Landesrat Lindner (SPÖ)
Strukturelles Rechtsextremismus-Problem in Oberösterreich

Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Wir haben die höchsten Straftaten, wir haben strukturell rechte Netzwerke, wir haben das Zentrum der Identitären in Steyregg, wir hatten den riesigen Waffenfund bei dieser Rockergruppe. Und ich fordere schon seit Jahren, dass wir strukturell diese rechtsextremen Netzwerke bekämpfen." | Foto: Land OÖ / Stinglmayr
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Landesrat Michael Lindner (SPÖ) übt im BezirksRundSchau-Interview mit Chefredakteur Thomas Winkler Kritik in Sachen Kinderschutz am Bund und in Sachen Energiewende an ÖVP und FPÖ in Oberösterreich. Er fordert ein engagierteres Bekämpfen rechter Netzwerke, sieht in der schwierigen finanziellen Situation der Gemeinden ein großes wirtschaftspolitisches Problem, will dem "Pool-Trend" entgegenwirken und die Babler-SPÖ "inhaltlich verbreitern". Wahlärzte sollten künftig die E-Card akzeptieren und Rückwidmungen möglich werden, um Immobilienspekulation zu verhindern.

BezirksRundSchau: Sozialistische Jugend, Junos und Grüne Jugend haben vor kurzem gemeinsam mobil gemacht, weil die Jugendlichen in OÖ kürzer ausgehen dürfen als in allen anderen Bundesländern. Haben Sie in der Sache schon aufgegeben, weil sich VP und FP querlegen?
Lindner:
Mir geht es darum, dass wir diese Ungleichbehandlung der oberösterreichischen Jugendlichen beenden mit der Jugendschutzgesetzesnovelle. Sie liegt nach wie vor im Landtag und die ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten haben im Herbst im Ausschuss und im Landtag noch die Möglichkeit, diesen Wunsch vieler Jugendlicher in Oberösterreich ernst zu nehmen und in deren Interesse die parteipolitischen Scheuklappen abzulegen. Ich gebe garantiert bis zum Schluss nicht auf, weil ich gerade nach diesem Gesetzgebungsprozess überzeugt bin, dass wir die richtige Richtung einschlagen. Wir haben Familien, Erziehungsberechtigte und Jugendliche eingebunden – und in allen Gruppen will eine Mehrheit diese Ungleichbehandlung beenden. 

"Halte nix davon, Kinder ein- oder wegzusperren"

Im Gegensatz zum Fortgehen will die FPÖ Jugendlichen früher Verantwortung übertragen, wenn es um Straftaten geht, und das Alter für die Strafmündigkeit senken ...
Mein Ansatz ist, in meiner Arbeit Jugendlichen die Chance auf ein gelingendes Leben zu geben. Mein Fokus ist auf der Präventionsarbeit, mit allen Möglichkeiten, die wir haben in der Bildungsarbeit und vor allem auch in der Kinder- und Jugendhilfe. Ich vertraue auf die Meinung der Expertinnen und Experten, die allesamt sagen, dass eine Herabsetzung des Strafalters unter 14 keine Lösung ist, sondern wir danach trachten müssen dass sie in die richtige Spur finden. Und darauf werde ich meine Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe auslegen. Ich halte nix davon, Kinder ein- oder wegzusperren, sondern es geht mir darum, Kindern und Jugendlichen in jeder Lebensphase Unterstützung anzubieten. 

