Greiner AG-Chef Kühner im Interview
"Arbeitskräftemangel wird die größte Herausforderung"

Axel Kühner ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der Greiner AG. | Foto: Hillebrand/Greiner AG
6Bilder
  • Axel Kühner ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der Greiner AG.
  • Foto: Hillebrand/Greiner AG
  • hochgeladen von Thomas Kramesberger

Axel Kühner, Vorstandsvorsitzender der Greiner AG, spricht im Interview mit der BezirksRundSchau über die Geschäftsentwicklung seit der Corona-Krise und erklärt, wie die Herstellung von Kunststoff- und Schaumstoffen mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz  zusammenpassen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Kremsmünster (Bezirk Kirchdorf) beschäftigt mehr als 11.000 Mitarbeiter in 33 Ländern. Der sich zuspitzende Arbeits- und Fachkräftemangel sei die größte wirtschaftspolitische Herausforderung der nächsten Jahre, meint Kühner. Das Interview fand in der neuen Raiffeisen Arena in Linz statt – Greiner ist Sponsor der LASK-Frauenmannschaft. 

Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Greiner hat in der Corona-Krise im Medizintechnik-Bereich, etwa mit Plastikröhrchen für Gurgeltests, gute Geschäfte gemacht. Dafür ging der Umsatz bei Automotive und Aerospace zurück. Wie hat sich das Geschäft seither entwickelt?
Kühner
: Das Packaging-Geschäft ist seit der Pandemie auf sehr hohem Niveau und läuft stabil. Im Medizintechnik-Bereich gab es unterschiedliche Phasen – zunächst hatten wir einen Rückgang, aber das konnten wir durch die Covid-Teströhrchen gut kompensieren. In diesem Bereich haben wir noch hohe Lagerbestände, die abgebaut werden müssen. Am schwierigsten ist derzeit die Situation im Schaumstoffbereich – da haben die Menschen, Stichwort Cocooning, in der Pandemie Matratzen und Möbel gekauft, und es sich zu Hause schön gemacht. Jetzt wollen die Leute raus und Urlaub machen und haben einen anderen Fokus. Im Aerospacebereich ist die Nachfrage hingegen deutlich schneller zurückgekommen als erwartet, sodass wir – und andere Zulieferer – gar nicht alles bedienen können. Deshalb fahren wir dort gerade Kapazitäten hoch. Im Automobilbereich liegen die Abrufzahlen noch hinter den Erwartungen zurück. Unterm Strich also, in der Gesamtschau, mit Ukraine-Krieg, Energiepreisen und Inflation eine sehr volatile Situation.

Sie veröffentlichen erst in den nächsten Wochen die konkreten Zahlen zum Vorjahr, aber wie lief das letzte Geschäftsjahr für Greiner?
Wir sind wieder gewachsen, einerseits durch die Preiserhöhungen beim Rohmaterial, die wir weitergeben mussten, aber auch durch die Menge. Wir liegen noch immer über dem Niveau vor der Krise – aber nicht mehr auf dem außerordentlichen Niveau, das wir in der Krise hatten. 2022 war sicherlich ein gutes Jahr, aber nachdem wir zuvor so außerordentlich performt hatten, fühlt sich eine Normalität nun etwas schwierig an. Aber es wäre vermessen, wenn wir nicht sehr zufrieden wären mit dem abgelaufenen Jahr.

Und die Aussicht ins aktuelle Jahr?
Das wird deutlich schwieriger, weil vieles unklar ist. Menschen haben Angst, was die Inflation mit Arbeitsplätzen und Einkommen macht. 2023 kann sich natürlich besser entwickeln, als wir das befürchten, aber ich bin nicht so wirklich optimistisch. Es ist einfach enorm schwierig, die wirtschaftliche Entwicklung unter den derzeitigen Rahmenbedingungen vorherzusehen. Man sieht zwar, dass sich die Rohstoffpreise normalisiert haben und die Energiepreise zurückgehen. Aber niemand weiß, was im Herbst wirklich passiert. 

Greiner hat sich Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben – wie geht das mit der Herstellung von Kunststoffprodukten zusammen?
Man muss sich da zunächst die Frage stellen, was Nachhaltigkeit ist. Wenn man Nachhaltigkeit nur über die Vermüllung der Weltmeere definiert, dann ist das natürlich ein großes Problem. Ein Problem, bei dem wir unsere Verantwortung auch sehen, weil wir ein globales Unternehmen sind, das Plastikverpackungen herstellt. Es wäre also merkwürdig, wenn wir nicht bereit wären, diese Verantwortung zu übernehmen. Andererseits wollen wir den Nachhaltigkeitsbegriff weiter fassen – und Klimaschutz und CO2-Reduktion einen höheren Stellenwert geben. Natürlich ist die Verschmutzung der Meere ein Problem, aber der Klimawandel ist ein viel größeres und akuteres Problem, das uns alle betrifft. Und der Kunststoff ist ein großer Treiber gegen die Klimaerwärmung, weil die CO2-Bilanz von einem Jogurt-Becher aus Kunststoff viel besser ist als von einem Becher aus Glas. Man braucht beide nur in die Hand zu nehmen und merkt den Gewichtsunterschied – man braucht also mehr Energie, um den Glas-Becher herzustellen, ebenso für den Transport und gleiches gilt für Recycling und Entsorgung. 


