibt es Gesetze dafür.

Sie haben den Südbahnhofmarkt als Interview-Ort ausgesucht. Warum?
Ich liebe den Südbahnhofmarkt. Das ist einer der schönsten und spannendsten Orte in der Stadt, wo verschiedene Kulturen, Milieus und auch das Umland durch die Marktstandler zusammenkommen. Das gefällt mir irrsinnig gut.

"In Linz hapert es vorne und hinten"

In Ihrem Programm kommt das Wort "kümmern" oft vor. Linz gilt aber als gut verwaltet. Braucht es da einen „Kümmerer Potocnik“?
Da muss ich widersprechen. Die Stadt ist nicht gut verwaltet. Es hapert vorne und hinten. Zum Teil werden simple Kernaufgaben wie Sauberkeit nicht erfüllt. Außerhalb der Innenstadt liegt der Dreck wochen-, wenn nicht monatelang. Die Parks und Grünflächen werden nicht ordentlich gepflegt. Es fehlen die Ansprechpartner. Es gibt ganz viele kleine, auch lästige Sachen, um die sich jemand kümmern muss. Die Hausmeister sind wegrationalisiert worden, die Straßenkehrer auch.

Man bekommt bei Ihnen den Eindruck, in Linz würde alles schieflaufen.
Wenn man ganz hinschaut, läuft auch alles schief. Wenn ich die selbstgesteckten Ziele der Stadtregierung ernst nehme, nämlich Lebensstadt, Klimahauptstadt, digitale Hauptstadt und was sonst noch so alles, dann klaffen die Realität und die Ansagen komplett auseinander. Da setze ich an. Ich möchte mich nicht am Durchschnitt messen, sondern mit den besten, mit Kopenhagen, Amsterdam, Tübingen, Barcelona und jetzt auch Paris. Linz hat das Potenzial. 

Gibt es ein größeres Bauprojekt der letzten Zeit, das auf Ihre Zustimmung gestoßen ist?
Ich finde für alles, was mit der Kinderbetreuung zu tun hat, kann man der Stadt uneingeschränkt ein Lob ausstellen. Die ILG (Immobilien Linz GmbH, Anm.) macht hier, auch was die Architektur betrifft, professionelle, gute Arbeit. Da kann Linz stolz drauf sein.

"Natürlich schwingt Wut mit"

Sind Sie ein Wutbürger, wie Ihnen Ihr ehemaliger Mitstreiter Felix Eypeltauer vorwirft?
Natürlich schwingt Wut mit über strukturelle Korruption oder Umwidmungen im Grüngürtel, damit das Aloisianum fünf Millionen Euro Gewinn macht. Ich bin wütend darüber, dass die Raika bedient wird und der XXXLutz dort hinkommt, wo er nicht hinkommen sollte. Ich bin wütend darüber, dass das Blau-Weiß-Stadion statt neun Millionen 30 Millionen kostet, die Stadt die ganzen Kosten und das Risiko tragen und der Bürgermeister dafür nie Verantwortung übernehmen muss. Ich bin wütend, wenn ich sehe, was für Potenzial liegen gelassen oder zerstört wird. Gleichzeitig bin ich aber ein konstruktiver Typ, der ständig nach Lösungen sucht.

Trotzdem greifen Sie den Bürgermeister mit deftigen Worten und auch persönlich an. Macht das eine Zusammenarbeit nach der Wahl nicht schwierig?
Ich spreche ja nicht von Klaus Luger, sondern von seinem Job, von seiner Rolle und die füllt er nicht aus, sondern macht schlechte Arbeit. Er bedient systematisch und viel zu oft einzelne, private Interessen, hat keine wirkliche Vorstellung, lügt und trickst. Das Donauparkstadion ist das beste Beispiel dafür. Das kritisiere ich mit aller Schärfe und bin offensichtlich der einzige, der den Mut hat, das so auszudrücken. Es ist ja auffällig, wie handzahm die Grünen unterwegs sind und ihren Job in Wirklichkeit nicht machen.

Sie sind gegen die Ostumfahrung. Wie sollen die LKW an Linz vorbeigeführt werden, wenn die Autobahn in Tschechien und damit die durchgehende Nord-Süd-Transitroute fertig ist?
Grundsätzlich haben wir ja eine Autobahn. Da staut es zu Stoßzeiten nicht wegen den vielen LKW, sondern wegen der Pendler. Wenn es einen Bypass braucht, eine Umfahrung, dann bitte eine echte Umfahrung und nicht so eine katastrophale Fehlplanung. Was wir jetzt haben, ist eine zweite Stadtautobahn, die uns der Hiesl (Franz, ehemaliger ÖVP-Landesrat, Anm.) aufs Aug´ gedrückt hat. Und die Stadtregierung kriegt den Arsch nicht hoch, bewegt sich nicht, tut nichts, behauptet zwar, dass sie dagegen kämpft, tut aber nichts. 