In Ihre Zuständigkeit fällt auch der Kinderschutz, den Sie mit einer Kampagne verbessern wollen ...
Es geht mir vor allem darum, dass die Bundesregierung ein umfassendes Kinderschutzpaket angekündigt hat, das in Wahrheit auf halber Strecke stehen geblieben ist. Einerseits die strafrechtlichen Verschärfungen, die noch immer nicht auf dem Tisch liegen. Andererseits ist die Präventionsarbeit viel wichtiger, das Bewusstsein, dass Gewalt an Kindern in keinster Weise in Ordnung ist – egal ob körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt. Die angekündigte bundesweite Kampagne liegt noch immer nicht am Tisch, und deshalb sind wir in Oberösterreich vorangegangen und starten die Kampagne "Gewalt gegen Kinder #hautnichthin", mit der wir uns an Erziehungsberechtigte wenden, die vielleicht mit ihrer Erziehungsarbeit überfordert sind und Hilfe brauchen. An Kinder selbst, um ihnen zu signalisieren: Der Klaps auf den Po oder die vielzitierte gesunde Watsch'n oder Vernachlässigung, das ist nicht normal. Und auch an die Beobachter, also in Schulen, Vereinen und so weiter, die Gewalt oder Vernachlässigung beobachten, dass man nicht weg- sondern hinschaut. Und da bin ich verwundert, dass man auf Bundesebene rasch angekündigt hat, aber auf halbem Weg stehengeblieben ist. Wir haben die Kinderschutzzentren jeweils mit einer halben Personaleinheit gestärkt, damit man noch schneller und aktiver Unterstützung oder Therapie anbieten können, wenn es zu Gewalt oder Missbrauch kommt.

OÖ hat strukturelles Rechtsextremismus-Problem

Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Wir haben die höchsten Straftaten, wir haben strukturell rechte Netzwerke, wir haben das Zentrum der Identitären in Steyregg, wir hatten den riesigen Waffenfund bei dieser Rockergruppe. Und ich fordere schon seit Jahren, dass wir strukturell diese rechtsextremen Netzwerke bekämpfen." | Foto: Land OÖ / Stinglmayr
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Sie haben vor kurzem dem von Landeshauptmann Thomas Stelzer präsentierten, überarbeiteten Aktionsplan gegen Extremismus in der Landesregierung nicht zugestimmt – warum?
Für mich ist seit Jahren klar, dass wir in Oberösterreich ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus haben. Wir haben die höchsten Straftaten, wir haben strukturell rechte Netzwerke, wir haben das Zentrum der Identitären in Steyregg, wir hatten den riesigen Waffenfund bei dieser Rockergruppe. Und ich fordere schon seit Jahren, dass wir strukturell diese rechtsextremen Netzwerke bekämpfen. Und das passiert mit diesem Aktionsplan nicht, weil er eine beliebige Sammlung von Angeboten beinhaltet, aber kein klares Ziel, keine klare Strategie. Wir haben fünf Mindestanforderungen an so einen Aktionsplan formuliert: Ausstiegsberatung, flächendeckende Workshops an den Schulen, Besuch aller Schulklassen im ehemaligen KZ Mauthausen. Und all diese Mindestanforderungen sind von dem Aktionsplan nicht erfasst. Und deswegen kann ich diesen Aktionsplan so auch nicht ernst nehmen.

Zuletzt hat es wegen des Falles im Braunauer Freibad Diskussionen um die Rolle der Polizei gegeben. Die hatte ein Mann offen seine Nazi-Tattos präsentiert, die herbeigerufene Polizei schritt aber nicht ein ...
Wir haben mit dem Abzeichengesetz klargelegt, dass diese Symbole strafbar sind. Und ich erwarte mir schon, dass die Ermittlungsbehörden und auch die Polizei dementsprechend streng und hart damit umgeht und das ahnden. Und da braucht es offenbar noch viel mehr Aufmerksamkeitsarbeit bei den Sicherheitsbehörden selbst, wenn solche Vorfälle möglich sind. Ich bin dem deutschen Beamten sehr dankbar, der das aufgegriffen hat und seine Kollegen informieren wollte. Ich glaube, dass es da eine gemeinsame Kraftanstrengung der Landespolitik mit den Sicherheitsbehörden braucht. Solche Symbole und Netzwerke will ich in Oberösterreich nicht haben und dürfen auch nicht geduldet werden. 

