Landesrat Kaineder im Interview
"Erstes Windkraft-Projekt seit 20 Jahren in UVP-Verfahren"

Stefan Kaineder ist seit 2019 Chef der Grünen in OÖ.  | Foto: MeinBezirk/Siegl
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Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) spricht im Interview mit MeinBezirk OÖ über Windkraft-Projekte in Oberösterreich, Bodenversiegelung, das Renaturierungsgesetz, die Schilling-Affäre und den anlaufenden Nationalratswahlkampf.

Interview: Thomas Kramesberger

Es hat zuletzt in Oberösterreich einige Gemeinderatsbeschlüsse und auch eine Volksabstimmung zu Windkraftprojekten gegeben. Gibt es schon ein Projekt, das Ihnen konkret vorliegt?
Kaineder: Wir sind in Gesprächen mit einigen Projektwerbern und manche davon sind sehr konkret mit ihren Planungen. Ich freue mich aber sehr, dass wir ein erstes Projekt in Königswiesen und St. Georgen am Walde mittlerweile sogar im UVP-Genehmigungsverfahren (Umweltverträglichkeitsprüfung, Anm.) haben. Es ist das erste Windkraft-Projekt in einem UVP-Verfahren seit 20 Jahren. Aber trotzdem alle haben Bedenken, dass Schwarz-Blau offen neue Windkraftanlagen außerhalb der Standorte, die es schon gibt, ablehnt. Es ist ein großer Schaden für Oberösterreich, dass es eine Koalition im Land gibt, die eine wichtige Säule der Energiewende blockiert. Manfred Haimbuchner sagt ja öffentlich, dass er das nicht will – und das ist ein echtes Problem. Ich hoffe aber, dass weitere Projektentwickler den Mut haben, es den Königswiesnern gleichzutun und ihre Projekte zur Umweltverträglichkeitsprüfung einzureichen, denn es gibt gute Chancen, dass diese genehmigungsfähig sind. Wir brauchen die Windkraft zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts und für die notwendige Energiewende in Oberösterreich.

Eine neue EU-Verordnung schreibt Vorrangzonen für Erneuerbare vor. Wissen Sie, ob so ein Plan in OÖ schon ausgearbeitet wird?
Die Europäische Union verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie ausweisen, wo die Kraftwerke für die Energiewende hinkommen. Also es muss in Zukunft einen Vorrangzonenplan geben. Aber es kann auch ein Ausschlusszonenplan dazukommen, so interpretiere ich diese Richtlinie. Aber nachdem in Oberösterreich so etwas noch nicht existiert, kann man derzeit noch überall Windkraftprojekte einreichen und dann wird auf Umweltverträglichkeit geprüft.
Rein rechtlich bräuchte es für einen Vorrang- oder Ausschlusszonenplan – aus meiner Sicht – einen Beschluss in der Landesregierung. Das heißt, wenn ÖVP und FPÖ das beschließen wollen, dann erfahre ich spätestens davon.

Aber Sie wissen jetzt noch nichts von einem Windkraft-Zonierungsplan, der in Planung ist?
Ich gehe davon aus, dass sich Landesrat Markus Achleitner schon damit befasst, weil er weiß, dass so etwas nötig sein wird. Ich hoffe, dass es einen umfassenden Ermöglichungsplan gibt, denn wir brauchen die Energiewende. Die Leute müssen im Winter ihre Wärmepumpen betreiben, die Voestalpine will ab 2027 Elektrostahl produzieren. Das ist ein Riesenschritt für den Klimaschutz. Wir schaffen es, einen der größten Emittenten auf CO2-neutrale Stahlproduktion umzustellen – das ist weltweit einzigartig. Aber wir haben nichts davon, wenn wir den Strom nicht herbringen.

Kritiker sagen, es bräuchte tausende Windräder, um alleine die Voestalpine umzustellen.
Mehrere Tausend ist falsch, aber ja, die Voestalpine braucht viele Windräder oder sehr viel erneuerbare Energie. Ein Teil wird wahrscheinlich auch in Form von Wasserstoff gebraucht – zur Umstellung des großen Hochofens. Aber für die „kleineren“ Hochöfen, hat man eine Technologie, die mit Direktstrom funktioniert – und dafür benötigen wir viel grünen Strom. Ich erwarte mir, vor allem von der ÖVP, die sich selbst Wirtschaftspartei nennt, dass sie die Interessen der Industrie, der Wirtschaft und der Menschen in Oberösterreich ernst nimmt.

