AMS-Leiter Burgstaller
"Wir müssen eine neue Willkommenskultur etablieren"
Der Leiter des AMS in Bischofshofen, Thomas Burgstaller, spricht über die Lage am Pongauer Arbeitsmarkt. Er erklärt, warum der Personalmangel bestehen bleiben wird und führt aus, wo man noch potentielle Arbeitskräfte gewinnen könnte.
PONGAU. "Der Mangel an Arbeitskräften wird bleiben", fasst Thomas Burgstaller, Leiter der Bezirksstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) in Bischofshofen, die Lage am heimischen Arbeitsmarkt in einer Halbjahresbilanz zusammen. Man spüre in einigen Branchen — etwa im Bauwesen oder im Tourismus — zwar langsam einen Anstieg der Arbeitslosigkeit angesichts des Konjunkturabschwunges. "Mit einer Arbeitslosenquote von 2,8 Prozent im Juni haben wir im Pongau aber weiterhin de facto Vollbeschäftigung", so Burgstaller.
Stellenbesetzung als Herausforderung
Aufgrund des demographischen Wandels — starke Geburtenjahrgänge gehen in Pension und geburtenschwache Jahrgänge kommen nach — werde es immer schwieriger, offene Potentiale am Arbeitsmarkt zu finden. "Wir können aktuell keine großen Sprünge machen. Wir müssen beim AMS schlichtweg schauen, wie wir offene Stellen besetzen können", sagt Burgstaller. Gerade in kleineren Betrieben gehe es dabei auch um die Sicherung unternehmerischer Existenzen. Das aktuell leicht wachsende Arbeitskräfte-Angebot könne punktuell zwar Abhilfe leisten, sei aber keine Lösung für den andauernden Personalmangel.
Geld für Betreuung zu Hause: "Völlig daneben"
Burgstaller ortet dennoch einzelne Stellschrauben, an denen man drehen könnte, um die Lage zu verbessern. Im Handel treffe etwa eine relativ hohe Arbeitslosigkeit auf eine starke Nachfrage nach Mitarbeitern. "Hier merken wir, dass die Öffnungszeiten speziell für Frauen oft nicht mit der Kinderbetreuung vereinbar sind", erklärt er.
Ausgedehnte Öffnungszeiten in den Betreuungseinrichtungen und betriebliche Kindergärten könnten hier Abhilfe leisten. Die von der schwarz-blauen Koalition geplanten, finanziellen Unterstützungsleistungen für Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen — Stichwort "Herdprämie" — bezeichnet Burgstaller auf Nachfrage als "völlig daneben".
Wiener Arbeitskraft im Pongau?
Um den Personalmangel in größerem Stil zu entschärfen, müsse man aber ohnehin über die Region hinausdenken. "Die Verschiebung von Arbeitskräften muss ein Ziel sein", ist der AMS-Leiter überzeugt. Im Pflegebereich könne man etwa verstärkt Personal aus Drittstaaten mit der Rot-Weiß-Rot Karte ins Land holen. In Österreich sieht Burgstaller speziell im Osten des Landes Potential.
In Wien lag die Arbeitslosenquote im Juni bei über zehn Prozent. "Wir müssen eine neue Willkommenskultur etablieren, um Arbeitskräfte in unsere Region zu bringen", sagt Burgstaller. Das AMS werde daher im Herbst ein sogenanntes "Welcome-Center" einrichten, um "den Pongau als Aufnahmeregion zu etablieren". Das Potential in der Bundeshauptstadt sieht der Experte vor allem bei geflüchteten und vertriebenen Menschen.
Sinkende Qualität beim Nachwuchs
Angesprochen auf die Erfahrungsberichte von Pongauer Unternehmern, wonach etwa Lehrlinge in Handwerksbranchen kaum mehr dieselbe Leistung erbringen, wie noch Auszubildende vor einigen Jahren, räumt Burgstaller ein: "Das Bildungsniveau bei jenen, die direkt nach der Pflichtschule ins Arbeitsleben einsteigen, ist gesunken. Personaler berichten von einem sinkenden Qualitätsniveau."
Hier gebe es Verbesserungsbedarf in der frühen, schulischen Bildung. "Ein Schulabschluss muss so sein, dass die Jugendlichen die Anforderungen einer Lehre auch erfüllen", betont der AMS-Leiter. Bei Lehrlingen aus Familien der migrantischen Community sei oftmals die Schriftsprache, etwa in der Berufsschule oder bei Lehrabschlussprüfungen, ein Problem.
Lehre nach der Matura als Option
Im Juni kamen den AMS-Statistiken zufolge auf 224 offene Lehrstellen im Pongau nur 13 Suchende. Auch wenn Ausbildungsplätze oft durch persönliche Kontakte vermittelt werden und damit nicht in der Statistik aufscheinen, besteht hier eine klare Lücke. Das AMS werde daher verstärkt versuchen, Menschen für eine Lehre als zweiten Bildungsweg zu begeistern.
"Dafür werden wir auch in den Höheren Schulen Berufsinformationen anbieten", erklärt Burgstaller. Während sich die Lehre mit Matura bereits etabliert habe, werde die Lehre nach der Matura noch selten in Erwägung gezogen. "Dabei hätte man mit dieser Kombination extrem gute Aussichten am Arbeitsmarkt", betont Burgstaller.
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.