"Bewegen uns auf sehr schwierige Situation zu"

Sie sind zuständig für die SPÖ-Gemeinden und auch für deren Finanzen. Die Kosten steigen, die Ertragsanteile werden sinken – wie sieht die Lage der Gemeinden aus?
Wir bewegen uns vor allem im kommenden Jahr auf eine sehr schwierige Situation zu. Die gestiegenen Fixkosten bei den Gehältern, Energiepreisen und Baukosten auf der einen Seite. Und jetzt sinken auf der anderen Seite sogar noch die Ertragsanteile im laufenden Jahr. Das macht bei meinen 84 Gemeinden zehn Millionen Euro weniger aus. Und die Gemeinden müssen die Basisinfrastruktur aufrecht erhalten, von den Dienstleistungen wie Wasser, Kanal bis zur Kinderbetreuung, müssen Pflege und Gesundheit finanzieren und sind noch dazu die wichtigsten regionalen Investoren, gerade wenn es um kommunale Bauprojekte geht. Und wenn wir uns nicht rasch daran machen, mit einem neuen Finanzausgleich auf Landesebene diese Schlechterstellung der Gemeinden gegenüber anderen Bundesländern zu beenden, dann werden wir ein wirtschaftspolitisches Problem haben, weil den Gemeinden das Geld zum Investieren fehlt. Deswegen habe ich mich stark gemacht, dass wir raschestmöglich zu einem Transfergipfel mit Finanzreferent Stelzer kommen, um unsere Gemeinden nachhaltig zu entlasten. 

Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Eine Studie hat gezeigt, dass die oö. Gemeinden 591 Millionen Euro mehr ans Land an Abgaben zahlen, als sie an Förderung zurückbekommen. Wir lizitieren damit die oberösterreichischen Gemeinden von einer hohen Finanzkraft auf eine sehr niedrige." | Foto: Land OÖ / Stinglmayr
  • Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Eine Studie hat gezeigt, dass die oö. Gemeinden 591 Millionen Euro mehr ans Land an Abgaben zahlen, als sie an Förderung zurückbekommen. Wir lizitieren damit die oberösterreichischen Gemeinden von einer hohen Finanzkraft auf eine sehr niedrige."
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Land OÖ drückt Finanzkraft der Gemeinden

Um wie viel schlechter geht es den Gemeinden in Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern?
Eine brandneue Studie, die wir vom Zentrum für Verwaltungsforschung erstellen haben lassen, hat gezeigt, dass die oberösterreichischen Gemeinden 591 Millionen Euro mehr ans Land an Abgaben zahlen, als sie an Förderung zurückbekommen. Und wir haben die zweithöchste Abgaben und Transferbelastung in ganz Österreich. Wir lizitieren damit die oberösterreichischen Gemeinden von einer hohen Finanzkraft auf eine sehr niedrige - durch SHV-Umlage, Krankenanstaltenbeitrag, Landesumlage. Das sind drei Dinge, die wir in Oberösterreich in der Hand haben, um die Gemeinden finanziell zu entlasten. Und meine Forderung ist klar: Einen neuen Landesfinanzausgleich, der die Transferbelastung für die oberösterreichischen Gemeinden um zumindest die Hälfte reduziert, damit unsere Gemeinden wieder finanziellen Spielraum haben.

Was würde diese 50-prozentige Entlastung bei den Transferzahlungen einer Gemeinde bringen?
In kleineren bis mittleren Gemeinden würde das mehrere 100.000 Euro pro Jahr an Investitionsfreiräumen bringen. Und das bräuchten wir dringend, wenn es um den Erhalt von Hallenbädern oder Freibädern geht, um moderne neue Schulen, um den Ausbau der Kinderbetreuung. Da saniert sich der Landesfinanzreferent derzeit sein Budget auf Kosten der Gemeinden. Noch ist die Anzahl der Härteausgleichsgemeinden ja sehr niedrig, weil viele die Rücklagen auflösen, um ausgleichen zu können. Diese Rücklagen sind aber immer Finanzmittel, die sich Gemeinden für Investitionsprojekte zurückhalten. Und genau das wird uns im kommenden Jahr, wenn sich nix ändert, bei den regionalen Investitionen und Projekten massiv treffen. Wenn gerade jetzt massive Rückgänge im Privatbau sind, wären die kommunalen Investitionen, die öffentlichen Bauten das, was die Bauwirtschaft durch die schwierige Zeit tragen könnte. Deshalb braucht es die finanzielle Entlastung der Gemeinden rascher denn je.

