Europatag
Europa und Corona – Gefahren und Chancen
Der Salzburger Vorsitzende des Instituts der Regionen Europas, Franz Schausberger, plant trotz Corona die "Salzburg Europe Summit" im Herbst. Mit uns hat er über die wieder entflammte Diskussion der Subsidiarität, dem Ruf nach einer stärkeren EU in der Krise und der Kritik an der Globalisierung gesprochen.
SALZBURG. „Die Corona-Pandemie hat die ganze Welt, insbesondere auch Europa, mit voller Wucht unvorbereitet getroffen. Die Folgen werden Europa noch lange herausfordern“, sagt der Vorsitzende des Instituts der Regionen Europas, Franz Schausberger. Daher wird das Thema „Europa und Corona – Gefahren und Chancen“ auch Inhalt der 16. Salzburg Europe Summit sein. "Wir sind die ersten in Europa, die einen Kongress in dieser Größenordnung wieder umsetzen wollen", so Schausberger. Der Salzburg Europe Summit finden vom 27. bis 29. September 2020 im Salzburg Congress statt.
Geladene Experten werden vom 27. bis 29. September 2020 im Salzburg Congress zu folgenden Themen diskutieren:
- Welche Lehren ziehen wir aus der Corona-Krise?
- Ergeben sich mehr Gefahren für die Demokratie?
- Wird der vor Ausbruch der Krise gestartete Green Deal dem Virus zum Opfer fallen?
- Wie werden wir die finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen?
- Können wir uns durch verstärkte Medizin-Forschung besser auf die nächste Virus-Katastrophe vorbereiten?
- Zerbricht die EU an mangelnder Solidarität in Krisenzeiten oder wird sie gestärkt?
- Fallen die Regionen einer nationalen Zentralisierung zum Opfer oder bringt die Krise eine Renaissance der Regionen?
- Wird die Welt, wird Europa, wieder so sein können, wie vor der Pandemie?
Herr Schausberger hatten Sie ursprünglich ein anderes Thema für den Salzburg Europe Summit geplant?
FRANZ SCHAUSBERGER: Wir hatten bereits ein fertiges Programm, in dem wir mehr auf die Krisenregionen in Europa eingegangen wären. Auch der Green Deal wäre im Vordergrund gestanden. Wir haben einiges am Programm geändert, die Grundstruktur ist aber gleich geblieben, nur, dass wir die Themen alle unter dem Corona-Aspekt betrachten werden. Wir wollen diskutieren, was wir jetzt schon an Informationen haben, um mit möglichen künftigen Krisen besser umgehen zu können.
VIDEO zum Europatag 2020:
Der Salzburg Summit findet Ende September statt. Wird das Thema Corona dann noch so aktuell sein?
FRANZ SCHAUSBERGER: Alle Experten rechnen mit einer zweiten und sogar einer dritten Welle. Wir wissen nur nicht wann und mit welcher Intensität sie kommen wird. Also ja, das Thema wird im September noch aktuell sein.
Mit welchen Einschränkungen rechnen Sie dadurch für den Kongress?
FRANZ SCHAUSBERGER: Mit den 500 bis 600 Teilnehmern aus ganz Europa wie in der Vergangenheit werden wir wohl nicht rechnen können. Da wir im Salzburg Congress sind, haben wir aber viel Platz. Wir können mit großzügigen Abständen Diskussionen durchführen. Videoübertragungen werden für Referenten und Zuseher eine Rolle spielen.
Viele Mitgliedsstaaten der EU fordern immer wieder mehr Subsidiarität. Gleichzeitig fordern aber auch viele eine stärkere EU in der Corona-Krise. Wie sehen Sie diese Ambivalenz?
FRANZ SCHAUSBERGER: Das ist spannend. Diejenigen Staaten, die jetzt mehr Engagement der EU fordern, haben sich sonst entschieden gegen mehr Kompetenzen der EU ausgesprochen – z.B. im Gesundheitsbereich. Man darf nicht vergessen, dass die Europäische Kommission sehr schnell ein Unterstützungspaket ausgearbeitet hatte, das aber auf heftigen Widerstand gestoßen ist. Ich mache mir keine Sorge um die Diskussion, der EU mehr Kompetenzen zuzugestehen. Das sehe ich weit und breit nicht. Sorge bereiten mir eher die starken Positionen der Nationalstaaten in der Krise, wodurch die Regionen und Länder ins Hintertreffen geraten, obwohl sie sehr viel vor Ort umzusetzen haben.
Wie sieht ihr Fazit hier für Österreich aus?
FRANZ SCHAUSBERGER: Die Koordination hat sehr gut funktioniert in Österreich. Im Österreichischen Föderalismus, wo der Bund starke Rahmenbedingungen vorgibt, hatten wir bundesweit eine gute Handlungsgrundlage.
Auch die Globalisierung und die Abhängigkeit von Produzenten im Ausland – z.B. bei Schutzausrüstung, Medikamente usw. – werden seit Corona häufig infrage gestellt. Ist das auch eine "Absage" an die EU?
FRANZ SCHAUSBERGER: Das sehe ich nicht; eher ein Zugeständnis. Unabhängig von der Krise, hätte es hier sowieso ein Umdenken gebraucht. Wenn irgendwo auf der Welt das Produkt nur um einen Cent billiger hergestellt werden kann, wandert die Produktion dort hin ab. Das ist ein Wahnsinn. Wir müssen viel mehr Produktionsstätten zurückbringen, zumindest in den europäischen Raum. Auch beim Tourismus ist das notwendig: Für einen Urlaub am Meer muss ich nicht nach Fernost fliegen, den kann ich auch in Kroatien schön verbringen.
Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung in Corona-Situation?
FRANZ SCHAUSBERGER: Wie bewältigen wir die Zeit danach – und das beginnt schon jetzt. Es ist eine Frage der Verteilung – was ist der Staat bereit zu geben? Ich halte es für absolut richtig, dass der Staat jetzt viel Geld in die Hand nimmt. Ich bin aber auch überzeugt von der Innovationskraft der Wirtschaft. Vieles wird umgestellt und entwickelt werden, was wir uns jetzt noch nicht vorstellen können, um aus der Krise herauszukommen. Nach der Krise müssen wir aber dann unsere Budgets wieder in Ordnung bringen.
Was prognostizieren Sie für Salzburg?
FRANZ SCHAUSBERGER: Salzburg ist gut mit der Situation umgegangen. Unsere Herausforderung wird die starke Verbindung und Abhängigkeit von Tourismus und Kultur sein. Wir müssen eine andere Nische für die Gäste finden. Aber als wirtschaftlich stabiles Land können wir eine Delle in der Entwicklung verkraften.
Also Salzburg wird es schaffen, aber was ist mit Regionen in Europa, die auch vor der Krise schon Schwierigkeiten hatten?
FRANZ SCHAUSBERGER: Regionen, denen es bisher schlecht gegangen ist, werden besonders stark getroffen werden. Hier kommt das viel diskutierte Problem der Landflucht wieder ins Spiel. Vor allem in Südost- und Osteuropa muss am Land viel investiert werden. Wir haben jetzt wieder gesehen, dass in Krisenzeiten die Stadt "gefährlicher" und das Land attraktiver ist.
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