Tennengauer Dialoge
Die Stärke Europas ist die Einigkeit trotz ihrer Vielfalt

Europas Regionen diskutieren zum 19. Mal im Rahmen der IRE Salzburg Europe Summit über aktuelle europäische Themen. Dabei spannen sich die Themen der Expertinnen und Experten über die modernere Stadtplanung, dem Wiederaufbau der Ukraine über Industrie, Klimaschutz und Energie bis hin zur Regionalität. Im Vorfeld wurde mit dem Vorsitzenden des Instituts der Regionen (IRE) Franz Schausberger über die Herausforderungen der Zukunft gesprochen.

SALZBURG. Europa steht derzeit (wieder einmal) vor großen Herausforderungen. Während der Krieg in der Ukraine große Opfer auf beiden Seiten fordert und durch das Getreideembargo Russlands Menschen auf der ganzen Welt hungern, wird bereits an einen Wiederaufbau des Landes und dessen Zukunft in Europa gedacht. Aber neben der Ukraine gibt es noch weitere Beitrittskandidaten. 
 

Im Vorfeld der Salzburg Europe Summit sprach Martin Schöndorfer (v.l., Redaktion Zentralraum Salzburg) mit dem Vorsitzenden des Instituts der Regionen (IRE) Franz Schausberger über die Herausforderungen der Zukunft der EU. | Foto: Stefan Schubert
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BEZIRKSBLÄTTER: Welche Chancen bietet die EU Erweiterung am Westbalkan, es gibt ja bereits mehrere Kandidaten die den Status eines Beitragskandidaten haben?

FRANZ SCHAUSBERGER: Der Westbalkan und die sechs Westbalkanstaaten die dazugehören, sind von einer großen Bedeutung für die Entwicklung der Europäischen Union (EU). Daher müssen wir der Erweiterung einen ganz wesentlichen Platz zumessen. Hier hat die Europäische Union noch Handlungsbedarf. Wir vertrösten etwa die sechs Staaten am Westbalkan seit vielen Jahren. Wenn wir von einem Europa aller Staaten ernsthaft sprechen, dann gehören diese sechs Staaten dazu. Die EU muss hier ihre Bemühungen intensivieren. Wir wissen alle, dass das keine einfache Sache ist. - Wir können uns erinnern, dass dort vor dreißig Jahren ein schrecklicher Krieg geherrscht hat. Das hat natürlich Auswirkungen bis heute. Es gibt keine Familie, die nicht in irgendeiner Form betroffen war und jemanden verloren hat. - Letztendlich hat hier die EU dazu beigetragen eine Entspannung herbei zu führen.

Zum 19. Mal diskutiern im Rahmen der IRE Salzburg Europe Summit Experten in Salzburg. Ein Gespräch mit dem IRE Vorstand Franz Schausberger. | Foto: Stefan Schubert
  • Zum 19. Mal diskutiern im Rahmen der IRE Salzburg Europe Summit Experten in Salzburg. Ein Gespräch mit dem IRE Vorstand Franz Schausberger.
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Aber es gibt noch viele Probleme, die auch in den Ländern selbst liegen. Aber wenn wir nicht mehr machen, dann werden Kräfte von außerhalb Europas und der EU versuchen immer mehr Einfluss auf diese Staaten zu nehmen. Konkret gibt es hier Versuche von Russland, China oder von Arabischen Staaten. Wir sollten schauen, dass diese Länder auf den europäischen Weg kommen. Das ist nicht nur im Interesse dieser Staaten, sondern auch im Interesse von Europa. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind dort unter anderem sehr groß. Ich habe momentan das Gefühl, dass manche Staaten eigentlich keine Erweiterung wollen. Sie reden zwar von der Erweiterung, aber im Hinterkopf sagen sie "Eigentlich wollen wir doch alle nicht". Das spüren die betroffenen Länder. Und dann wird es noch komplizierter. Das Zweite, was mir schon zu denken gibt, ist, dass wir nicht vergessen sollten, dass die Europäische Union auch ein Friedensprojekt ist.

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Ist der Green Deal schon gescheitert oder gibt es noch Hoffnung?

SCHAUSBERGER: Der Green Deal war ja einer der Schwerpunkte der derzeitigen Vorsitzenden der Europäischen Union, Ursula von der Leyen. Man muss ehrlich sagen, bis die Krisen wie die Pandemie oder der Ukraine Krieg begonnen haben, ist da einiges voran gegangen. Den Green Deal kann man ganz sicher nicht als gescheitert bezeichnen. Das Einzige - und das will ich positiv sehen - wir müssen das Ziel vor Augen haben.  Bei der praktischen Umsetzung müssen wir manchmal etwas realistischer sein.