Pool-Trend mit Hallen- & Freibädern entgegenwirken

Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Es ist ein nachhaltigeres Konzept, in den Gemeinden Frei- und Hallenbäder zu erhalten, als dass sich jeder zuhause mit Trinkwasser einen Swimming Pool befüllt. Das wird es langfristig mit dieser Klimaentwicklung nicht mehr geben können." | Foto: Land OÖ / Stinglmayr
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Viele Gemeinden denken ja auch bereits darüber nach, ob sie sich noch ihr Freibad leisten können - an Hallenbädern, die fürs Schwimmenlernen besonders wichtig wären, mangelt es sowieso ...
Ich bin froh, dass wir das gemeinsame Bekenntnis haben, dass man von der alten Schwimmbadstudie, der Schließungsstudie, weggekommen ist. Ich glaube aber, dass die Sanierung und Erhaltung von Frei- und Hallenbädern in der jetzigen Finanzierung den Gemeinden verunmöglicht werden wird. Deswegen brauchen wir da mehr Landesgeld bei der Sanierung und beim Neubau von Frei- und Hallenbädern, wenn wir langfristig wollen, dass unsere Kinder in diesen Bädern schwimmen lernen. Und ich bin grundsätzlich Team Freibad und nicht Team Swimming Pool. Es ist ein nachhaltigeres Konzept, in den Gemeinden Frei- und Hallenbäder zu erhalten, als dass sich jeder zuhause mit Trinkwasser einen Swimming Pool befüllt. Das wird es langfristig mit dieser Klimaentwicklung nicht mehr geben können. Da müssen wir die Voraussetzungen aber schon jetzt schaffen und das sind Millionenprojekte, die für Gemeinden und Städte einfach nicht mehr finanzierbar sind. Es wird nicht ohne mehr Landesgeld dafür gehen. Dem Pool-Trend kann ich entgegenwirken, wenn ich eine gute öffentliche Infrastruktur anbiete, also Frei- und Hallenbäder in der jetzigen Fläche erhalte. Das kann man den Gemeinden in der jetzigen Finanzierungsstruktur nicht zumuten. Denn der laufende Abgang ist nicht zu vergessen, ein Frei- oder Hallenbad wird sich nie rechnen.

Keine umfassende Klima- & Energiestrategie

Wie beurteilen Sie die Anstrengungen der oberösterreichischen Landespolitik am Weg zur Klima- und Energiewende? Landesrat Steinkellner hat zuletzt im BezirksRundSchau-Interview gemeint, Oberösterreich könne von den eigenen Gasvorkommen leben ...
Ich bin relativ entsetzt, wie wenig ernst offenbar die FPÖ unsere Aufgaben auf dem Weg zur Klima- und Energiewende nimmt. Wir sind ein Industriestandort, wir wollen auch einer bleiben. Und ich sehe keine umfassende und langfristige Klima- und Energiestrategie, wie wir das schaffen sollen. Es liegt ein Verwaltungspapier auf dem Tisch, das in der Koalition im Hinterzimmer zurechtgezimmert wurde, das den Anforderungen, die wir an einem Industriestandort haben, nicht entspricht. Die Klima- und Energiewende ist wahrscheinlich das größte Infrastrukturprojekt seit der Elektrifizierung unseres Landes, und deshalb müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft soweit auszubauen, dass wir zumindest unsere Alltagsenergie damit abdecken können. Gleichzeitig bin ich nicht so naiv wie manche der grünen Kolleginnen, die glauben, dass ich mit Windrädern die Industrie rette. Für unsere industrielle Energie, die wir benötigen, wird es grünen Wasserstoff brauchen. Und auch da vermisse ich Anstrengungen der Landes- und Bundesregierung, jetzt schon Infrastruktur, also Leitungen, und vor allem Importverträge abzuschließen. Das brauchen wir jetzt. Deutschland ist uns da schon Schritte voraus, die organisieren sich schon Wasserstoff auf internationaler Ebene. Und diese langfristige Sicherheit braucht auch unsere Industrie. 

Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Ich verstehe, dass die Aussicht auf Windräder nicht für jeden schön ist. Aber diese Aussicht ist mir lieber als die Aussicht auf brennende Wälder am ganzen Planeten." | Foto: Land OÖ / Stinglmayr
  • Landesrat Michael Lindner (SPÖ): "Ich verstehe, dass die Aussicht auf Windräder nicht für jeden schön ist. Aber diese Aussicht ist mir lieber als die Aussicht auf brennende Wälder am ganzen Planeten."
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Aussicht auf Windräder besser als auf brennende Wälder

Windkraft ist ja in Oberösterreich ein besonders heikles Thema – was ist aus Ihrer Sicht möglich und sinnvoll?
Wir müssen alle Potenziale bei der Erneuerbaren Energie nutzen. Wir müssen unsere Landesförderungen im Kommunalbereich so ausrichten, dass wir die Gemeinden dabei unterstützen mit dem Ziel: Kein öffentliches Gebäude mehr ohne Photovoltaikanlage. Der Windkraftmasterplan muss ein Ermöglichungs- und kein Verhinderungsplan werden, gerade dann wenn es viele Projekte gibt. Ich verstehe, dass die Aussicht auf Windräder nicht für jeden schön ist. Aber diese Aussicht ist mir lieber als die Aussicht auf brennende Wälder am ganzen Planeten. Insofern werden die Windräder auch Arbeitspferde für die Energiewende werden müssen, und da müssen wir alle über unseren Schatten springen, um jedes Potenzial zu nützen. Da ist in Oberösterreich wesentlich mehr möglich.

Junge Aktivisten nicht verunglimpfen

Verstehen Sie junge Menschen, die sich als Protest gegen zu wenig Klimaschutz auf der Straße festkleben?
Ich kann den Unmut und die Zukunftsangst unserer jüngeren Generation gut nachvollziehen, weil die 14-, 16-, 18-Jährigen wollen sich auf einem lebenswerten Planeten eine Zukunft aufbauen. Da kann man über die Protestform diskutieren. Aber ich halte auch nix davon, diese Jugendlichen zu dämonisieren, wie es vor allem manche in der FPÖ tun. Das sind Zuschreibungen von oben herab und Bezeichnungen, die ich absolut nicht teilen kann. Es muss ein Zeichen der Politik sein, den Dialog zu suchen, die Hand zu auszustrecken. Das kann man natürlich nicht gut, wenn die Hand angeklebt ist, aber es braucht schon das Zeichen der Politik, dass man die Befürchtungen und Ängste ernst nimmt und dass man die Jugendlichen auch einbindet und ihnen die Gewissheit gibt, dass man mit aller Kraft daran arbeitet, die Energiewende zu schaffen, anstatt eine aktivistische Generation zu verunglimpfen.

Die FPÖ schwimmt mit ihrem aggressiven Kurs jedoch weiter auf der Erfolgswelle während der neue Kapitän Andreas Babler das Schiff SPÖ nicht so recht flottzukriegen scheint.
Abgerechnet wird am Wahltag – bis dahin habe ich großes Zutrauen, dass wir nach dieser schwierigen Phase gemeinsam Schwung aufnehmen und zeigen, dass dieses Land eine andere Politik im Sinn der arbeitende Mehrheit braucht. Die Probleme liegen am Tisch: Ein Gesundheitssystem, das an allen Ecken und Enden kracht, in dem man Wochen und Monate auf Arzttermine wartet, ländliche Räume, die von Abwanderung betroffen sind mit Gegenden, die nicht einmal mehr einen Bankomaten haben, ein Nachhinken in der Kinderbetreuung, ein Pflegekräftemangel – also alles das, was die ÖVP seit vielen Jahren verschleppt. Das werden wir offen thematisieren und da bin ich mir sicher, dass wir das Vertrauen der Menschen bekommen werden.