Ist von Kunden und Konsumenten schon mehr Druck dahinter, bei Produkten den Klimaschutz und Nachhaltigkeit mitzukaufen? Und rechnet sich das schon für euch?
Ja, die Nachfrage ist da. Aber ich denke, dass sich gewisse Dinge erst am langen Ende rechnen werden. Wir haben schon 2015 eine Nachhaltigkeitsstrategie aufgesetzt. Wir wollten eine Lösung für das „End of Life" eines Kunststoffproduktes haben. Und wir sehen, dass Nachhaltigkeit mittlerweile ein Geschäftsmodell ist. Das ist etwas Positives, weil wir davon überzeugt sind, dass diejenigen, die nachhaltige Produkte herstellen, sich am Markt durchsetzen werden. Bestes Beispiel ist unser K3-Joghurtbecher – eine Kunststoff-Karton-Kombination, die hat Greiner erfunden. In der neuen Version dieses Joghurtbechers lösen sich aufgrund des Drucks im Müllwagen Kunststoff und Karton voneinander. Also ist es nicht mehr vom Konsumenten abhängig, ob das Produkt recyclingfähig ist. Solche Produkte sind es, die den Markt verändern.

Foto: Hillebrand/Greiner AG

Greiner hat in Serbien ein Recycling-Unternehmen gekauft. Also Sie wollen damit die ganze Kette – von der Produktion bis zur Wiederverwertung – abdecken?
Für uns ist klar, dass der Weg in Richtung "Rezyklate" geht. Dafür ist die EU-Gesetzgebung, die auf nationaler Ebene umgesetzt werden muss, ein Treiber. In diesem Fall begrüße ich die Gesetzgebung ausdrücklich, obwohl ich sonst kein Freund von zu vielen gesetzlichen Vorgaben bin. Aber für diesen Bereich ist es wichtig, um etwas in Gang zu bringen. Es gibt also eine hohe Nachfrage nach diesen Rezyklaten und wir waren uns einfach nicht sicher, ob es immer einen ausreichend großen Markt geben wird, wo wir das Material zukaufen können. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, unser eigenes Material herzustellen. Die Akquisition in Serbien war aber nur ein erster Schritt…

… also Sie suchen weitere Recycling-Unternehmen?
Wir werden den Standort in Serbien ausbauen und suchen nach weiteren Übernahmemöglichkeiten. Immer mit dem Ziel, unsere eigene Rohmaterialbasis herzustellen.

Sie sind persönlich seit Kurzem für Human Resources zuständig. Warum ist das nun Chefsache?
Wir haben uns im Vorjahr die Frage gestellt, was die größte Herausforderung in den nächsten 15 Jahren sein wird. Und die Antwort war immer die Gleiche: Wo kriegen wir die besten Talente her? Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir noch nicht genug in diesem Bereich machen und dann war es nur logisch, dass ich mich selbst darum kümmern werde. Mit Manfred Stanek haben wir deshalb einen dritten Vorstand für das operative Geschäft etabliert. Und ja, der Arbeits- und Fachkräftemangel wird sicher die größte Herausforderung in den nächsten Jahren sein.

Foto: Hillebrand/Greiner AG

Ist der Greiner-Standort in Wien ein Ausfluss der schwierigen Arbeitskräftesituation in OÖ?
In Oberösterreich auf dem Land ist die Personalsuche eine Herausforderung – speziell bei administrativen Funktionen. Im Zentralraum gibt es mittlerweile so viele tolle Firmen, weswegen Arbeitnehmer natürlich überlegen, ob sie eine halbe Stunde nach Kremsmünster pendeln wollen. Deswegen dränge ich schon seit Jahren die Gemeinden vor Ort, dass sie etwas tun müssen, um attraktiver zu werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Die Anreise zum Arbeitsplatz ist einfach wichtig, die Menschen wollen nicht mehr so lange fahren – und sie können es sich auch erlauben, nicht mehr so lange zu fahren. Darum haben wir vor mehr als drei Jahren die Entscheidung getroffen, einen zweiten Headquarter-Standort in Wien zu eröffnen. Wir bleiben aber natürlich ein oberösterreichisches Unternehmen. 

