OÖ. Millitärkommandant Muhr im Interview
"800 Millionen Euro nur für Standort Hörsching"

Dieter Muhr ist seit 2020 Militärkommandant von Oberösterreich. | Foto: BRS/Siegl
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Dieter Muhr ist seit 2020 Militärkommandant in Oberösterreich. Im Interview mit der BezirksRundSchau spricht er über Sicherheitspolitik, Konsequenzen des Ukraine-Kriegs, hunderte Millionen schwere Investitionen, Flieger, Panzer und warum seit 2022 für die Truppe alles anders ist. 

Interview: Thomas Kramesberger

Was hat sich sicherheitspolitisch seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine für Österreich verändert?
Muhr: Die sicherheitspolitische Welt hat sich komplett gewandelt. Die Hypothese, wonach Europa und Österreich sicher wären und es am europäischen Kontinent keine Kriege mehr gäbe, – die ist zerbrochen. Und die Einschätzung, dass Diplomatie und Außenpolitik alles regeln können und man mit Wirtschaftssanktionen jedem Aggressor Einhalt gebieten kann – auch das hat sich als falsch herausgestellt. Die Lage ist instabil, man weiß nicht was Russlands Präsident morgen einfällt. Aber es ist nicht bloß eine militärische Auseinandersetzung, was wir sehen ist hybride Kriegsführung. Russland greift die Gesellschafft, Politik, Kommunikationswege, Energieversorgung und die öffentliche Meinung an – außerdem versucht man Wahlen zu beeinflussen und die Solidarität des Westens zu unterminieren. Und mit dem Terror der Hamas und dem Krieg in Israel wird die Situation nicht besser. Man darf auch die Migrationsthematik nicht vergessen, Russland hat Stützpunkte in Syrien oder Libyen errichtet, das soll Europa noch mehr Probleme bereiten. Außerdem wird versucht, die Solidarität der Europäer untereinander zu konterkarieren, indem man gewisse politische Richtungen unterstützt. Und oben drauf gibt es noch die Drohung mit den Atomwaffen. Alles das hat die sicherheitspolitische Situation komplett verändert.

Was heißt das nun für Österreich?
Wir brauchen in allen Bereichen eine umfassende Landesverteidigung, wir brauchen ein Bedrohungsbewusstsein. Es muss wieder einen abhaltenden Wehrwillen geben, damit ein Aggressor gar nicht auf die Idee kommt, Österreich anzugreifen, weil wir bereit sind, uns dagegen zu wehren. Es gibt aber auch ein größeres Bild: Nachrichten verifizieren und nicht Fake News nachlaufen, auf die Lieferketten achten, Bevorratungen machen, Energieversorgung und Kommunikationsnetze absichern, und in der Gesellschaft das Gemeinschaftliche und nicht das Trennende suchen. All diese Aspekte sind für die umfassende Landesverteidigung relevant.

Eine Konsequenz des Ukraine-Kriegs war, dass das Bundesheer mehr Geld bekommt. Wofür werden die zusätzlichen Mittel in Oberösterreich verwendet?
Wir stehen am Beginn einer Entwicklung, aber die ersten Schritte der „Mission vorwärts“ sind schon getan. Aber um das alles aufzubauen, was wir uns vorgenommen haben, dauert es mehr als zehn Jahre. In Oberösterreich wird zunächst Infrastruktur und Logistik auf Vordermann gebracht, also es werden die Kasernen saniert und auf den neuesten Stand gebracht.

Foto: BRS/Siegl

Können Sie ungefähr sagen, wieviel in Oberösterreich in den nächsten Jahren investiert wird?
Das Bundesheer ist eine Bundesorganisation, deshalb ist nicht alles genau zuzuordnen. Aber allein am Standort Hörsching gehen wir von Investitionen in der Höhe von 800 Millionen Euro in den nächsten 15 Jahren aus – nur für die Infrastruktur.

Also da sind die neuen Flugzeuge noch nicht eingerechnet?
Nein, denn die geplanten vier Transportflugzeuge kosten 160 Millionen Euro pro Stück. Darüber hinaus kommen 24 Jet-Trainer, also Unterschall-Kampfflugzeuge, inklusive Simulationszentrum und Logistik. Dafür müssen wir neue Werften und Hangars bauen, und die Startbahn muss erneuert werden. Außerdem kommen neue Black Hawks – die werden wahrscheinlich auch in Hörsching stationiert. Zudem werden bewaffnete Kampfdrohnen kommen, eine weitere Panzerpionierkompanie, Experten für Electronic Warfare und Fliegerabwehr – und Eurofighter werden für bestimmte Zeit auch hier stationiert. Die ersten Baumaßnahmen beginnen jedenfalls schon im kommenden Jahr. Es wird in Hörsching die nächsten zwölf bis 14 Jahre eine große Baustelle geben. Aber es ist nicht das einzige Großprojekt in OÖ: In Wels bauen wir ein Logistiklager für 24.000 Paletten, ein neues Simulationszentrum für Panzer, neue Panzerwerkstätten und vieles mehr.

