Gesundheit
Versorgung aufrechterhalten oder Angebot verbessern – was geht?
Älter werdende Bevölkerung, teurer medizinischer Fortschritt, häufigere chronische Erkrankungen und Personalmangel. Während laut dem oö. Ärztekammer-Präsidenten Peter Niedermoser mit Leistungseinschränkungen zu rechnen ist, soll das Angebot laut der zuständigen Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander verbessert werden. Etwa durch Primärversorgungseinheiten.
OBERÖSTERREICH. ""Mit Primärversorgungszentren schaffen wir ein attraktives wohnortnahes Angebot – für die Medizinerinnen und Mediziner und für die Patientinnen und Patienten. Die Zusammenarbeit in Primärversorgungseinheiten kann die gute medizinische Grundversorgung dauerhaft absichern. Damit entlasten wir zugleich die Spitalsambulanzen", zeigt sich Gesundheitslandesrätin Haberlander überzeugt.
Die zehnte Primärversorgungseinheit (PVE) ist diese Woche in Leonding in Betrieb gegangen. Damit nimmt Oberösterreich mit Wien eine Vorreiterrolle bei diesen Zentren ein, in denen mehrere Ärzte, Ordinationsassistentinnen, Pflegekräfte und weitere Gesundheitsberufe (Logopädie, Diätologie etc.) zusammenarbeiten. Das hat für Patienten gleich mehrere Vorteile: Längere Öffnungszeiten, kürzere Wartezeiten, breiteres Leistungsangebot und abgestimmte Betreuung durch die enge Zusammenarbeit zwischen den Berufen.
Weitere Primärversorgungszentren in OÖ geplant
Deshalb soll das Angebot an PVE weiter ausgebaut werden – konkrete Gespräche dazu laufen in den Regionen Schärding, Unteres Mühlviertel und Bad Ischl. In Linz soll ein spezielles Kinderzentrum als Pilotprojekt geschaffen werden, so die zuständige Landesrätin, Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander. Die PVE sind eine Reaktion auf die Herausforderungen im Gesundheitssystem, und kommen vor allem auch der Forderung vieler junger Ärztinnen und Ärzte nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegen.
Während Haberlander aber als Ziel für Oberösterreich definiert, "die Versorgung weiter zu verbessern, mit genauer auf die Bedürfnisse der jeweiligen Patientinnen und Patienten abgestimmten Maßnahmen, die gleichzeitig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem entlasten sollen", gibt sich Oberöstereichs Ärztekammer-Präsident Peter Niedermoser skeptischer:
Nicht mehr alle Leistungen zu jeder Zeit
"Die wichtigste Aufgabe im Rahmen der mangelnden menschlichen Ressourcen im Pflege- und medizinischen Bereich ist, die Versorgung aufrecht zu erhalten. Wir müssen uns in Zukunft aber fokussieren und können nicht mehr wie bisher zu jeder Tages- und Nachtzeit alle Leistungen auf den Punkt bieten", so Niedermoser. Das betrifft etwa auch den Hausärztlichen Notdienst (HÄND). Oberösterreich war bisher das letzte Land mit einer Rund um die Uhr-Versorgung. Künftig wird der HÄND nur noch bis 23 Uhr im Einsatz sein. Danach könnten etwa telefonische Beratung oder Telemedizin per Videoanruf angeboten werden – "mit Fachkräften und Ärzten im Hintergrund. Natürlich braucht es für solche Modelle wieder das E-Rezept, das sehr gut funktioniert hat. Der Bund hat also viel zu tun", so Niedermoser.
53 Landärzte fehlen
Laut ihm fehlen alleine in Oberösterreich derzeit 53 Ärzte im niedergelassenen Bereich, hauptsächlich Allgemeinmediziner: "Die ÖGK ist sehr gefordert, endlich die Versorgung im niedergelassenen Bereich zu sichern. Durch die Zentralisierung ist ja aus Oberösterreich viel Geld abgezogen worden, 500 Millionen Euro der oberösterreichischen Beitragszahler, die für eine bessere Versorgung in unserem Bundesland vorgesehen waren, sind in Wien verschwunden."
Alternde Bevölkerung
2035 werden laut der Gesundheitslandesrätin um die Hälfte mehr Über-65-Jährige in Österreich leben als jetzt – und um 40 Prozent mehr Über-80-Jährige. Dies sei mit deutlichen Kostensteigerungen verbunden – Beispiel: "Die Zahl der Leistungen in Zusammenhang mit Hüftprothesen hat sich von 2012 bis 2021 um rund 14 Prozent erhöht, in Zusammenhang mit dem Grauen STar sogar um 28 Prozent", so Haberlander.
Gerade eine alternde Bevölkerung brauche die Versorgung vor Ort und deshalb den Ausbau des niedergelassenen Bereichs, "der ja von der Politik seit Jahren immer versprochen wird", so der oö. Ärztekammer-Präsident. Krankenhausambulanzen dürften jedenfalls nicht mehr die erste Anlaufstelle sein – "sie sind für Notfälle und die Vor- und Nachbetreuung von Spitalsaufenthalten gedacht".
Vorrang für 1450-Anrufer in Ambulanz
Genau auf die richtige Patientenlenkung zielt laut Haberlander ein 2022 in Ried und am Kepler Uniklinikum gestartetes Pilotprojekt ab, das nach Prüfung der Ergebnisse auf ganz Oberösterreich ausgerollt werden soll: Patienten, die zuerst per Telefon unter 1450 Rat eingeholt und von dort an eine Spitalsambulanz verwiesen wurden, sollen dort schneller behandelt werden als jene, die mit denselben Symptomen aber ohne vorherigen Anruf bei 1450 in die Ambulanz kommen.
Gesundheitswissen der Bevölkerung stärken
Um das Gesundheitssystem zu entlasten, hat das Land OÖ das Stärken der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung als Ziel 1 seiner Gesundheitsziele definiert: "Wenn wir den Menschen die richtige Hilfe zur richtigen Zeit am richtigen Ort zukommen lassen, hilft das auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Wir werden noch früher, schon bei den Kindern, beginnen, die Gesundheitskompetenz zu stärken, etwa in der Anleitung zur Eigenversorgung."
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