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Ich glaube Europa
und die europäischen Unternehmen haben den Vorteil gegenüber anderen Erdteilen, dass sie durchaus sehr innovativ sind. Aber wir müssen auf der anderen Seite berücksichtigen, dass die Industrie das stemmen muss. Daher glaube ich, dass es nicht sinnvoll ist, bei der Zielsetzung unrealistische Jahreszahlen anzugeben, wie das alle Autos mit CO2 Ausstoß bis 2035 verschwinden. - Da muss man sich schon sicher sein, dass das auch wirklich in der Praxis umsetzbar ist. Was wir nicht wollen ist, dass wegen überzogener Kriterien manche Unternehmen oder Branchen wo anders hin abwandern wo sie nicht so einem Druck ausgesetzt sind. Man soll einen ausgewogenen Weg finden, wo man die Ziele nicht aus den Augen verliert und trotzdem diese Vorgaben stemmen kann. Wir müssen sehen, dass ganz Europa mit China eine Konkurrenz hat.

"Wohin entwickelt sich Europa bzw. wohin soll es sich entwickeln?", Martin Schöndorfer | Foto: Stefan Schubert
  • "Wohin entwickelt sich Europa bzw. wohin soll es sich entwickeln?", Martin Schöndorfer
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Wohin entwickelt sich Europa bzw. wohin soll es sich entwickeln?


SCHAUSBERGER
: Das Projekt der EU ist unbezahlbar. Es ist das, wofür es damals geplant war; es ist in erster Linie ein Friedensprojekt. Das hat sich bewährt. Innerhalb der Europäischen Union gibt es seit Jahrzehnten Frieden. Was nicht heißt, dass es nicht in Europa Konflikte gegeben hat. Weil eben nicht alle Staaten in Europa Mitglied der EU sind. Daher müssen wir der Erweiterung einen ganz wesentlichen Platz zumessen. 

Da hat die EU noch Handlungsbedarf. Wir vertrösten die sechs Staaten am Westbalkan seit vielen Jahren. Natürlich müssen die viel machen. Aber man müsste sich viel mehr darauf konzentrieren, mit denen im Gespräch zu sein. Auch wenn manche dabei sind, wie die Republik Srpska, die es einem nicht leicht macht. Aber wenn man nicht mit ihnen redet oder empfängt, dann drängt man sie automatisch aus dem europäischen Kreis hinaus, und das soll nicht sein. Für die Zukunft ist die Erweiterung ganz wesentlich. Da habe ich den Eindruck, dass manche Staaten zwar darüber reden, es aber eigentlich nicht wollen. Das spüren diese Staaten und dann wird es noch komplizierter. Das Zweite, dass mir zu denken gibt, ist eine immer stärker werdende Radikalisierung und Spaltung.

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Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Da spielen viele Dinge eine Rolle. Es spielt auch eine Rolle, dass die Europäische Union und ihre Institutionen oftmals mit sehr großer Vehemenz versucht, sozusagen moralisierend aufzutreten und mit dem erhobenen Zeigefinger, etwas aufzudrücken, was halt mehr Zeit braucht. Das sage ich als Historiker. Dazu gehört auch, dass man von den Ländern die Geschichte kennt und dass man das einzuschätzen weiß, warum sie so denken, wie sie es tun. Wenn man das nicht weiß, dann wird es schwierig. Ich habe schon erwähnt: weniger zentralisieren und mehr dezentralisieren. 

Foto: Stefan Schubert
Foto: Stefan Schubert
Foto: Stefan Schubert

Das ist auch eine wichtige Sache für die Zukunft.  Dialoge führen, eine Gesprächsbasis finden und diese aufrechterhalten. Und in wichtigen Fragen einen eigenen Weg finden. Bitte nicht missverstehen: Natürlich sind die Vereinigten Staaten Partner von uns. Aber wir müssen nicht immer hinter den USA her hoppeln. Ich sage das einmal so locker vor mich hin. Es wäre viel besser, wenn in vielen Bereichen die Europäische Union einen eigenen Weg definiert. Der kann in verschiedenen Bereichen sich ja decken mit dem. Aber wissen Sie, wir wissen ja auch nicht, was sich in Amerika politisch entwickelt. Und dann schaut die Geschichte möglicherweise ganz anders aus.

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"Das heißt, sehr stark versuchen die 27, was nicht einfach ist, unter einem Dach zu versammeln und gemeinsam mit Beschlüsse zu finden und gemeinsame Wege zu gehen. Das wird für die Zukunft sehr wichtig sein. Ich sage auch dazu: Ich bin insgesamt positiv eingestellt, weil die Europäische Union hat schon viele Krisen überlebt und wir werden, wenn wir einigermaßen positiv denken und positiv zusammenstehen, dann auch die aktuellen, zahlreichen und gerade in einem Zeitraum sehr, sehr zahlreichen Krisen, dann auch überstehen.

Herr Doktor, ich bedanke mich für das Gespräch. Ich glaube, beim 19. IRE Summer Summit erwarten uns einige Diskussionen, die sicherlich sehr spannend sind für Europa. 

Foto: Stefan Schubert

Das gesamte Interview gibt es im Podcast zum Nachhören.

19. Salzburg Europe Summit
Europa: "Aufbruch zu neuen Horizonten", 24 . - 26. September 2023, 
Salzburg Congress

Themen 2023:

  • Westbalkan als Zukunftsregion
  • Wiederaufbau der Ukraine
  • Aufbruch zu neuen Horizonten
  • Verschuldung in Europa
  • Industrie und Klimaschutz
  • Energie und Rohstoffe
  • Regionalität und Globalisierung
  • Neues Europäisches Bauhaus

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