„Naturzerstörerische Projekte genehmigt“
Neue „Umweltallianz“ übt harte Kritik an Landespolitik

Am Podium v. l.: Franz Maier (Präsident Umweltdachverband), Martin Donat (Oö. Umweltanwalt), Herbert Jungwirth (Landesnaturschutzreferent Alpenverein) und Christian Dornauer (Landesgeschäftsführer Naturfreunde). | Foto: BRS
  • Am Podium v. l.: Franz Maier (Präsident Umweltdachverband), Martin Donat (Oö. Umweltanwalt), Herbert Jungwirth (Landesnaturschutzreferent Alpenverein) und Christian Dornauer (Landesgeschäftsführer Naturfreunde).
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Umweltanwaltschaft, Umweltdachverband und Alpinvereine schließen sich zu einer „Umweltallianz“ zusammen. Sie verlangen eine Revision der Energie-, Tourismus-, Raumordnungs- und Naturschutzpolitik des Landes OÖ und legen einen Aktionsplan für einen dringend erforderlichen Neustart vor.

OÖ. Aus sicht der „Umweltallianz“, bestehend aus Umweltanwaltschaft, Umweltdachverband Alpenverein und Naturfreunden, hat das Land Oberösterreich in den vergangenen Monaten mehrere „rechtlich problematische sowie eklatant naturzerstörerische Projekte“ genehmigt – das aktuelle Umwelt-Sündenregister sei länger als in jedem anderen Bundesland. Mehrere dieser umstrittenen Projekte seien inzwischen gerichtlich wegen Rechtswidrigkeit gestoppt, oder von Prüfinstanzen wie dem Bundes- oder Landesrechnungshof „schwer gerügt“ worden. Das Campingresort in Hinterstoder, das Betriebsbaugebiet in Ohlsdorf, der Netzeinspeisungsstopp wegen fehlender Netzkapazitäten in mehreren oö. Regionen und die Gasbohrung in Molln sind nur die bekanntesten genannten Beispiele.

„Schluss mit Scheinnaturschutz“

„Es muss Schluss sein mit dem Scheinnaturschutz in Oberösterreich. Wenn in Schutzgebieten der Skitourismus Vorrang hat, verdient der Naturschutz seinen Namen nicht mehr“, so Oö. Umweltanwalt Martin Donat. Es sei Aufgabe der Landespolitik EU-Naturschutz-Richtlinien auch beim Artenschutz rechtskonform anzuwenden und die rechtsverbindliche Alpenkonvention umzusetzen. Auch zum Reizthema Flächenverbrauch äußert sich Donat: „Der Widerstand Oberösterreichs gegen die nationale Bodenstrategie und eigene verbindliche Ziele ist unverantwortbar. Das Netto-Null-Ziel muss bis zum Jahr 2030 verbindlich verankert werden. Das heißt, dass zu diesem Zeitpunkt weiterer Flächenverbrauch nur dann möglich ist, wenn gleichzeitig Flächen im selben Ausmaß renaturiert und entsiegelt werden“.

Repowering vor Neubau und Energiesparen

Beim Thema erneuerbare Energie präferiert die Allianz einen verstärkten Ausbau der Photovoltaik auf bereits genutzten Flächen wie Dächern, Parkplätzen und Deponien klar gegenüber neuen Wind- und Wasserkraft-Projekten. Bei letzeren beiden Formen der Energiegewinnung verortet man große Potenziale im sogenannten Repowering, also in der Effizenzsteigerung durch Modernisierung. In jedem Fall verwehrt man sich gegen neue Waldrodungen und Flächenversiegelungen – auch wenn es um den Ausbauer erneuerbarer Energien geht – und fordert damit eine „naturverträgliche Energiewende“. Klar ausgesprochen wird, dass eine allgemeine Reduktion des Energieverbrauchs unumgänglich sei. 

„Erweiterung des Nationalparks Kalkalpen dringlicher denn je“

„27 Jahre nach Gründung des Nationalparks Kalkalpen ist es heute dringlicher denn je, die gesetzlich festgelegte Erweiterung des Nationalparks um das Gebiet der Haller Mauern, das Warscheneck und um das Tote Gebirge endlich umzusetzen. Gerade in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise ist die Stärkung des Schutzgebietsverbundes mit dem Nationalpark Gesäuse und dem Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal enorm wichtig“,

sagt Herbert Jungwirth, Naturschutzreferent im Alpenverein OÖ und Mitglied im Nationalpark-Kuratorium. 

