Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer
"Bin gegen den Begriff Zuwanderungsland"

Der Linzer Wolfgang Hattmannsdorfer (41) ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. | Foto: Land OÖ/Grilnberger
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  • Der Linzer Wolfgang Hattmannsdorfer (41) ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
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Wolfgang Hattmannsdorfer war acht Jahre lang Landesgeschäftsführer der ÖVP Oberösterreich. Seit 23. Oktober ist er Landesrat für Soziales und Integration in der Neuauflage der schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich.

Was unterscheidet einen schwarzen Sozial-Landesrat von einer roten Sozial-Landesrätin?
Hattmannsdorfer: Es geht uns darum, christliche Sozialpolitik in Oberösterreich zu machen und da gibt es zwei Prinzipien: Das klare Bekenntnis zur Eigenverantwortung und die Solidarität mit jenen, die sich nicht selbst helfen können. Also es gibt einen ideologischen Unterschied vom Politikmachen und vom Politikzugang her.

Sie haben in der Vergangenheit immer wieder scharfe Kritik an der Führung des Sozialressorts geübt. Was möchten Sie anders machen?
Ich habe eine klare Vorstellung, was die Schwerpunkte in der Sozialpolitik sein müssen. Man muss sich endlich mit dem Thema Demenz auseinandersetzen und ebenso mit dem Bürokratieabbau in der Pflege. Generell müssen sich diejenigen, die unser Land aufgebaut haben, darauf verlassen können, in Würde alt zu werden. Darüber hinaus dürfen sich Menschen mit Behinderungen darauf verlassen, dass die Gemeinschaft für sie da ist. Deshalb werden wir den Ausbau der Behindertenheimplätze fortsetzen und jedes Jahr 100 Plätze für Menschen mit Behinderungen zusätzlich schaffen.

Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass im Sozialbereich mehr Geld nötig ist. Um wie viel soll das Budget steigen?
Das Soziale kostet aufgrund des demografischen Wandels einfach Geld. Aber gerade in einem Wirtschaftsbundesland wie Oberösterreich braucht es eine starke Sozialpolitik. Deshalb wird es für die Sozialpolitik eine entsprechende budgetäre Ausstattung geben.

Jetzt könnte man sagen: Der Hattmannsdorfer hat es viel einfacher und wird vom Stelzer viel mehr Geld kriegen als Birgit Gerstorfer (SPÖ).
Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Es gibt eine Gesamtverantwortung, es ist schließlich das Geld der Steuerzahler. Unsere Verantwortung im Sozialressort ist es, dass jeder Cent, den wir einsetzen, bei den Betroffenen ankommt – das Geld darf nicht in irgendwelchen Overheads versickern.

Wolfgang Hattmannsdorfer ist Landesrat für Soziales, Integration und Jugend. | Foto: Land OÖ/Grilnberger
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Werden jetzt eigentlich alle laufenden Projekte des Sozialressorts neu evaluiert?
Grundlage meiner Arbeit ist das Regierungsprogramm, in dem ein sehr umfassendes Sozial- und Pflegekapitel drinnen ist. Und ja, ich werde mit allen in meiner Zuständigkeit das aktuelle Leistungsportfolio anschauen – also hinhören und zuhören, was die Mitarbeiter in der Sozialabteilung und die Partner im Sozialbereich, wie etwa das Rote Kreuz, sagen.

Um nur zwei Beispiele herauszugreifen: Das geplante Demenz-Zentrum im Zentralraum und die Anstellung pflegender Angehöriger bleibt?
Als ÖVP-Sozialsprecher habe ich gefordert, dass es solche Demenz-Zentren in jedem Bezirk geben soll. Birgit Gerstorfer hat nur eines im Zentralraum geplant, das bleibt natürlich. Aber es ist ja unzumutbar, aus entlegenen Regionen Oberösterreichs jeden Tag mit einem Demenz-Patienten nach Linz zu fahren.

