Zweifel an Windkraftstudie in Oberösterreich
"Was haben Sie gegen Windräder, Herr Umweltanwalt Donat?"

Oö. Umweltanwalt Martin Donat hat 90 Prozent der Fläche Oberösterreichs als Windkraft-Ausschlusszone definiert.  | Foto: BRS/Gschwandtner (Archiv)
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  • Oö. Umweltanwalt Martin Donat hat 90 Prozent der Fläche Oberösterreichs als Windkraft-Ausschlusszone definiert.
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Der oberösterreiche Umweltanwalt Martin Donat sorgte im Juni für Aufsehen: Seiner Einschätzung nach ist "Oberösterreich kein Windkraftland", 90 Prozent der Landesfläche schloss er für die Windkraftnutzung aus. Die BezirksRundSchau hat sich sein Windkraft-Papier im Detail angesehen – und einige Aussagen des Umweltanwalts decken sich nicht mit den Fakten. Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger hat Donat im Interview damit konfrontiert.

Derzeit beträgt der Anteil der Erneuerbaren am Strom in Oberösterreich 70 Prozent. Sogar wenn wir 40 Windräder bauen und auch die Photovoltaik massiv ausbauen, sinkt der Anteil bis 2040 auf 66 Prozent – wegen des steigenden Bedarfs.
Donat:
Mir ist durchaus klar, dass es in Oberösterreich zusätzliche Windkraftanlagen geben wird, aber aufgrund der 1.000 Meter-Abstandsbestimmung ist es nur auf zehn Prozent der Landesfläche möglich. Also wenn man auf dem Dachsteinplateau Windräder montieren will – was nicht durchgehen wird – dann wären wir weit genug weg. Man könnte natürlich eine Diskussion über die Abstandsregeln führen – aber dann muss man über die Lautstärke der einzelnen Windräder, den Stroboskopeffekt und den Eiswurf sprechen. Und der Bevölkerung müsste man dann sagen, etwa analog zur Schiene: Es wäre wichtig und deshalb darf es auch etwas lauter sein. 

Zu Ihrer Karte (siehe Bild), die fast ganz OÖ als Windkraft-Ausschlusszone definiert: Warum ist nicht der ganze Kobernaußerwald rot markiert?
Wegen der Abstandsregeln…

Sie argumentieren in Ihrem Papier im Kobernaußerwald aber mit dem Vogel- und Tierschutz, jedoch nur in einem Teil des Waldes. Liegt das daran, dass im nicht rot-markierten Teil des Waldes schon Windräder stehen? 
Da müssen Sie die Studie lesen.

Die Karte des oö. Umweltanwalts ohne "schützenswerte Großlandschaften". | Foto: Screenshot BRS/Umweltanwaltschaft
  • Die Karte des oö. Umweltanwalts ohne "schützenswerte Großlandschaften".
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Habe ich.
Da geht es nicht um alle Vögel, sondern um gefährdete Arten. Es gibt viele Arten, denen sind die Windräder egal.

Schon. Aber wo ist die Logik, dass ein Teil eines Waldgebietes eine Vogelschutzzone ist, und direkt daneben – wo schon Windräder stehen – offenbar nicht? Ist das einfach die Kraft des Faktischen?
Nein, ganz und gar nicht. Im Kobernaußerwald gibt es eine gewisse Unsicherheit, weil die Bundesforste die Daten über die Raufußhühner nicht rausrücken wollten und die Karte wurde auf Basis der Daten erstellt, die verfügbar waren.

Also darf man sich das so vorstellen: Es gibt im Kobernaußerwald zwei verschiedene Vogelpopulationen – eine dort wo die Windräder stehen und eine daneben?
Äh, woran stoßen Sie sich jetzt?

Das ist doch eine naheliegende Frage, wenn man auf die Karte schaut, die keinen Sinn ergibt, weil nur ein Teil des Kobernaußerwaldes rot eingezeichnet ist.
Ja, eh. Die Daten, die wir von dort haben, haben es nicht hergegeben, dort eine „rote“ Zone auszuweisen. Das hat mit einer Windkraftanlage, die dort schon steht, nichts zu tun. Dasselbe gilt auch für Schenkenfelden, das ist auch keine Ausschlusszone, obwohl wir wissen, dass das eine wichtige Vogelzugroute ist.