Manfred Haimbuchner rechnet vor, dass 100 Windräder in Oberösterreich nur 0,9 Prozent des gesamten Energieverbrauchs abdecken würden. Wie viele Windräder braucht es aus Ihrer Sicht im Bundesland?
Ich finde, wir könnten uns mal umschauen, was andere machen. In Niederösterreich gibt es heute knapp 800 Windräder und Niederösterreich hat einen Plan, die Windkraft bis 2040 massiv auszubauen. Sie wollen einerseits bestehende Anlagen re-powern und dann noch 200 bis 250 zubauen.
In Oberösterreich hingegen haben wir derzeit 31 Windkraftanlagen und bis 2030 muss es gelingen 100 zusätzliche Windräder zu bauen. Dann muss man sich bis 2040 überlegen, wo noch welche hinkommen können, denn wir brauchen sie. Die Zukunft ist erstens klimaneutral und zweitens elektrisch – auch in vielen Bereichen der Industrie. Und dafür brauchen wir die Kraftwerke, damit wir uns selbst versorgen können und nicht mehr abhängig von Putin und anderen autokratischen Staaten sind, die uns mit Energielieferungen erpressen können.

Foto: MeinBezirk/Siegl

Es hat eine Debatte über die Rolle von Umweltanwalt Martin Donat gegeben, nachdem er einige Veranstaltungen gegen Windräder organisiert hatte. Befürworten Sie die „Verwarnung“, die der Landesamtsdirektor gegen ihn ausgesprochen hat?
Die Umweltanwaltschaft an sich hat eine wichtige Rolle bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen – in diesen Verfahren muss sie sich umfassend und kritisch einbringen. Gleichzeitig hat es mich überrascht, dass der Umweltanwalt, obwohl es noch gar keine Verfahren und keine konkreten Projekte gibt, sich bei Podiumsdiskussionen einbringt, bei denen teilweise Halbwahrheiten verbreitet werden.

Aber hat Herr Donat den Bogen mit diesen Auftritten überspannt?
Die Umweltanwaltschaft muss klären, wie sie die Rolle des Umweltanwalts definiert.

Ist Martin Donat als Umweltanwalt noch tragbar?
Das ist überhaupt nicht an mir zu beurteilen.

Aber Sie könnten eine Meinung vertreten.
Die Umweltanwaltschaft ist eine starke Stimme für die Natur in den großen Verfahren. Ich erwarte mir, dass die Umweltanwaltschaft eine präzise Rollenklärung vornimmt, wie sie diese Rolle am besten ausfüllen kann, ohne sich unnötige externe Kritik zuzuziehen.

Sind Sie eigentlich für eine Obergrenze bei der Bodenversiegelung?
Unbedingt. Es sind sich seit 20 Jahren alle Experten einig, dass wir eine fixierte Grenze von 2,5 Hektar pro Jahr brauchen. Wir brauchen diese Grenze, weil durch Sonntagsreden wird es nicht besser. Und die Grünen reden nicht nur von Klima- und Naturschutz, sondern wenn Entscheidungen zu treffen sind, dann sind wir mutig. Und wir treffen diese Entscheidungen auch gegen mächtige Öl-, Beton- oder parteipolitische Lobbys.

Zur Bodenversiegelung sagt Landesrat Markus Achleitner (ÖVP), dass die 2,5 Hektar nur 3.000 Quadratmeter pro Gemeinde in Oberösterreich bedeuten würde. Das sei viel zu wenig.
Es wird in diesem Zusammenhang immer nur von zusätzlichen Flächen gesprochen. Was Markus Achleitner nie erzählt, ist, dass es alleine in Oberösterreich schon gewidmetes, unbebautes Bauland in einem Ausmaß gibt, dass man die Stadt Wien in Oberösterreich einmal nachbauen könnte.
Das heißt, wir müssen es durch gesetzliche Grundlagen schaffen, Bauland zu mobilisieren – auch durch eine Leerstandsabgabe, die die schwarz-blaue Landesregierung ja nicht einführen will.

Dabei geht es aber in erster Linie um Wohnungen, eine Leerstandsabgabe mobilisiert ja keine Grundstücke…
Wenn es eine Obergrenze für den Bodenverbrauch gibt, dann müssen wir andere Maßnahmen ergreifen, damit Industriebrachen, leerstehende Wohnungen und vieles mehr mobilisiert werden kann. Da braucht es natürlich einen Blumenstrauß an Maßnahmen und eine davon ist die Leerstandsabgabe, denn sonst haben wir weiterhin zehntausende leere Wohnungen in Oberösterreich und müssen neue ins Grünland bauen.

Aber würde eine Obergrenze nicht bedeuten, dass eine Familie, die bauen will, es eben wegen dieser Grenze möglicherweise nicht kann?
Also zuallererst geht es einmal um eine Entwicklung, die wir bei vielen Supermarktketten haben – da wird oft neben einem bestehenden Standort noch ein Grundstück gekauft und dort neu hingebaut. So entstehen Wirtschaftsbrachen, die unnütz und auch hässlich sind. Und immer mehr Menschen sind gegen diese Betoniererei, weil sie merken, dass uns die Natur verloren geht und es auch nicht schön ist. Es geht also in erster Linie um riesige Parkplätze und Supermarktketten sowie um den Schutz von Grüngürteln und Erholungsräumen.

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Aber ist die Familie, die kein Haus mehr bauen darf, weil die Obergrenze schon erreicht wäre, nicht ein Problem. Dem muss man sich ja auch stellen.
Man kann die verbaute Fläche der Bundeshauptstadt Wien in Oberösterreich ohne eine einzige Widmung einmal nachbauen. Es ist also genug Platz gewidmet. Wir müssen schauen, wie wir das, was wir haben, gut und intelligent nützen, damit uns nicht die ganze Heimat zubetoniert wird.