… und die Anstellung pflegender Angehöriger wird beibehalten?
Es gibt ja derzeit nur ein Pilotprojekt, das werden wir durchführen. Im Anschluss werden wir dieses Modell bewerten. Ich habe immer gesagt, dass ich mir das Modell der Anstellung im Behindertenbereich vorstellen kann. Aber ich denke nicht, dass es ein Modell für den Altenpflegebereich ist.

Das große strukturelle Thema in der Pflege sind die komplexen Finanzierungsstrukturen mit Sozialhilfeverbänden und Dutzenden Trägern. Muss da nicht eine Vereinfachung kommen?
Einer meiner ersten Termine wird mit dem Gemeinde- und Städtebund sein. Ich habe bereits mit Hans Hingsamer und Klaus Luger gesprochen, dass wir uns zusammensetzen. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung und wir werden das Pflegesystem zukunftsfit aufstellen.

Der Pflege als Beruf mangelt es seit Jahren an Attraktivität, speziell mit der Corona-Krise haben sich viele Mitarbeiter verabschiedet. Muss man den Pflegekräften nicht mehr bezahlen?
Das Gehalt ist ein Aspekt, aber nicht alles. Wir müssen ebenso schauen, dass wir Umsteiger für den Sozialbereich gewinnen und junge Menschen begeistern, eine Karriere im Pflegebereich zu starten. Dafür braucht es eine Entrümpelung der Ausbildung, damit es auch für einen 40-Jährigen interessant ist, so eine Ausbildung zu machen. Und was junge Menschen betrifft, braucht es ein attraktives Einstiegsalter. Denn derzeit ist es so: Wenn man die Pflichtschule absolviert hat, kann man nicht im Sozialbereich starten, da es ein höheres Einstiegsalter gibt. Das führt dazu, dass sich junge Menschen woanders einen Job suchen.

Zur Integration: Was ist die größte Baustelle in diesem Bereich?
Es wird für mich eine zentrale Leitlinie geben und die heißt „Integration durch Deutsch“. Wir müssen verhindern, dass es Parallelgesellschaften gibt und wir müssen verhindern, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund keine Perspektive und keinen Job haben. Am Ende des Tages kann man jedes Problem auf die Sprache zurückführen. Es wird darum gehen, dass wir alles tun, damit die Menschen die Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen und sicherzustellen, dass das Erlernen der deutschen Sprache keine Sache der Freiwilligkeit ist, sondern dass wir das als Gesellschaft einfordern.

Also mit Strafen oder Sanktionen, wenn die Deutschkenntnisse nicht vorliegen?
Ich bin dagegen, dass man immer gleich von Strafen spricht. Aber es gilt unmissverständlich klarzumachen, dass Integration nur mit Deutsch gelingen kann. Es gibt zwei Parameter – das Erlernen der deutschen Sprache und der Respekt vor unseren Werten und unserer Kultur. Genau diese Leitlinien werden wir im gesamten System umsetzen.

Sie haben als ÖVP-Geschäftsführer einen Deutsch-Check für Förderungen gefordert. Das soll jetzt also so kommen?
Ja, das was wir zuvor gesagt haben, werden wir auch umsetzen.

Es klingt recht logisch, auf das Thema Deutsch-Lernen zu setzen. Allerdings ändert das nichts an anderen Integrationsproblemen, etwa dass viele Österreicher ihre Kinder gar nicht mehr an gewisse Brennpunktschulen mit hohem Zuwandereranteil schicken wollen.
Viele soziale Brennpunkte, die wir haben, sind entstanden, weil man jahrzehntelang die Integrationspolitik nicht ernst genommen hat. In Wahrheit hat erst die Flüchtlingskrise 2015 klargemacht, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe gibt, der wir bisher nicht gerecht geworden sind. Aber man wird die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nicht innerhalb von ein paar Jahren lösen können. Man kann nur sicherstellen, dass sich die Probleme von früher nicht wiederholen und da ist Deutsch der Schlüssel. Ich bekenne mich dazu, Probleme klar anzusprechen und die meisten werden mir recht geben, dass Integration nur mit Deutsch gelingen kann.