Die Karte des oö. Umweltanwalts mit "schützenswerten Großlandschaften" – ein Terminus ohne Rechtskraft, sondern eine Definition der Umweltanwaltschaft.  | Foto: Screenshot BRS/Umweltanwaltschaft
  • Die Karte des oö. Umweltanwalts mit "schützenswerten Großlandschaften" – ein Terminus ohne Rechtskraft, sondern eine Definition der Umweltanwaltschaft.
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Sie schreiben in Ihrer Unterlage auch, in Oberösterreich sei "das Windkraftpozential äußerst gering bis mäßig“. In der Bird Life-Studie, die Sie ebenfalls veröffentlicht haben, heißt es: „Österreich hat ein relativ hohes Windpotential“. Frisieren Sie also die Winddaten, um Ihr eigenes Anti-Windkraft-Narrativ zu bedienen?
Wenn Sie bei Bird Life die Konfliktzonen ansehen, dann sind diese Zonen…

Es geht um ganz was anderes. Zwei Unterlagen, gleicher Datensatz, gleiche Windkarte, nur Sie schreiben ganz was anderes: Nämlich dass das Windpotenzial in OÖ äußerst „gering bis mäßig“ wäre.
Ja, das finde ich schon. Wo gibt es viel Wind? Das wäre rund um Ried, nur da gehen sich Windkraftanlagen von den Abständen zu Häusern her nicht aus.

Aber ich meine nicht die rote Karte. Ich frage nur, ob wir in Oberösterreich Wind haben – oder nicht. 
Das Winddargebot in anderen Bundesländern ist wesentlich höher als in Oberösterreich. In OÖ beschränkt sich das auf zwei Bereiche, der Alpenrand und der Nordkamm. Der alpine Bereich fällt wegen der wechselnden Winde weg. Insgesamt halte ich den Wind in Oberösterreich, im Vergleich zu anderen Teilen Österreichs, für gering bis mäßig. Wenn Bird Life in ihrer Studie das anders beurteilt gut – ich interpretiere es so und andere interpretieren es anders.

Ihre sehr rote Karte von OÖ beinhaltet auch „schützenwerte Großlandschaften“. Bei einem UVP-Verfahren gibt es diese Kategorie gar nicht und es gibt auch keine rechtliche Definition dafür. 
Das stimmt so nicht, der Landschaftsschutz ist im UVP-Verfahren verankert, aber der Terminus „schützenswerte Großlandschaft“ ist nicht drinnen. Das ist von uns. Wir sagen, dass es bestimmte Landschaften und homogene Bereiche mit einem schützenswerten Charakter gibt. Das gibt es in Niederösterreich auch, etwa die Wachau – dort werden keine Windräder gebaut.

Also haben Sie das erfunden, um die ganze OÖ-Karte rot einfärben zu können?
Der Umweltanwalt ist nur einfach Partei im Verfahren. Aber all jene, die glauben, dass der Landschaftsschutz nicht wichtig wäre, machen ihren Urlaub trotzdem nicht auf Parndorfer Platte, weil es landschaftlich dort so schön ist.

Der oö. Umweltanwalt sieht das Windkraftpotenzial in Oberösterreich hingegen "äußerst gering", weil er es "einfach so interpretiert", sagt er im Gespräch mit der BezirksRundSchau. | Foto: Screenshot BRS/Umweltanwaltschaft
  • Der oö. Umweltanwalt sieht das Windkraftpotenzial in Oberösterreich hingegen "äußerst gering", weil er es "einfach so interpretiert", sagt er im Gespräch mit der BezirksRundSchau.
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Aber nochmal: Es gibt keine eigentlich „schützenswerte Großlandschaften“, das haben Sie einfach erfunden?
Die Basis dafür sind die Bestimmungen des Landschaftsschutzes, die sind im UVP-Gesetz und im Naturschutzgesetz festgehalten. Es ist ein fachliches Urteil – was wir fachlich als zusammenhängende Großlandschaften definieren. Und deren Charakter würde sich durch eine andere Art der Nutzung, also die Windkraftnutzung, grundsätzlich ändern. Die meisten Aspekte sind fachliche und keine rechtlichen Einschätzungen.

Sie argumentieren in Ihrem Papier mit dem Menschenschutz. Sind Sie nicht als Umweltanwalt für die Umwelt zuständig?
Wir sind auch für Lärm- oder Geruchsbelästigungen, etwa bei Schweineställen, zuständig. Es geht da um Umweltbelastungen, bei den Windkraftanlagen geht es um Emissionsschutz.

