Psychologie
Politische Korrektheit Teil 1 – Gutes und Fehlentwicklungen

Politische Korrektheit meint eine Haltung, welche Minderheiten fördert, sich für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einsetzt und zugleich vermeidet, Menschen, die einer bestimmten Gruppe, Ethnie, sexuellen Identität, sexuellen Orientierung, eines bestimmten Geschlechts u.v.m. angehören, zu kränken, herabzusetzen oder auszuschließen. Somit vertritt die politische Korrektheit einen diversen, partizipativen Ansatz und orientiert sich an der Lebenswelt der Menschen.
Die Politische Korrektheit findet ihre Ursprünge in den Menschenrechten, in der jesuanischen Haltung der Nächstenliebe, in der christlichen Idee der Caritas und der modernen Ethik.

Politische Korrektheit wird von reaktionären Menschen oft als Zensur abgestempelt. Dies ist Unsinn, weil wir als mündige erwachsene Menschen selbst entscheiden, wie wir miteinander umgehen und sprechen möchten. Wenn ich das Wort „Schwuchtel“ oder „Neger“ verwende, muss ich allerdings mit Kritik und Widerstand rechnen, weil diese Worte heute andere Menschen massiv abwerten und kränken und damit psychisch gewaltvoll sind. Diese Kritik ist dann keine Zensur, sondern ein Einsatz für Humanismus, Menschlichkeit, Sorge und Nächstenliebe. Die gesunde politische Korrektheit sucht immer den Dialog, setzt aber bei psychischer und physischer Gewalt radikale Grenzen und zeigt Zivilcourage. Wir begegnen einander mit Respekt, Achtung und Würde und suchen das Gespräch.
Heute sehe ich jedoch im Mainstream der Politischen Korrektheit die Gefahr, dass andere und abweichende Haltungen (etwa die Verweigerung der gendersensiblen Sprache oder des *) rasch moralisierend aufgegriffen werden und neue Zwänge entstehen. Es mangelt dann an der Freiheit zur politisch korrekten Sprache, und es entstehen neue Repressionen, die mitunter auch sanktioniert werden. Die Kommunikation wird schnell moralinsauer, vorwurfsvoll, manipulativ, kränkend bis hin zu hasserfüllt und ihrerseits stigmatisierend.
Ich sollte als mündiger erwachsener Mensch selber entscheiden können, ob ich das Sternchen, das Binnen-I, den Gender-Gap oder anderes verwende (so wie ich selbst das schriftlich als Akt meiner Wertschätzung gegenüber anderen tue). Werde ich hingegen von einem Verlag, von meinem Ausbildungsinstitut oder von meiner Universität oder Fachhochschule zur gendersensiblen Sprache gezwungen, dann führt sich die Politische Korrektheit selbst ad absurdum und wird ihrerseits repressiv und autoritär. Immerhin entsteht ja keine Menschenrechtsverletzung oder psychische Gewalttat, wenn ich die genderkonforme Sprache verweigere.

Es entwickeln sich zunehmend neue gesellschaftliche Blasen, die eine persönliche Weiterentwicklung erschweren, weil sie andere Haltungen nicht zulassen. In solch einer Blase des Widerstands und der inneren Abwehr umgebe ich mich nur noch mit Menschen, die eine ähnliche Meinung vertreten wie ich. Ich bekomme kaum noch neue Informationen, die mein Weltbild ergänzen, bereichern oder erschüttern können und vermeide dadurch Schmerz, Kummer sowie Kränkung mit dem Nachteil, dass ich mich nicht mehr persönlich weiterentwickeln kann.
Als Psychotherapeut empfinde ich diese neuen Zwänge als sehr problematisch, bestehen doch das Leben und unsere Demokratie immer aus Dialog, Meinungsvielfalt, Opposition, Kompromissen, Streit, Konflikten, Auseinandersetzungen und sich-miteinander-Abstimmen. Ich kann mir die Argumente anderer Menschen anhören, sie für mich prüfen, um ihnen dann zuzustimmen, zu widersprechen, meine Argumente durchzusetzen oder sie zu verteidigen. Ich kann dann auch idealisierende Erwartungen oder Verehrungen zurückweisen, mich vor unberechtigter Abwertung schützen und berechtigte Kritik und Anerkennung annehmen. Im Sinne eines erwachsenen und friedlichen gesellschaftlichen Zusammenlebens ist dieser dynamische Prozess des Aushandelns überaus wertvoll, er macht zudem das Leben spannend, bereichernd, vielfältig und bunt. Darüber hinaus kann ich an anderen Meinungen, Weltanschauungen und Haltungen reifen und mich weiterentwickeln.
Politische Korrektheit kann als Fehlentwicklung auch opportunistisch, scheinheilig, hysterisch und feige sein. Sie kann selbst gewalttätig, stigmatisierend und repressiv werden, etwa dann, wenn Menschen in den Sozialen Medien einen Shitstorm erleben müssen, weil sie sich keiner politisch korrekten Sprache bedienen. Auch läuft politische Korrektheit Gefahr, Menschen positiv zu diskriminieren.

Wie sich Fehlentwicklungen einer Politischen Korrektheit erkennen lassen:

- durch moralische Lippenbekenntnisse und das Vertreten sozial erwünschter Haltungen, die allerdings nicht verinnerlicht sind, sondern lediglich zur schau gestellt werden (falsches Selbst, Hysterie)
- wenn Menschen Werte vertreten, von denen sie im tiefsten Innersten gar nicht überzeugt sind
- durch Heuchelei
- durch Angst vor sozialem Ausschluss
- durch eine autoritäre Haltung, die Menschen, welche eine andere Meinung vertreten, ausschließt
- durch Mitläufertum
- wenn ich mich politisch korrekt verhalte, nur um soziale Normen und damit eine Mode des Mainstreams zu erfüllen
- wenn ich mich politisch korrekt verhalte, um bessere Karrierechancen zu haben
- wenn ich mich politisch korrekt verhalte, weil ich unsicher und orientierungslos bin und irgendwo dazugehören möchte
- wenn ich mittels moralischer Disziplinierung gegen unerwünschte Meinungen vorgehe
- wenn ich Menschen, die sich auch für die Haltung der Politischen Korrektheit engagieren, wegen Differenzen angreife und abwerte (Geschwisterkampf bzw. Narzissmus der kleinen Unterschiede).
- wenn ich Politische Korrektheit hasserfüllt, kränkend, vorwurfsvoll und manipulativ einfordere und dadurch dem immer ähnlicher werde, was ich eigentlich kritisiere

Hier finden Sie den Essay in voller Länge:
Politische Korrektheit
Missbrauch, Irrwege und Fehlentwicklungen einer wertvollen Haltung

Abstract:

Politische Korrektheit ist eine wertvolle und menschenfreundliche Grundhaltung, die sich denMenschenrechten und der Vielfalt des menschlichen Seins verschreibt. In den letztenJahrzehnten lässt sich jedoch eine Pervertierung der Politischen Korrektheit beobachten, diehysterisch und gewaltvoll wird. Dies liegt u.a. daran, dass die Idee der Politischen Korrektheitviele Mitläufer*innen findet, die im tiefsten Innersten nicht begriffen haben, worum es geht,eigene Verletzungen und biographische Wunden im KAMPF GEGEN etwas ausagieren unddie Welt in Gut und Böse spalten. In diesem Essay beschreibe ich Spaltungsprozesse und dasfalsche Selbst, aber auch, wie wir diese überwinden können, um uns mit Selbstwert und einergesunden, personalen, tiefgehenden Selbstachtung für Menschenrechte und ein diversesMiteinander einsetzen zu können.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)

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