"Das Projekt ist vollkommen krank"

Die Ostumfahrung wird vom Land OÖ forciert. Was kann die Stadt Linz überhaupt dagegen tun?
Wir sind Eigentümer der Grundstücke und können auch durch Raumordnung und Flächenwidmung mitreden. Außerdem: Wenn sich die Stadt geschlossen gegen das Projekt auflehnt, würde der Bund es nie bauen. Dieses Projekt zerstört die Traunauen, die Nahrungsgebiete, den Schiltenberg, fährt durch dicht besiedeltes Gebiet, wo jetzt schon 20.000 Menschen wohnen, in Zukunft 30.000. Das ist vollkommen krank.

Als Ex-Neos-Politiker: Lässt sich die Klimakrise ohne Regulierungen oder Verzicht bewältigen, wie das Kanzler Kurz behauptet?
Das halte ich für Blödsinn, auch die Technikgläubigkeit von Klaus Luger. Wir müssen schlicht und einfach unseren Konsum reduzieren. Wir haben einen Ressourcenverbrauch, der vollkommen irre und für ein schönes Leben auch unnötig ist.

Durch Appelle?
Nein, da muss der Staat ganz sicher eingreifen. Da war ich auch bei Neos ganz anderer Meinung. Anreize sind gut, aber es braucht auch Druck, gerade was Mobilität betrifft oder das Ende der Zersiedelung. Das ist im Sinne der Allgemeinheit und da hätte ich keinerlei Skrupel. Ich würde Menschen, wenn sie Grundstücke in der Stadt haben, nach fünf Jahren zwingen zu bauen, um nachzuverdichten. Ich würde die Anrainerparkgebühren vervierfachen oder verzehnfachen. Ich würde den ruhenden Verkehr, so wie Kopenhagen, jedes Jahr um zwei Prozent reduzieren. Das geht nur mit Zwang. Auch die liberale Schweiz macht das nur so. Jeder, der glaubt, das geht nur mit Anreizen, ist entweder komplett naiv oder scheut den Konflikt.

Was kann eine Stadt wie Linz beitragen?
Wir sprechen in unserem Linz-plus-Programm vom Stadtklima. Ich würde den vollen Fokus auf die Erhaltung von großen Bäumen richten, den Schutz der Innenhöfe und des Grüngürtels. Und Straßen entsiegeln.

"Den schlimmsten Fußabdruck haben die Pendler"

Das betrifft die Anpassung an den Klimawandel. Was ist mit seiner Eindämmung?
Grundsätzlich leistet die Stadt, das Zusammenleben auf engem Raum, schon einen hohen Beitrag. Den schlimmsten Fußabdruck haben die Pendler in den Einfamilienhäusern im vermeintlich Grünen. Im Energiesektor könnten wir aber noch viel mehr leisten. Warum haben wir nicht auf sämtlichen Dächern Photovoltaikanlagen? 

Würden Sie als Bürgermeister die Linzer aufrufen, sich impfen zu lassen?
Nein, ich würde eine objektive, transparente Informationskampagne machen. Selber habe ich keine Sekunde gezögert.

Wie unterscheidet sich Linz-plus inhaltlich von den damaligen Neos unter Ihrer Führung?
Ich war ja bei Neos auch schon ein Sonderling, ein Querkopf. Insofern habe ich mich jetzt nicht ändern müssen. Ich habe den Eindruck, dass ich meine Arbeit unverändert fortsetze, mit dem Vorteil, dass ich mich freigespielt habe. Diese Unabhängigekit, die wir gewonnen haben, entpuppt sich immer mehr als Alleinstellungsmerkmal und Lustgewinn. Es ist einfach besser geworden.

"Möglich ist der Stadtsenat immer noch"

Ihr Ziel war immer ein Stadtsenatssitz. Sind Sie diesem Ziel durch den Bruch mit Neos näher gekommen?
Ich habe momentan kein klares Gefühl, wo wir landen könnten. Es ist einerseits ein kleines Neos-Fenster zugegangen, andererseits ist ein großes Fenster aufgegangen von Menschen, die Neos aus Prinzip nie gewählt hätten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dadurch ganz neue Wähler ansprechen. Möglich ist der Stadtsenat immer noch.

Was ist Ihr Wahlziel?
Mein persönliches Wahlziel sind 6,5 Prozent. Das ist realistisch und auf das hoffe ich sehr. Das sind vier Mandate. Mich würde es aber nicht überraschen, wenn wir der Überraschungssieger an diesem Abend sind.

Wen wählt Lorenz Potocnik eigentlich bei der Landtagswahl?
Ich weiß es noch nicht. Ich lasse es noch auf mich zukommen. Jemanden, der die Raumplanung und die Zusammenlegung der Gemeinden ernst nimmt.

Was machen Sie an Ihrem ersten Tag als Bürgermeister?
Ich würde mich mit den Umlandgemeinden und dem Landeshauptmann treffen, das Ziel der Zusammenarbeit unseres Ballungsraums ausrufen und nach wichtigen gemeinsamen Projekten suchen. Und ich würde 50 Straßenkehrer anstellen.

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