Sie meinen im Sinne von Schall?
Ja, Schall, Eiswurf oder Stroboskopeffekt.

Aber müssten Sie sich dann nicht auf jeder Autobahn anketten? Die Emissionen des Autoverkehrs sind für zigtausende Lungenkrankheiten und auch Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Eine Autobahn ist eine viel größere Belastung für die Menschen als ein Windrad.
Rechtfertigt ein Übel ein anderes Übel?

Naja, es ist schon eine berechtigte Frage, warum gerade die Windräder dem Umweltanwalt so ein Dorn im Auge sind!
Dann müssen Sie unsere Stellungnahmen lesen. Es gibt genügend Stellungnahmen von uns zu den Landesstraßen und den Emissionen des Verkehrs.

Die Studie von Bird Life kommt zu dem Schluss, dass OÖ ein "relativ hohes Windkraftpotenzial" hat. | Foto: Bird Life
  • Die Studie von Bird Life kommt zu dem Schluss, dass OÖ ein "relativ hohes Windkraftpotenzial" hat.
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Wenn man zu dem Windkraft-Thema in OÖ recherchiert, heißt es inoffiziell: Der Umweltanwalt mag einfach keine Windräder, deshalb hat er so ein Papier vorgelegt.
Je nach Interessen gibt es alle möglichen Zuschreibungen. Mit denen muss man leben. Manchen geht man bei gewissen Dingen zu weit, anderen nicht weit genug. Was aber Fakt ist, dass das Landschaftsbild für die Menschen, und auch für mich, emotional etwas ganz Wichtiges ist. Deshalb entzündet sich die Debatte daran, wenn das Landschaftsbild ignoriert wird. Es gibt natürlich Landschaften, in denen Eingriffe eher verschwinden – und andere, wo solche Eingriffe den Charakter einer Landschaft grundsätzlich ändern. Ein Beispiel sind große 110 KV-Stromleitungen – es gibt Agrarlandschaften, da geht die Leitung optisch fast unter. Wenn man aber eine Schneise durch den Wald schlägt, dann fällt das viel mehr auf. Und moderne Windräder in einem großen, zusammenhängenden Waldgebiet – die kann man dort nicht verstecken, und der grundsätzliche Charakter einer Landschaft ist dann ein anderer. 

Gut, zum Schluss: Wie funktioniert die Energiewende? Wir werden mehr Strom für E-Autos, Wärmepumpen und  die Wirtschaft brauchen. Oder importieren wir einfach massiv Energie, weil wir sie selber nicht produzieren wollen?
In Ihrer Argumentation ist schon ein grundsätzlicher Fehler, weil sie akzeptieren, dass sich nichts ändern muss: Jeder darf weiterhin sein Auto fahren, und so weiter. Die Frage wird schon sein, wie Mobilität gestaltet wird. Ein Beispiel: Wenn die Regiotram in Richtung Gallneukirchen erst irgendwann Ende der 2030er-Jahre kommt, dann liegen die Prioritäten falsch.

…aber wer sollte jemand anderem anschaffen, auf sein Auto zu verzichten?
Wir müssen uns einfach überlegen, bei gewissen Sachen zurückzuschrauben, und die Energie, die wir haben, effizienter nützen.

Wahrscheinlicher ist, dass die Menschen ihr Verhalten nicht grundsätzlich ändern und wir einfach mehr Energie brauchen. Wie machen wir das dann?
Glauben Sie, dass 400 Windräder in Oberösterreich eine entscheidende Veränderung brächten und wir dann einfach so weiter machen können wie bisher?

Es wird nicht alles gut sein, aber ganz ohne zusätzliche Windkraft – wie soll das gehen? 
Es gibt den oberösterreichischen Klima- und Energieplan. Darin ist das skizziert, wie Oberösterreich energieeffizienter wird und andere Energie erzeugt – damit Energie zur Verfügung steht, um die Industrie zu halten.

Aber wie erzeugen wir die Energie?
Ja, es wird auch Windkraft sein, aber es wird nicht so sein, dass wir überall die Windräder hinstellen können – und die Limitationen haben wir aufgezeigt. Aber ich kann Ihnen keine abschließende Antwort geben.

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