Junge Menschen leiden
"Wir verzichten gerade auf unsere Jugend"

- Das empire St. Matin hat coronabedingt bereits seit einem Jahr geschlossen.
- Foto: Foto: empire St. Martin
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Seit knapp einem Jahr leben wir nun mit zahlreichen Einschränkungen. Das Corona-Virus hat viele hart getroffen. Auch die Jugendlichen leiden sehr unter den Auswirkungen der Pandemie.
BEZIRK ROHRBACH. "Ich vermisse es sehr, mit meinen Freunden fortzugehen", sagt Nicole aus Kleinzell. Drei Monate, bevor die Diskotheken ihre Pforten schließen mussten, feierte sie noch ihren 18. Geburtstag. "Die Freude, dass ich endlich erwachsen bin, den Autoführerschein habe und mir nun alle Türen offen stehen, war groß. Doch jetzt habe ich das Gefühl, dass mir die Zeit davonläuft", so die Kleinzellerin. Vor der Corona-Pandemie war sie nahezu jedes Wochenende unterwegs, doch das geht jetzt nicht mehr. "Um die Sicherheit der anderen gewährleisten zu können, verzichten meine Freunde und ich gerade auf unsere Jugend. Und diese kann uns niemand mehr zurückgeben", bedauert Nicole.
"Heute wäre ich alt genug"
Klaus aus St. Ulrich geht es ähnlich: "Ich bin vier Wochen vor dem ersten Lockdown 16 geworden und habe mich so gefreut, endlich richtig fortgehen zu können. Doch nach vier Besuchen im empire St. Martin war dann schon wieder Schluss." Seitdem verbringt der mittlerweile 17-Jährige die meiste Zeit zuhause oder trifft sich, sofern es erlaubt ist, in kleiner Runde mit seinen Freunden. "In den letzten Jahren habe ich meinem älteren Bruder immer dabei zugesehen, wie er fortgeht, neue Leute kennenlernt und immer viel Spaß hat.
Wenn er mit seinen Freunden in eine Disco gefahren ist, habe ich mir meistens einen Film angesehen oder bin ins Bett gegangen, weil ich noch zu jung für das Nachtleben war. Heute wäre ich zumindest für das empire St. Martin alt genug, doch das ist nun auch seit knapp einem Jahr geschlossen", sagt der 17-Jährige. Klaus erklärt, dass er sich testen lassen würde, um fortgehen zu können. Eine langfristige Lösung sei das aber nicht: "Wenn ich mich zum Beispiel am Abend entscheide, feiern zu gehen und keinen negativen Test vorweisen kann, bringt mir das nichts, dass die Disco offen ist. Spontane Aktionen kann man dann vergessen."

- Die BezirksRundschau Rohrbach führte eine Umfrage durch.
- Foto: Foto: BRS Rohrbach
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Perspektivenlosigkeit und Zukunftsängste
Susanne Zauner, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, bestätigt, dass social distancing für Menschen jeden Alters eine Einschränkung und mit zunehmender Dauer eine Belastung ist. "Junge Menschen brauchen den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen besonders. Sie lernen voneinander, können sich ausprobieren und daran wachsen", sagt Zauner. Aufgrund des Lockdowns nimmt sie in ihrer Praxis bei jugendlichen Klienten vermehrt Perspektivenlosigkeit, Zukunftsängste bis hin zu suizidalen Gedanken wahr. Es könne sogar so weit gehen, dass die Jugendlichen unfähig sind, aufzustehen und die alltäglichen Verrichtungen, wie Körperpflege, zu erledigen. Diese Phänomene seien vermehrt ab dem zweiten Lockdown aufgetreten.
"Je länger diese Einschränkungen dauern, umso weniger sind die Menschen bereit, sich daran zu halten. Es ist verständlich, dass Jugendliche teilweise versuchen, Schlupflöcher zu finden, um wieder etwas Normalität zu erleben. Nichtsdestotrotz sind Partys aber nicht erlaubt", erklärt die Psychotherapeutin. Der Medienkonsum unter den Jugendlichen habe laut Zauners Meinung deutlich zugenommen. Das soziale Leben habe sich in die digitale Welt verlagert. "Oft verbringen sie den meisten Teil ihrer Freizeit beispielsweise mit Onlinespielen.
Darin steckt Suchtpotential. Das hat negative Auswirkungen auf die Zeit nach Corona", warnt Zauner. Die Therapeutin ermutigt Jugendliche eine gewisse Tagesstruktur beizubehalten, rauszugehen und Outdooraktivitäten aufzunehmen, vor allem, wenn das Wetter wärmer wird. "Wenn die Gefahr besteht, dass einem die Decke auf dem Kopf fällt, dann bleibt nicht sitzen und wartet", appelliert Zauner sich im Freien zu betätigen.
Jugendliche halten sich an Regeln
Laut Bezirkspolizeikommandant Martin Petermüller habe man im Bezirk Rohrbach keine Probleme mit feierwütigen Jugendlichen: "Vor ein paar Wochen gab es einen kleinen Vorfall, aber in der letzten Zeit ist es sehr ruhig. Da die Diskotheken geschlossen sind, fallen auch die nächtlichen Einsätze in diesem Zusammenhang weg." Petermüller weist aber darauf hin, dass nach wie vor regelmäßige Kontrollen in den Rohrbacher Lokalen stattfinden.
Zur Sache:
Jugendliche verbringen seit Beginn der Corona-Pandemie mehr Zeit am Handy und am Computer. Susanne Zauner rät jungen und auch älteren Menschen, eine gewisse Tagesstruktur beizubehalten, rauszugehen und Outdooraktivitäten aufzunehmen, vor allem, wenn das Wetter wärmer wird.
Positive Aspekte in dieser besonderen Zeit können sein, neue kreative Formen der Freizeitgestaltung zu entdecken oder wieder mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.
Bei unerlaubten Corona-Partys drohen Strafen von bis zu 1.450 Euro.
Hilfe für Jugendliche:
Krisenhilfe OÖ: 0732/2177
Rat auf Draht: 147
Ö3-Kummernummer: 116 123
Die Plattform bittelebe.at widmet sich dem Suizid – und klärt auf, was man tun kann, wenn man Angst hat, dass sich Freunde etwas antun könnten.
Kommentar: Verpassen die beste Zeit im Leben
Das Corona-Virus hat viele hart getroffen. Besonders junge Menschen leiden unter den Auswirkungen. Unzählige haben sich bereits darauf gefreut, endlich das empire St. Martin von innen zu sehen. Andere wollten in der Disco be Happy in Oepping tanzen, singen und feiern. Daraus wird aber leider nichts. Das Traurige daran ist, dass diese Zeit nicht nachgeholt werden kann. Einen Urlaub oder andere Vorhaben kann man verschieben.
Die Jugend gibt einem aber keiner mehr zurück. Klar, die Pandemie ist auch für ältere Menschen nicht leicht. Es macht aber dennoch einen großen Unterschied, ob man 60 oder 16 Jahre alt ist. Auch mit 40 oder 50 Jahren denkt man über ganz andere Dinge nach. In diesem Alter wird kaum noch jemand die Energie oder die Zeit für Partys und mehrtägige Festivals haben.



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