Die Grünen wurden vor der Wahl von der Schilling-Affäre gebeutelt. Nun musste sich Frau Schilling entschuldigen, weil sie eine Affäre mit einem ORF-Moderator erfunden hatte. Wie passt das zum ‚Wir sind die Guten‘-Anspruch der Grünen?
Lena Schilling hat vor ihrer Zeit bei den Grünen Fehler gemacht. Sie steht jetzt öffentlich dafür gerade und übernimmt die Verantwortung. Das gehört sich so, wenn man in der Gesellschaft Verantwortung übernimmt. Und man wird sie jetzt an ihrer Politik beurteilen müssen, die sie in Brüssel macht.
Die Berichterstattung, die es gegeben hat, ist vom Presserat eindeutig verurteilt worden.
Das zeigt, dass dieser Wahlkampf eine ganz eigene Note bekommen hat, die noch nie da war und das sehe ich sehr skeptisch – wie öffentlich mit privaten Informationen umgegangen wurde.

Finden Sie das peinlich, was da aufgelaufen ist?
Sie ist eine der wenigen aus Ihrer Generation, die jetzt in einem großen Parlament Verantwortung übernehmen kann und an dem wird man sich beurteilen müssen.

Haben die Grünen dann das Renaturierungsgesetz nach der Schilling-Affäre als Signal an die Basis gebraucht?
Die Frage kann ich schwer nachvollziehen, weil diese Verordnung ein über Monate verhandelter Kompromiss ist, der in ganz Europa von unterschiedlichsten Parteien und Regierungen getragen wird. Ich weiß gar nicht, warum die Zustimmung der Klimaschutzministerin überraschend ist. Und nein, das machen wir nicht für irgendwelche Befindlichkeiten in der Partei, sondern weil es gemacht werden muss.
Wir sind die Partei, die für Klimaschutz und Naturschutz eintritt – und wir sind die Einzigen, die das ernst meinen.

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Einer der Kritikpunkte am Renaturierungsgesetz ist die vermeintlich große Bürokratie. Das hört man auch vom Lieferkettengesetz. Ist es in Zeiten der wirtschaftlichen Krise sinnvoll, Unternehmen mit immer weiteren Auflagen zu belegen?
Die Umsetzung dieses Gesetzes ist den Nationalstaaten überlassen. Das heißt, ob es am Ende bürokratisch ist oder nicht, entscheiden jetzt die Ministerien in Wien. Und es ist jetzt eigentlich nicht mehr der Zeitpunkt von populistischen Untergangsszenarien zu sprechen, sondern daran zu arbeiten, dass es unbürokratisch umgesetzt werden kann – auch für die Bauern im Land. Wir in Österreich haben ohnehin schon eine der nachhaltigsten Landwirtschaften in ganz Europa. Einen Aufholbedarf werden aber vielmehr die riesigen Industrielandwirtschaften in Rumänien, Holland oder Frankreich haben, die jetzt den Boden ausbeuten und die Natur kaputt machen. Eigentlich bekommt unsere Landwirtschaft – die im Supermarkt durch die ganzen Billigprodukte massiv unter Durck ist – durch das Gesetz einen Vorteil, weil sie diesen Naturschutz ohnehin schon lebt und umsetzt.

Geht in der Bundesregierung noch etwas inhaltlich weiter? Kein E-Wirtschaftsgesetz, kein Kandidat für die EU-Kommission und vieles mehr. Was hat das für einen Sinn, dass man miteinander weiterregiert?
Naja, jetzt kommen ja die Nationalratswahlen.

Aber offenbar haben sich beide Koalitionsparteien nicht mehr viel zu sagen?
Nein, das täuscht sicher. Also die Gesprächsbasis auf verschiedenen Ebenen ist gut.
Was ich beobachte ist, dass die ÖVP in der medialen Berichterstattung mit diesen alten Spielen um Macht und Posten schon vor der Wahl beginnt. Ich finde, das ist ein bisschen unredlich den Wählern gegenüber.
Wir haben jetzt eine Wahl vor uns und einiges von dem, was wir eigentlich vorgehabt hätten, ist noch nicht gelungen. Das spricht dafür, dass die Grünen weiter in der Regierung sein sollten, weil wir bewiesen haben, dass wir Klima-, Umwelt- und Naturschutz können.

Haben Sie eigentlich keine Bedenken, dass die FPÖ in einer neuen Regierung einige Sachen zurückdreht, die die Grünen der ÖVP mühsam abgetrotzt haben?
Ja, natürlich steht das auf dem Spiel. Deshalb müssen wir in den nächsten zwei Monaten kämpfen und laufen. Für sauberes Wasser, gesunde Böden, saubere Luft braucht es die Grünen in der nächsten Bundesregierung. Das gibt es nur dann, wenn uns viele Leute wählen und dafür werden wir jetzt die nächsten Monate werben.

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