Und in Ried?
Da wird die ganze Kaserne neu hergerichtet und 30 bis 40 Millionen Euro investiert. Zudem werden alle Ulan- und Leopard-Panzer modernisiert. Außerdem werden Pandur-Panzer angeschafft – und bei all dem spreche ich noch gar nicht von Sky Shield (Raketenabwehr, Anm.) wovon möglicherweise ein Teil auch in Oberösterreich zu finden sein wird.

Ab wann werden die neuen Transportmaschinen am Rollfeld stehen?
Wenn alles nach Plan läuft, könnte 2027 das erste Flugzeug kommen. Wir werden also mit den Vorbereitungsarbeiten Vollgas geben müssen. Was Sie jetzt in Hörsching sehen, ist quasi noch die Ruhe vor dem Sturm.

Foto: BRS/Siegl

Der Rechnungshof hat in seinem Prüfbericht kritisiert, dass Assistenzeinsätze viel Personal binden würden. Fehlen die Soldaten dann anderswo?
Ja, die Assistenzeinsätze sind notwendig und müssen gemacht werden, weil das Migrationsthema einfach da ist. Aber wenn man das Bundesheer wieder auf die Beine bringen will, dann muss man die Soldaten ausbilden und auf die neuen Geräte schulen. Das steht bis zu einem gewissen Grad im Widerspruch dazu, dass die Soldaten an der Grenze stehen. Das ist ein Spannungsfeld das klar identifiziert wurde. Deshalb steht im Landesverteidigungsbericht, dass man in Zukunft sehr sorgsam mit den Aufrufen des Bundesheeres zu Assistenzeinsätzen sein muss und die Auswirkungen auf die Weiterentwicklung des Bundesheeres berücksichtigen muss.

Können Sie mit neuen Flugzeugen, Panzern und Co. leichter Berufssoldaten rekrutieren?
Ja, sicher, das merken wir schon. Es ist natürlich leichter, Piloten für Hubschrauber zu finden, wenn die modernsten Modelle angekauft werden. Aber es wird trotzdem in den nächsten Jahren Begleitmaßnahmen brauchen, da wir mit der Wirtschaft um Personal konkurrieren.

Es gab zuletzt auch Kritik des Rechnungshofs am Zustand der Panzergrenadierbrigade, die in OÖ stationiert ist. Was sagen Sie dazu?
Dieser Bericht umfasst die Jahre 2013 bis 2022, bis vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Aber ja, stimmt, das war so. Die Missstände, die dort beschrieben sind, wurden erkannt und abgestellt. Aber man darf nicht vergessen, dass das Bundesheer auf einem heruntergefahrenen Zustand war. Ich möchte aber gar nicht mehr so viel über die Vergangenheit nachdenken, wir sind in der „Mission vorwärts“ und in den Planungen für die Zukunft.

Früher war das Bundesheer quasi Möglichmacher mit kleinem Budget. Wie ist das jetzt, nachdem der Geldhahn aufgedreht wurde?
Wir sind das eigentlich noch immer, wir drehen jeden Cent um. Speziell in Oberösterreich bauen wir so, wie die Kostenvoranschläge sind und teilweise sogar billiger.

Ist die Wertigkeit des Bundesheeres in der Bevölkerung angekommen?
Ja, total, das merken wir überall. Jeder mit dem ich spreche sagt: Ihr verdient das, zaht’s an! Das Vertrauen der Bevölkerung ist echt irrsinnig groß und das Bundesheer wird als Lösung in unsicheren Zeiten gesehen, um einen militärischen Aggressor fernzuhalten und darüber hinaus noch viele andere Sachen, wie etwa die Assistenzeinsätze, zu machen.

Dieter Muhr ist seit 2020 Militärkommandant von Oberösterreich.  | Foto: BRS/Siegl
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Ab wann ist das österreichische Bundesheer wieder in der Lage, das Land militärisch zu verteidigen?
Es kommt immer auf das Bedrohungsszenario an – auf das in der Vergangenheit angenommen Szenario waren wir immer vorbereitet. Aber nun gelten neue Rahmenbedingungen. In zwei bis zweieinhalb Jahren stehen die ersten schnellen Reaktionskräfte, das sind drei Bataillone, die man rasch an die Grenze verlegen kann. Zwischen 2024 und 2028 soll deren Stärke auf ein bis zwei Brigaden hochgefahren werden. Der Kampfwert dieser Verbände steigert sich durch Nachtkampffähigkeit, neue Waffensysteme, vernetzte Kriegsführung, und vieles mehr. Und die Luftstreitkräfte muss man auch noch bedenken. Nach dem Jahr 2032 sollen wir dann, mit unserem Mobilmachungsrahmen von 55.000 Soldaten und einer modern ausgestatteten Truppe, einen viel höheren Kampf- und Einsatzwert haben, als ein möglicher Aggressor.

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