Babler-SPÖ muss sich inhaltlich verbreitern

Babler wird ja immer wieder seine zu linke Ausrichtung vorgeworfen – auch sie waren ja im Kampf um die Parteispitze "Team Doskozil".
Es geht um glaubwürdige sozialdemokratische Politik. Da werden wir uns mit Andreas Babler an der Spitze natürlich auch noch inhaltlich verbreitern müssen, und dafür werde ich mich stark machen. 

Warum taucht trotz der linken Babler-Linie eine KPÖ in Umfragen mit drei, vier fünf Prozent und damit vielleicht genug für einen Einzug ins Parlament auf?
Das zeigt das Protestpotenzial, das derzeit da ist, weil die ÖVP in Kumpanei mit der FPÖ in Wahrheit an einer Politik der Spaltung gearbeitet hat in den letzten Jahren und offenbar kein oder zu wenig Interesse daran gehabt hat, die sozialen Herausforderungen, Stichwort Gesundheit und Pflege, in Angriff zu nehmen. Und da ist sehr viel Unmut und Verunsicherung da, die natürlich manche zu ihren Gunsten nutzen. Und es ist Aufgabe der Sozialdemokratie, da wieder Mut und Zuversicht zu vermitteln, dass wir diese großen Herausforderungen angehen können, indem wir eine Gesundheitsversorgung auf die Beine stellen, in der man nicht wochen- und monatelang auf einen Arzttermin warten muss und in dem die E-Card reicht und nicht die Bankomatkarte für den Arztbesuch gezückt werden muss. 

E-Card statt Bankomatkarte beim Wahlarzt

Dafür müsste man das Wahlarztsystem abschaffen ...
Ich will Gesundheitspolitik aus der Sicht der Patienten denken, und ich will den Versicherten, die das System finanzieren, garantieren, dass die E-Card reicht. Und wenn in einer Region Kassenärzte fehlen – und ein großer Teil der fehlenden Kassenärzte ist in Oberösterreich –, dann muss in diesen Regionen die E-Card reichen, egal ob dahinter ein Kassen- oder Wahlarzt steht. Da müssen wir ein bissl flexibler werden, auch im Gesundheitssystem.

Eine "große Koalition" auf Bundesebene bestünde derzeit aus FPÖ und SPÖ – ist das für Sie denkbar?
Die FPÖ beweist derzeit vor allem mit Herbert Kickl an der Spitze, dass sie mehr an der gesellschaftlichen Spaltung als an Lösungen für die breite Mehrheit der Menschen in unserem Land interessiert ist. Und deshalb ist die FPÖ nach einer Nationalratswahl kein Partner. 

Und ohne Herbert Kickl?
Aus meiner Sicht, und wir haben da einen klaren Katalog in der SPÖ, erfüllt die FPÖ die Kriterien für eine Koalition nicht.

Andreas Babler hat sich ja für eine 32-Stunden-Woche starkgemacht. Wie stehen Sie als Landesrat des Wirtschaftslandes Oberösterreich, in dem Arbeitskräftemangel herrscht, dazu?
Wenn vor 40 Jahren die letzte Arbeitszeitverkürzung umgesetzt wurde, ist es grundsätzlich auch notwendig, über diese Fragen der Arbeitszeit – und wir werden immer produktiver – auch nachzudenken. Am Ende des Tages ist das es in Zeiten des Fachkräftemangels nicht der idealste Zeitpunkt, über eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung zu diskutieren. Geeignete Fachkräfte zu suchen wird die eigentliche Herausforderung in den nächsten Monaten und Jahren werden. Und selbst Andreas Babler hat seine Forderung inzwischen bis zu einem gewissen Grad abgeschwächt, indem er gesagt hat, man könne das nicht für jeden Bereich gleich andenken, insofern ist das ein pragmatischer Zugang. 

