Abstimmung vertagt
Geteilte Meinungen zum neuen Lieferkettengesetz der EU
Während die einen im neuen EU-Lieferkettengesetz einen gelungen Schritt gegen Kinderarbeit und Umweltzerstörung sehen, befürchten andere einen Schlag gegen die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Update: Die Abstimmung wurde aufgrund der Blockade unter anderem durch Österreich und Deutschland auf 14. Februar vertagt.
EU/OÖ. Heute, Freitag, soll das lange geplante und viel diskutierte EU-Lieferkettengesetz final beschlossen werden. Obwohl die Zustimmung der EU-Mitgliedsländer eigentlich nur mehr als Formsache galt, tauchen jetzt immer mehr Stimmen gegen das Gesetz auf. So hat Deutschland seine Enthaltung bereits angekündigt und auch in Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) will sich nicht an der Abstimmung beteiligen.
Kaineder: „Würde Tür und Tor für Kinderarbeit öffnen“
Sollte sich Bundesminister Kocher bei der Abstimmung enthalten, würde das aus Grünen-Landesrat Stefan Kaineders Sicht „Tür und Tor für Kinderarbeit öffnen und Umweltzerstörung zulassen“. Es liege zudem im Interesse der Bevölkerung, dem Lieferkettengesetzt zuzustimmen. „Nach jedem Umweltskandal und nach jeder Enthüllung von Kinderarbeit bei Zulieferbetrieben für Produkte europäischer Konzerne hatte die Politik den Konsumentinnen und Konsumenten versprochen, dafür zu sorgen, dass Licht in diese Machenschaften gebracht wird“, sagt Kaineder.
Stangl: „Profit durch Zwangsarbeit unterbinden“
„Unternehmen müssen endlich zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren!“
Andreas Stangl, Präsident der AK OÖ
Das EU-Lieferkettengesetz soll Menschenrechte und Umweltschutz entlang globaler Lieferketten stärken und Unternehmen in die Pflicht nehmen. „Erstmals gibt es die Chance, verbindliche Mindeststandards für große Unternehmen in der EU und deren Zulieferbetriebe einzuführen und damit auch den Profit durch Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU zu unterbinden“, sagt Arbeiterkammer OÖ-Präsident Andreas Stangl. Nur ein Drittel der EU-Unternehmen führt laut AK OÖ tatsächlich Sorgfaltsprüfungen (Due Diligence) im Hinblick auf Menschenrechte, Umweltschutz und Arbeitsstandards in den Lieferketten durch. Laut einer Studie im Auftrag der Kammer hätte das Gesetz zudem einen deutlich positiven wirtschaftlichen Wohlfahrtseffekt für den Globalen Süden und auch positive Nettoeffekte für die europäische Wirtschaft.
Frommwald: „Die Geburt eines Bürokratiemonsters“
„Wir konkurrieren direkt mit zahlreichen asiatischen Staaten, die nicht mit solchen Hürden konfrontiert sind.“
Erich Frommwald, Obmann der Sparte Industrie in der WKOÖ
Die Wirtschaftskammer OÖ bzw. die Sparte Industrie und ihren Obmann Erich Frommwald befürchten einerseits eine „praxisferne Ausgestaltung“ des umstrittenen Gesetzes und die „Geburt eines Bürokratiemonsters“. Andererseits seien negative Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu erwarten: „Wir konkurrieren direkt mit zahlreichen asiatischen Staaten, die nicht mit solchen Hürden konfrontiert sind“, so Frommwald.
Pierer: „Europa reguliert sich zum Stillstand“
„Unternehmen können nicht für Unzulänglichkeiten in ihrer Lieferkette verantwortlich gemacht werden, die sie nicht direkt verursacht haben.“
Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ
„Unternehmen können nicht für Unzulänglichkeiten in ihrer Lieferkette verantwortlich gemacht werden, die sie nicht direkt verursacht haben. Eine Umsetzung in dieser Form wäre ein weiterer Turbo für die Deindustrialisierung Europas“, sagt Stefan Pierer, Präsident der Industriellenvereinigung OÖ. „Der vorliegende Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes ist für die heimischen Betriebe nicht anwendbar und verantwortungslos gegenüber dem Industriestandort Europa. Wirtschaftsminister Kocher hat daher die volle Unterstützung der oberösterreichischen Industrie.“
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