100 Euro Verwaltungsstrafe für
"Schau, da Nazi kauft se an Döner beim Türken"
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat ein Polizist Mitte Mai in Steyr eine Verwaltungsstrafe gegen eine Gegendemonstrantin bei der Veranstaltung "Remigrationstour" der als rechtsextrem eingestuften Gruppierung "Die Österreicher" ausgestellt. Das Vergehen der Frau: Sie habe mit der Aussage "Schau, da Nazi kauft se an Döner beim Türken" den öffentlichen Anstand verletzt.
STEYR. Die Gruppierung "Die Österreicher" soll vom Kopf der Identitären, Martin Sellner, zusammen mit anderen Aktivisten gegründet worden sein. Der Journalist Michael Bonvalot, der immer wieder Aufmärsche rechtsextremer Gruppen dokumentiert und dabei auch attackiert wird, hat auf Twitter die Strafverfügung gegen die Gegendemonstrantin veröffentlicht und schreibt: "Eine Frau in Steyr protestiert gegen eine Kundgebung der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Ein Teilnehmer behauptet eine Beschimpfung durch die Frau. Geht die Polizei eigentlich nichts an. Dennoch gibt die Polizei 100 Euro Geldstrafe. Was ist mit der Polizei in Oberösterreich los?"
Eine Frage, die unter dem Post viele Reaktionen auslöst – darunter auch vom Kabarettisten Lukas Resetarits, der für sein Engagement gegen Rechtsextremismus bekannt ist:
Die Polizei hat gegenüber der BezirksRundSchau die Echtheit der Strafverfügung bestätigt. Diese sei vom Polizeikommissariat Steyr ausgesprochen worden. Da noch Rechtsmittel dagegen eingelegt werden könnten, sei das Verfahren nicht abgeschlossen, deshalb könne auch keine inhaltliche Stellungnahme dazu abgegeben werden. Es habe jedoch bei der angemeldeten "Remigrationstour" eine Gegenversammlung gegeben, deren Verantwortliche wegen Störung angezeigt worden sei.
Laut Kurier hat Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl die Verwaltungsstrafe verteidigt und auf die Möglichkeit hingewiesen, dass dagegen Einspruch erhoben werden könne. "Seitens der Polizei wird jedenfalls betont, dass die Aussage 'dienstlich wahrgenommen' wurde, während die betroffene Frau betont, dass bei dem Gespräch keine Polizei anwesend gewesen sei", heißt es im Onlinebericht.
Laut Bonvalot werde die Gegendemonstrantin gegen die Strafverfügung jedenfalls Einspruch erheben – so wie auch andere Antifaschistinnen, die für Gegendemos im Juni "dubiose Verwaltungsstrafen von bis zu 300 Euro" erhalten hätten, weil sie gegen "die neofaschistische Gruppe Identitäre" protestiert hatten.
"Wie wenn wer auf die Straße pinkelt"
Die BezirksRundSchau hat sich rechtlich erkundigt, ob die Aussage der Frau, "Schau, da Nazi kauft se an Döner beim Türken", eine derartige Strafverfügung rechtfertige? Grundsätzlich ja – es gehe um eine Verwaltungsstrafe wegen Verletzung des öffentlichen Anstands: "Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet", heißt es im Gesetz. Die Aussage der Frau sei also vom Polizisten gleich eingeordnet worden, "wie wenn wer auf die Straße pinkelt", so ein Anwalt.
Kritik an oberösterreichischer Polizei
Der Umstand, dass Demonstranten gegen Veranstaltungen der als rechtsextrem eingestuften Identitären mit Verwaltungsstrafen belegt werden, zieht in Sozialen Medien Vorwürfe gegen die oberösterreichische Polizei nach sich, zumal deren Umgang mit der rechtsextremen Szene erst Mitte Juli für Aufsehen gesorgt hatte: Im Freibad Braunau hatte ein Mann offen seine Nazi-Tattoos zur Schau gestellt. Ein bayrischer Polizist, der zu Gast im Freibad war, meldete dies der Polizei. Die zwei alarmierten Beamten machten laut Aussage von Zeugen aber keine Anstalten, einzuschreiten, und betraten nicht einmal das Freibad.
Innenministerium ermittelt gegen Polizisten
Ob es dienstrechtliche Konsequenzen für sie gibt, ist noch nicht bekannt. Eine Anfrage der BezirksRundSchau an die Polizeidirektion Oberösterreich wurde ans Innenministerium verwiesen. Von dort heißt es:
"Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) ermittelt über Auftrag der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis zum gegenständlichen Sachverhalt. Das Ermittlungsverfahren ist laut Gesetz nicht öffentlich, weshalb hierzu keine weiteren Auskünfte erteilt werden können. Jede Anzeigeerstattung an das BAK wird geprüft und entsprechend den Vorgaben des BAK-G (Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung) behandelt. Bei Unzuständigkeit aufgrund des Deliktkataloges (§ 4 BAK-G) oder Vorliegen sonstiger Voraussetzungen (geregelt in § 6 BAK-G) wird der Sachverhalt der jeweiligen zuständigen Sicherheitsbehörde übertragen. In allen Fällen werden entsprechend der Strafprozessordnung durch das BAK oder die zuständige Sicherheitsbehörde, Berichte an die sachlich und örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften erstattet, die über die weitere Vorgehensweise entscheiden."
Mann mit Nazi-Tattoos verhaftet
Nach dem öffentlichen Aufschrei, ausgelöst durch den Exklusivbericht der BezirksRundSchau über die Untätigkeit der Polizisten, konnte der Verdächtige rasch ausgeforscht werden:
Es handelt sich um einen 32-jährigen Österreicher aus dem Bezirk Braunau mit einschlägigen Vorstrafen. Bei der durchgeführten Untersuchung stellte die Polizei die verdächtigen Tätowierungen am Körper des Mannes fest. Die Staatsanwaltschaft Ried ordnete in Folge die Festnahme des 32-Jährigen an, er befindet sich seither in der Justizanstalt Ried.
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