Politik Österreich / EU
Kanzler torpediert Solidargemeinschaft

Europa Justizia: Graffiti vor EZB (Europäische Zentralbank, Frankfurt). Dort sollte der Wiederaufbaufonds zusammenlaufen, zu Gunsten der europäischen Solidarität. | Foto: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3f/03-05-2014_-_Graffiti_near_European_Central_Bank_-_EZB_-_Frankfurt_Main_-_Germany_-_04.jpg
3Bilder
  • Europa Justizia: Graffiti vor EZB (Europäische Zentralbank, Frankfurt). Dort sollte der Wiederaufbaufonds zusammenlaufen, zu Gunsten der europäischen Solidarität.
  • Foto: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3f/03-05-2014_-_Graffiti_near_European_Central_Bank_-_EZB_-_Frankfurt_Main_-_Germany_-_04.jpg
  • hochgeladen von Joseph Hofmarcher

Gemeinschaftliche Union

In den heutigen Morgennachrichten war zu vernehmen, dass Kanzler Sebastian Kurz einen Gegenvorschlag zu dem von den beiden wirtschaftsstärksten EU-Ländern Deutschland und Frankreich soeben empfohlenen Wiederaufbau-Fonds liefern will. Damit schädigt er aber die europäische Einheit, indem er einen möglicherweise sinnvollen Vorstoß untergräbt. Noch im Februar dieses Jahres betonte Kurz die Wichtigkeit einer "geeinten Europäischen Union" und wie "schädlich" es sei, "wenn es Gräben innerhalb der Europäischen Union gibt."  

Eine gute Gelegenheit, um die ansprechend klingende "Anti-Schuldenpolitik" und den gerne strapazierten Willen zur "Deregulierung" zu hinterfragen. 

Der deutsch-französische Vorschlag

Ein Hilfs- bzw. EU-Wiederaufbau-Fonds von 500 Mrd. Euro wurde von Kanzlerin Angela Merkel (D) und Präsident Emmanuel Macron (F) erdacht. Nicht rückzahlbare Zuschüsse für besonders stark betroffene Länder wären der Vorschlag. So wird im Ö1 Morgenjournal vom 20.5.2020 berichtet.
Clemens Fuest, Professor für Volkswirtschaftslehre und Präsident des ifo, erklärt darin, dass sich der deutsch-französischen Vorschlag von den umstrittenen Eurobonds unterscheidet: "Es sind gemeinsame Schulden, allerdings: jedes Land haftet nur für einen Teil der Schulden. Bei den Eurobonds [hingegen] sollte jedes einzelne Land notfalls für die gesamten Schulden haften. Das ist ein wichtiger Unterschied." Es gehe um eine "Stärkung Europas verbunden mit europäischer Solidarität für Italien Spanien und co."

Schulden und Volkswirtschaften

Die USA gelten als die stärkste Volkswirtschaft der Welt. Dieser Staatenbund liegt in der Liste der 20 meistverschuldeten Länder im Mittelfeld. Japan ist mit Abstand die höchst-verschuldete Nation weltweit, ist aber die dritt-stärkste Volkswirtschaft!
Sind diese beiden hoch-verschuldeten Länder trotzdem auf dem Weltmarkt relevant? Sind sie etwa wie Argentinien oder Spanien von einem Staatsbankrott bedroht? 