Größtes Defizit bei Kinderbetreuung

Der Standort Europa steht ja in Sachen Wettbewerbsfähigkeit wegen hoher Energie- aber auch Lohnkosten schwer unter Druck, und es gibt die Forderung, nicht weniger sondern mehr zu arbeiten, wobei das auch steuerlich attraktiver gemacht werden solle ...
Jetzt geht es zuerst darum, dass wir das Potenzial, das wir haben, aktivieren. Und da sehe ich in Oberösterreich das größte Defizit, dass wir beim Ausbau der Kinderbetreuung im ganzen Land stark nachhinken und da nicht Champions League sind sondern eher an der letzten Position. Den flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuung fordert ja auch Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer, wobei ich sie nur unterstützen kann, damit wir möglichst viele Frauen mit mehr Stunden in den Arbeitsmarkt bekommen. Aber es geht auch darum, möglichst viele junge Menschen in den Lehrberuf, in den Arbeitsmarkt bekommen, dass wir sie soweit unterstützen, dass jene, die nicht am ersten Arbeitsmarkt unterkommen, arbeitsfähig zu machen. Und es wird über kurz oder lang aus meiner Sicht nichts am geregelten und gesteuerten Zuzug vorbeiführen.

Das bestimmende Thema Teuerung sollte der SPÖ ja liegen – so richtig durchdringen konnte man mit den Forderungen in der öffentlichen Wahrnehmung bisher aber anscheinend nicht ... 
Das Entscheidende hat man auf Bundesebene versäumt, dass man nicht direkt bei den Preisen eingegriffen hat. Man hat viele Einmalzahlungen ausgeschüttet, die unmittelbar angekommen sind aber langfristig verpuffen. Gerade in Oberösterreich hat man mit den Mehreinnahmen die Chance nicht genützt, das Geld den Menschen wieder zurückzugeben, die es ja bezahlt haben. Das Land hat ja über 400 Millionen mehr an Ertragsanteilen eingenommen durch die Teuerung. Und traurig ist, dass man beim Landesenergieversorger, der Energie AG, mit vergleichsweise sehr hohen Strom- und Energiepreisen eine Benachteiligung der Kundinnen und Kunden hatte. Also es wäre schon darum gegangen mit eigenen Paketen in der Wohnbeihilfe, in der Sozialhilfe und beim Heizkostenzuschuss viel frühzeitiger gegenzusteuern. Und man muss sich ansehen, warum hat genau die Energie AG so hohe Energiepreise, wenn es die Linz AG zu viel günstigeren Preisen schafft. 

Rückwidmung ermöglichen, um Spekulation einzudämmen

Das eigene Haus oder die eigene Wohnung sind auch aufgrund der extrem gestiegenen Immobilienpreise ein oft unerfüllbarer Traum. SPÖ-Bürgermeister Sepp Wall-Strasser hat einen vielbeachteten Preisdeckel in der Gemeinde Gallneukirchen eingeführt – ein Modell für ganz Oberösterreich, sofern es rechtlich hält?
Dei Grundstückspreise haben sich in die letzten zehn Jahren in Dimensionen entwickelt, die das eigene Haus oder die eigene Wohnung für eine Durchschnittsfamilie unfinanzierbar machen. Und das ist eine traurige Entwicklung. Wir hätten viel mehr Möglichkeiten mit einem schärferen Raumordnungsgesetz, diese Grundstücksspekulationen einzudämmen. Da geht es auch um Rückwidmungsmöglichkeiten für die Gemeinden, wenn Bauland als Spekulationsobjekt genützt wird. Und ich bin Sepp Wall-Strasser sehr dankbar, weil er auch einen weg vorzeigt, wie Gemeinden selbst mit Kostengrenzen handeln können. Insgesamt muss man den Gemeinden noch zusätzliche Instrumente in die Hand geben, damit sie eingreifen können.

Glauben Sie, dass das Gallneukirchner Modell rechtlich hält?
Wenn man neue Wege beschreitet, so wie Sepp Wall-Strasser hier in Gallneukirchen, dann wird es sicher jene geben, die das rechtlich anfechten. Aber es gibt durchaus Möglichkeiten verfassungskonform mit Umwidmungs- und Rückwidmungsmöglichkeiten für Bauland sowie mit Baulandsicherungsvertägen Fortschritte erzielen kann. Sonst wird Eigentum schaffen mittelfristig nicht mehr leistbar sein – unabhängig von den Kreditvorschriften, die das Bauen derzeit einschränken und behindern.

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