Wie kriegt man in Zukunft noch Arbeitskräfte? Mehr Home-Office, Vier-Tage-Woche?
Die Lösung wird mehrere Komponenten haben, aber das Wichtigste ist die Flexibilität. Arbeitgeber müssen einfach viel flexibler werden. Es müssen sich nicht mehr die Arbeitnehmer an die Arbeitgeber anpassen, sondern umgekehrt. Wer nicht bereit ist, diesen Schritt zu gehen, wird sich wirklich schwertun. Und sogar, wenn es zu einer Rezession kommen sollte – die wird dann manches verändern, aber ein Trend wird bleiben: Arbeitskräfte sind knapp, speziell gut ausgebildete Fachkräfte.
Wir müssen uns auch viel proaktiver dem Thema Zuwanderung stellen. Leider wird in der öffentlichen Debatte Asyl und Zuwanderung immer in einen Topf geworfen, darum wird Zuwanderung in der breiten Öffentlichkeit so negativ gesehen. Wir sollten uns als Gesellschaft trauen, zu sagen, welche Zuwanderung wir brauchen. Und wenn wir den Arbeitskräftemangel adressieren wollen, können wir auch noch über die Frauenerwerbsquote ein großes Potenzial heben. 

Sie meinen, die Kinderbetreuung ausbauen?
Ja, aber aktuelle Studien zeigen, dass das alleine die Situation nicht verändern wird. Speziell am Land lastet noch immer sehr viel sozialer Druck auf jungen Eltern. So quasi: „Was, du gibst dein Kind weg?“. Solange es solche Sätze gibt, dürfen wir uns über den hohen Teilzeitanteil nicht wundern. Natürlich braucht es die Wahlfreiheit zwischen Voll- und Teilzeit, aber es muss auch attraktiver werden, weniger Teilzeit zu arbeiten. Aber solange man so hohe Steuern bezahlt, ist es für viele auch gar nicht attraktiv, mehr zu verdienen. Die Abschaffung der kalten Progression war ein richtiger Schritt, aber da muss noch mehr in diese Richtung kommen. Die Politik hat viele Instrumente in der Hand, aber auch die Gesellschaft muss jungen Familien und Frauen vermitteln: Es ist gut, wenn ihr eure Kinder professionell betreuen lasst und wieder ins Arbeitsleben zurückkommt. Wir brauchen euch für den gesellschaftlichen Wohlstand in der Zukunft.

Das Interview fand im neuen LASK-Stadion statt, da Greiner die LASK-Frauenmannschaft unterstützt. | Foto: Hillebrand/Greiner AG
  • Das Interview fand im neuen LASK-Stadion statt, da Greiner die LASK-Frauenmannschaft unterstützt.
  • Foto: Hillebrand/Greiner AG
  • hochgeladen von Thomas Kramesberger

Wenn Sie abwiegen müssten: Ist der Arbeitskräftemangel oder sind die hohen Energiepreise für Europa die größere Herausforderung?
Für mich ist es eindeutig die Arbeitskräfteverfügbarkeit. Natürlich führen hohe Energiepreise zu einer Transformation und einer Verschiebung von Produktion. BASF in Deutschland ist das beste Beispiel, das ist total nachvollziehbar. Die energieintensive Industrie geht dorthin, wo es die besten Standortfaktoren gibt. Das ist nicht schön, keine Frage. Aber ist es dramatisch? Aus meiner Sicht nicht. Das ist eine normale, wirtschaftliche Veränderung. Die Frage für Oberösterreich und Österreich ist: Was ist unser Geschäftsmodell? Und da finde ich es am Wichtigsten, dass wir mehr in Bildung und Ausbildung investieren. Dort wird in Zukunft die Musik spielen.

Anzeige
Foto: Cityfoto
8

Innovationen von morgen
"Lange Nacht der Forschung“ am 24. Mai

Unter dem bundesweiten Motto „Mitmachen. Staunen. Entdecken.“ bietet Oberösterreich bei der elften Auflage der Langen Nacht der Forschung 2024 (#LNF24) am Freitag, 24. Mai 2024 von 17 bis 23 Uhr ein breit gespanntes LIVE-Programm. In zehn Regionen in Oberösterreich laden rund 140 Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Technologiezentren und innovative Unternehmen dazu ein, einen Blick in die faszinierende Welt der Forschung zu werfen. Auf Entdecker:innen jeden Alters wartet ein...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Oberösterreich auf MeinBezirk.at/Oberösterreich

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau auf Facebook: MeinBezirk.at/Oberösterreich - BezirksRundSchau

BezirksRundSchau auf Instagram: @bezirksrundschau.meinbezirk.at

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Beliebte Video-Beiträge

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.