Grundsätzlich gilt: Wenn jemand Gewinne erzielt, dann bedeutet das, dass jemand anders etwas verliert. Das ist im Großen wie auch im Kleinen so. Im Allgemeinden betrachtet, wurde das Prinzip Schulden bzw. Kredit dazu erfunden, damit Ideen (Unternehmen, Produkte, ...) verwirklicht werden können. Bei Privaten sei es das Eigenheim, welches über Jahrzehnte abbezahlt wird; praktisch werden Verbindlichkeiten in Raten (annähernd gleicher Höhe wie die Miete eines vergleichbaren Objektes) monatlich beglichen. Die Schulden werden auf Zeit bezahlt. Man erwirtschaftet sich Eigentum auf Schulden. Bei Staaten, Volkswirtschaften und auch bei Gemeinden sind es die Infrastruktur, das Sozialsystem, ..., der Wohlstand an sich, die zu großen Teilen (auf Schulden) vorfinanziert werden müssen.
Es ist höchst fahrlässig, dass gewisse Politiker und Wirtschaftslobbyisten allzu häufig den Kampf gegen Schulden ausrufen. Keine Schulden, bedeuten auch keine Entwicklung
Das drückt sich auch in der wirtschaftspolitischen Reaktion auf die Virus-Krise aus. Der Finanzminister tut gut daran, staatliches Geld zu verteilen, um die Unternehmen (große aber speziell die kleinen) als Wirtschaftsträger zu stützen und zu retten. "Trotz steigender Schulden sind Experten optimistisch". Noch besser wäre dazu Helikopter-Geld, weil dieses – direkt bei den Kleinen angekommen – unmittelbar wieder in Umlauf wäre. Geld ("das Blut der Gesellschaft") muss fließen, damit die Gesellschaft sich in Wohlstand entwickeln kann, und dass alle Grundbedürfnisse der Menschen gedeckt werden können. Aber das ist ein weiteres Kapitel...

Irrweg Deregulierung

Im zitierten Morgenjournal kam auch das Argument "Regulierung reduzieren" ein weiteres Mal aus des Kanzlers Munde. Der Abbau von Regeln und Gesetzen oder gar der Abbau des Staates oder der Staatengemeinschaften dient nicht den Bürgerinnen und Bürgern. Diese Forderungen kommen üblicherweise aus dem wirtschaftlichen und industriellen Lager. Wenn also Politiker nach Deregulierung rufen, dann kann davon ausgegangen werden, dass sie ihr Klientel aus Industrie und Wirtschaft bedienen (Lobbyismus). Dabei zeigt genau die Corona-Krise – speziell in den durch Sparpolitik ausgehungerten Ländern im europäischen Süden – als Gesundheitskrise  auf, dass  ein starker Sozialstaat weniger krisenanfällig sondern stabiler ist. Selbiges trifft auf die Wirtschaftskrise ab 2008 zu. Stets besteht das Risiko, dass ein Teil der Bevölkerung in die Armut abrutscht und dass die Schere zwischen Arm und Reich durch (gewollte oder ungewollte) Umverteilung größer wird. Wie ein sozialwirtschaftlich völlig deregulierter Staat aussieht, lässt sich in den Corona-Protesten in den Südstaaten der USA betrachten.

Fazit

Es ist einerseits wichtig, dass EU-weit gemeinsame Lösungen gefunden werden, um die Auswirkungen der Corona-Krise auch sozialpolitisch besser abzufangen. Dafür ist es andererseits wichtig, dass auch wir Österreicher unsere Nation nicht als unabhängige Insel betrachten. Wir gehören als relativ kleines Land, das auf Export und Tourismus eingestellt ist, zu den größeren Profiteuren aus dem Friedens- und Wirtschaftsprojekt Europa. Dessen sollten wir uns gerade in Krisenzeiten bewusst werden.

---
Weiterführende aktuelle Artikel zu "Corona-Bonds":
https://www.derstandard.at/story/2000116976774/verwirrung-um-corona-bonds
https://www.diepresse.com/5795196/corona-anleihen-warum-wir-sie-jetzt-brauchen

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

4:34

Fische sind Glückskinder des Monats
Horoskop – das sagen die Sterne im Mai

Wir sind angekommen, im Wonnemonat Mai. Ob es für die zwölf Sternzeichen wirklich romantisch wird, das wissen Astrologe Wilfried Weilandt und Astroshow-Moderatorin Sandra Schütz. Und diesmal mit dabei: Violinistin Barbara Helfgott. ÖSTERREICH. Auf den Mai freuen dürfen sich alle Fische, die zählen nämlich – mit 100 Prozent in sämtlichen Bereichen – zu den Glückskinder des Monats. Ein wenig mehr Geduld müssen hingegen die Krebse haben. Die sind zwar die Pechvogerl des Monats Mai, haben es im...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.