„Rückwärtsgewandte Energiepolitik verhindert Energiewende“

„Auch in Sachen Energiepolitik schrillen die Alarmglocken: Die Energiefrage ist eine zentrale standortpolitische Frage. Die rückwärtsgewandte Energiepolitik in Oberösterreich, die fossile Energie aktiv fördert, den Netzausbau bis dato blockiert und kein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Energieeffizienz entwickelt hat, verhindert die notwendige naturverträgliche Energiewende. Wir fordern den sofortigen Stopp sämtlicher Gasbohrungspläne in der Nationalpark-Region, den raschen Ausbau der Photovoltaik und ein breitgefächertes Energiespar- und Effizienzprogramm“,

betont Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes. 

„Ausbaugrenzen des technisierten Skitourismus längst erreicht“

„Angesichts der Klima- und Naturkrise sind die Endausbaugrenzen des technisierten Skitourismus längst erreicht. Wir verlangen eine Umorientierung hin zu einem zukunftsfähigen Ganzjahrestourismus, der ohne Naturzerstörung auskommt. Wir brauchen eine neue Kultur des Tourismus, die sich auf die natürlichen Qualitäten des Alpenraums bezieht. Gerade die Pyhrn-Priel-Region verzaubert mit ihrer landschaftlichen Vielfalt. Diese gilt es – durch eine sanfte Entwicklung des Tourismus mit Rücksichtnahme auf die Natur – zu erhalten“,

erklärt Christian Dornauer, Landesgeschäftsführer der Naturfreunde OÖ.

Die Vorwürfe im Detail

  • Wirkungslose Raumordnung und zahnloser Naturschutz: Beispiele Campingplatz in Hinterstoder, Hotelwidmung in Ulrichsberg, Hotel-Umwidmung zu Zweitwohnsitzen in Hinterstoder
  • Kein politisches Bewusstsein für Bodenschutz: Widerstand Oberösterreichs gegen nationale Bodenstrategie, Vorkommnisse in Ohlsdorf
  • Blockade von Energiewende und Netzausbau: Boom um Photovoltaik-Anlagen verschlafen, Stopp für Netzeinspeisung in sieben OÖ Regionen wegen fehlender Kapazitäten
  • Rückwärtsgewandte Wintertourismus-Politik: Enormer Ausbau der Wurzeralm im bestehenden Naturschutzgebiet, die Förderquote liegt bei 60 %
  • Förderung fossiler Energien: Naturschutzrechtliche Genehmigung der Gasbohrung in einem der höchstwertigen Naturgebiete Österreichs
  • Kein politisches Bewusstsein für Energieeffizienz: Aktivitäten, Projekte oder Förderungen zum Energiesparen verschlafen, zeitgemäße Mobilitätskonzepte für den Tourismus- und Freizeitverkehr fehlen
  • Schwächelnder Landschaftsschutz: Bedenkliche Hotel- und Chaletprojekte: Beispiele Wolfgangsee, Hallstättersee, Dachstein, Hinterstoder, Offensee, Langbathsee

Die Forderungen im Detail

  • Schutzgebiete müssen schützen (Negativ-Beispiel Wurzeralm)
  • Rechtskonforme Anwendung der EU-Naturschutz-Richtlinien in Verfahren, Kompensationsmaßnahmen im Artenschutz auch im Rahmen von Bauprojekten (vgl. AAD – Animal-Aided Design)
  • Potenziale eines naturverträglicheren Bauens heben (Ökologie auf Betriebsflächen)
  • Umsetzung der rechtsverbindlichen Alpenkonvention
  • Naturschutz muss auch für Forstwirtschaft und Jagd umgesetzt werden:
  • Kein Forststraßenbau in Naturschutzgebieten
  • Naturwaldzellen als Ausgleich für neue Forstwege
  • Ökologische Mindeststandards für den Forstwegebau (Wasser-Retentionsbereiche, landschaftsverträglicherer Bau, Maßnahmen zur Förderung des Bodenverbunds)
  • Keine Waldrodungen für PV-Projekte
  • Grünvorlage im gesamten Rotwildgebiet
  • Radikalreduktion des Schalenwilds auf waldgerechte Bestandszahlen und Phasing-out von Wildfütterungen
  • Schutz der Nachtlandschaften durch zeitgemäße Beleuchtung
  • Landschaftsgerechtes Bauen, erhöhte Wohnbauförderung für Holzbau ab dem 2. Obergeschoß, landschaftsbezogene Bebauungspläne, auch für Gewerbebauten (es kann traditionsbezogen und doch modern sein und muss nicht jodeln)
  • Landschaftsschutz bei großvolumigen Bauten nicht unter den wirtschaftlichen Tisch fallen lassen
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