Umfrage
Wer kann, arbeitet lieber nur Teilzeit

Mit langen Teilzeitphasen riskieren Frauen Altersarmut. | Foto: Symbolfoto: MEV
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  • Mit langen Teilzeitphasen riskieren Frauen Altersarmut.
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Unsere Umfrage zeigt: Salzburger wollen die Möglichkeit zu Teilzeit und Homeoffice sowie Zeitsouveränität.

SALZBURG. Mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 6,3 Prozent konnte Salzburg im November 2019 zum fünften Mal in Folge das stärkste Minus aller österreichischen Bundesländer verbuchen (Österreichschnitt: - 2,5 Prozent). Salzburg entwickelt sich touristisch zur Ganzjahresdestination mit 29,7 Millionen Nächtigungen 2019. Das Wirtschaftswachstum im Bundesland führt zum höchsten Bruttoregionalprodukt Österreichs. "Basis" dieser Top-Werte bilden die Salzburger selbst, die in den heimischen Betrieben arbeiten. 

Meine ideale Beschäftigungsform ...

Aber welche Vorstellungen haben die Salzburger Arbeitnehmer von ihrer Beschäftigung? Das Grazer Meinungsforschungsinstitut GMK hat im Auftrag der Bezirksblätter Salzburg 400 Interviews in Stadt und Land durchgeführt und nach den Vorstellung ihrer idealen Beschäftigung gefragt.

Foto: Grafik: BB Salzburg

Mehr als ein Drittel will Teilzeit arbeiten

36 Prozent der befragten Salzburger geben an, lieber Teilzeit als Vollzeit (58 Prozent) beschäftigt zu sein. Vor allem Frauen (53 Prozent) würden lieber Teilzeit arbeiten, sowie 41 Prozent der unter 55-Jährigen. Vor allem jene Befragte, die als höchste Ausbildungsform Matura oder ein Studium haben, würden lieber Teilzeit arbeiten (40 Prozent).

Wertewandel in der jungen Generation

"Dass mehr als ein Drittel der Befragten eine Teilzeitbeschäftigung bevorzugen, bedeutet, dass sich die Prioritäten verschieben. Erwerbsarbeit bleibt wichtig, verliert aber seinen zentralen Stellenwert im Leben. Wer es sich leisten kann, wählt gerne mehr freie Zeit. der Wunsch nach Arbeitszeitreduktion kann als Wertewandel in der jungen Generation gesehen werden", sagt Hans Holzinger, pädagogischer Leiter der Robert‐Jungk‐Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg (Einrichtung für kritischen und kreativen Zukunftsforschung).

Hans Holzinger, pädagogischer Leiter der Robert‐Jungk‐Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg: "Österreicher pendeln rund 25 Tage im Jahr, was dem gesetzlichen Anspruch auf Urlaub entspricht." | Foto: JBZ – Reinhard Geiger
  • Hans Holzinger, pädagogischer Leiter der Robert‐Jungk‐Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg: "Österreicher pendeln rund 25 Tage im Jahr, was dem gesetzlichen Anspruch auf Urlaub entspricht."
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Nicht wie bei Mama und Papa

Ähnlich analysiert man den Trend auch beim Arbeitsmarktservice Salzburg: "Die jüngeren Arbeitnehmer haben gesehen, dass die Eltern teilweise mit zwei Jobs alles hart erarbeiten mussten. Das wollen sie für sich nicht mehr. Work Life Balance tritt immer mehr in den Vordergrund", sagt Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS). "Bei unseren rund 3.000 Betriebsbesuchen berichten Unternehmer immer wieder vom Teilzeitwunsch. Aufgrund der Hochkonjunktur und der niedrigen Arbeitslosenquote haben sich sehr viele Betriebe bereits darauf eingestellt und neue Arbeitszeitmodelle entwickelt." 

Teilzeitbeschäftigung führt zur Altersarmut

In der Realität ist Teilzeit nach wie vor Frauensache. Etwa die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Österreich sind teilzeitbeschäftigt, jedoch nur gut zehn Prozent der Männer. Zwei Drittel aller Frauen zwischen 25 und 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten Teilzeit (Daten: Statistik Austria). Das ist ein Problem, weiß man beim AMS: "Frauen bleiben auch nach den Kinder gerne Teilzeit beschäftigt. Die überwiegende Teilzeitbeschäftigung führt direkt zur Altersarmut von Frauen und in eine Abhängigkeit vom Partner." 

Der Schatz der älteren Mitarbeiter

Die Salzburger Wirtschaft sollte vor allem auf die Teilzeitwünsche älterer Arbeitnehmer (Ü55 = 32 Prozent) eingehen, rät Beyer vom AMS: "Die Belastbarkeit bei den über 55-Jährigen sinkt zwar, ihr Erfahrungsschatz ist dafür hoch. Darauf sollte die Salzburger Wirtschaft nicht verzichte."

Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg: "Betriebe, die sich auf Teilzeitwünsche einstellen, profitieren am Arbeitsmarkt und durch hohe Bindung." | Foto: Arbeitsmarktservice Salzburg
  • Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg: "Betriebe, die sich auf Teilzeitwünsche einstellen, profitieren am Arbeitsmarkt und durch hohe Bindung."
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Gutes Einkommen ist Bedingung

Dass 40 Prozent jener Salzburger mit Matura oder Studium lieber Teilzeit arbeiten würden, erkläre sich durch die Tatsache, dass weniger Arbeiten ohne Lohnausgleich an die Bedingung "gutes Einkommen" geknüpft sein müsse: "Daher spielt diese Option bei jenen Befragten mit höherer Ausbildung eine stärkere Rolle", sagt Holzinger.

Einkommen aus vielen Minijobs basteln, ist unattraktiv 

Mehrere Teilzeitbeschäftigungen einer Vollzeitbeschäftigung vorzuziehen, kommt für 80 Prozent der Befragten "weniger" oder "gar nicht" in Frage. "Das erklärt sich durch den Mehraufwand: steigende Arbeitswege sowie erhöhter Organisations- und Kommunikationsaufwand", sagt Holzinger.

Vier Fünftel würden lieber flexibel arbeiten 

Ähnlich klar wie bei der Teilzeitfrage zeigt sich auch das Bild bei flexiblen Arbeitszeitmodellen: 79 Prozent würden ein flexibles Arbeitszeitmodell "sehr" oder "ziemlich" bevorzugen. (Frauen: 85 Prozent; Männer: 73 Prozent). Vor allem unter 55-Jährige (82 Prozent) wollen flexibel arbeiten. "Hier zeigt sich der Wunsch nach mehr Zeitsouveränität. Dieser ergibt sich vor allem in modernen Doppelverdiener-Haushalten, wo der Koordinationsaufwand für die Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen steigt. Die Abstimmung mit den steigenden Freizeitofferten mag auch eine gewisse Rolle spielen, etwa noch vor Arbeitsbeginn ins Fitnessstudio gehen zu können", sagt Holzinger. "

Hans Holzinger: "Der Wunsch nach mehr Zeitsouveränität der Arbeitnehmer und jener nach flexibler Verfügbarkeit der Arbeitskräfte seitens der Unternehmen erfordert einen permanenten Ausgleich, der in Zukunft auch stärker Tarifverhandlungen begleiten wird und eine wichtige Rolle für das Arbeitsklima spielt."

Flexible Arbeitszeitmodelle als Employer Branding

Betriebe, die sich bereits jetzt auf die Teilzeitwünsche der Arbeitnehmer eingestellt haben, profitieren, weiß man beim AMS: "Diese Firmen berichten von einer langfristiger Bindung der Mitarbeiter. Durch dieses 'Employer Branding' haben sie weniger Probleme, neue Mitarbeiter zu finden. In unseren Impulsberatung für Betriebe liegt daher ein Schwerpunkt auf flexible Arbeitszeitmodelle zur Mitarbeiterbindung."

Homeoffice: erwünscht, aber zwiespältig

Nicht nur Flexibilität ist erwünscht, sondern auch die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten (77 Prozent "sehr" oder "ziemlich"). Effektiver Einsatz der Arbeitszeit und hohe Konzentration durch weniger Störungen seien laut AMS nur einige der Vorteile von Homeoffice. Kritischer sieht das Holzinger: "Das Ineinanderfließen von Erwerbsarbeit und Privatsphäre ist zwiespältig: der höheren Zeitsouveränität steht die fehlende Abgrenzung gegenüber. Tendenziell wird das Homeoffice aber zunehmen. EU-weit arbeiten rund 10 Prozent der Beschäftigten gelegentlich oder gewöhnlich von zu Hause aus, in Österreich sind es gut 15 Prozent, aber in Schweden mit knapp 30 Prozent fast doppelt so viele." 

Mit langen Teilzeitphasen riskieren Frauen Altersarmut. | Foto: Symbolfoto: MEV
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Weniger verdienen, dafür wohnortnahe arbeiten

Eng in Verbindung mit dem Homeoffice-Wunsch steht das Bedürfnis, wohnortnahe zu arbeiten. 47 Prozent der Befragen würden sogar einen "sehr-" oder "ziemlich großen" Abstrich beim Gehalt in Kauf nehmen, um nahe am Wohnort arbeiten zu können (ausgeglichen nach Alter, Geschlecht und Bildung). Für Jacqueline Beyer nachvollziehbar: "Kosten und Zeit spielen bei der Anreise zur Arbeitsstätte eine große Rolle. Namhafte Unternehmen in Salzburg stellen nur noch Mitarbeiter im Umkreis von 20 Kilometern zur Arbeitsstätte ein, um eine Bindung ans Unternehmen zu gewährleisten." 

Wir pendeln 27 Tage im Jahr

85 Prozent der Pendelwege in Österreich werden nach wie vor mit dem Auto zurückgelegt. Weite Pendelwege verursachen finanzielle Kosten. "Wir Österreicher geben mittlerweile mehr Geld für Mobilität als für Ernährung aus. Außerdem beansprucht Pendeln Lebenszeit, die von Unternehmen nicht abgegolten werden kann. Im Schnitt sind es 25 Tage im Jahr, was dem gesetzlichen Anspruch auf Urlaub entspricht", weiß Hans Holzinger von der Robert‐Jungk‐Bibliothek. 

Beiden Gesprächspartner ist klar, dass sich diese Trends noch verstärken werden. Ein Reagieren der Wirtschaft und der Unternehmen sei notwendig.

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