Wolfgang Hattmannsdorfer im Gespräch mit Thomas Kramesberger (BezirksRundschau). | Foto: Land OÖ/Grilnberger
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Ihr Vor-Vorgänger Rudi Anschober (Grüne) hat das Migrationsthema über die Lehre gespielt. Ist das ein Zugang, dem Sie etwas abgewinnen können?
Da muss man zwei Dinge trennen: Das eine ist der Bereich der Wirtschaftsflüchtlinge, und das andere ist die Flucht von Menschen, weil ihr Leben bedroht ist. Diese zwei Bereiche darf man nicht vermischen. Ja, wir brauchen einen geordneten Zuzug von Fachkräften, um unseren Wohlstand ausbauen zu können. Aber alles, was Asyl und Flucht ist, ist ein anderes Thema. Ich halte nichts davon, falsche Signale zu senden, damit sich Menschen auf den Weg machen.

Wenn jemand gut integriert ist, Deutsch gelernt hat, eine Lehre begonnen hat und als Arbeitskraft gebraucht ist, soll er trotzdem abgeschoben werden, wenn die Asylgründe wegfallen?
Das ist nicht Grundlage der landespolitischen Überlegungen, sondern des Bundesgesetzgebers. Ich bin als Landesrat auf die geltenden Gesetze angelobt und genau dieser Rahmen gilt für mich und ich bekenne mich dazu, dass Wirtschafts- und Kriegsmigration zwei Paar Schuhe sind. Wir brauchen ein System eines geordneten Zuzugs von Fachkräften und kein System, das darauf beruht, dass sich Menschen unter Lebensgefahr nach Europa aufmachen, weil hier ein Job in Aussicht gestellt wird.

Ist Österreich ein Zuwanderungsland?
Wir sind historisch immer schon ein stark vernetztes Land gewesen. Ich bin aber gegen den Begriff Zuwanderungsland. Wir müssen ein Land der klaren Regeln bleiben, in dem klar ist, wer kommen kann und wer nicht.

Am Schluss zu einem profaneren Thema: Ist der Proporz in OÖ eigentlich noch notwendig?
Selbstverständlich, weil er die Möglichkeit schafft, dass alle Parteien in die Regierungsgeschäfte mit eingebunden werden.

Die SPÖ kritisiert, dass ihr das Sozialressort von der ÖVP genommen wurde. Die Grünen beklagen dasselbe über das Integrationsressort. Wofür braucht es ein Proporzsystem, wenn die anderen Parteien in der Regierung für fast nichts mehr zuständig sind?
Ich weiß, dass Kollege Stefan Kaineder (Grüne) oft auf das Integrationsressort reduziert wurde. Aber im Landtag hat er gesagt, dass er sich über ein größeres Umweltressort freut, in dem die Wasser-Agenden dazugekommen sind. Generell hat keine Partei eine Erbpacht auf gewisse Fachzuständigkeiten. Wir haben das Natürlichste der Welt gemacht: Mit der FPÖ eine Koalition geschlossen, ein Regierungsprogramm entwickelt und leiten daraus die Zuständigkeiten ab. Ehrlich gesagt, ich halte es da mit dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger: Befindlichkeiten haben in der Politik nichts verloren.

Also wenig Verständnis für die Kritik der SPÖ?
Ich verstehe, dass sich die SPÖ jetzt inszeniert. Aber auch dort wird man irgendwann verstehen, dass der Wahlkampf vorbei ist und man aufhören muss mit dem Reinhauen und Reintreten – davon halte ich gar nichts. Das wollen auch die Menschen nicht, die wollen eine Politik, die arbeitet und zusammenhält, und das werde ich als Sozial-Landesrat machen und den Zusammenhalt in den Vordergrund stellen.

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