Interview Ernst Ranftl
"Es ist ein Gewittersturm der Gefühle"
Nach 30 Jahren übergibt der Gründer und Obmann des Chors "Creaktiv international", Ernst Ranftl, das Zepter.
ST. MARIENKIRCHEN. Doch warum ausgerechnet jetzt die Übergabe? Und was hat das mit Corona und dem Ukrainekrieg zu tun? Darüber spricht Ranftl im Interview.
Herr Ranftl, Sie sind seit 30 Jahren Obmann und Gründungsmitglied des Vereins. Warum jetzt der Rückzug?
Ranftl: Die Coronawelle und der Ukrainekrieg haben das Vereinsgeschehen und auch den Chorbetrieb zum Erliegen gebracht und alles durcheinander gewirbelt. Nachdem ich schon am 70er knabbere, ist es genau jetzt die Zeit, den Verein in neue Hände zu legen und ihnen die Chance zu eröffnen, mit der Kraft der Jugend den Chor in die nächsten dreißig Jahre zu führen.
"Die Coronawelle und der Ukrainekrieg haben das Vereinsgeschehen und auch den Chorbetrieb zum Erliegen gebracht und alles durcheinander gewirbelt."
Wie geht’s Ihnen dabei? Fällt der Abschied schwer?
Es ist ein Gewittersturm der Gefühle und wahrlich nicht einfach, einen Verein und ein Werk, in die man sehr, sehr viel Persönliches investiert hat, weiterzugeben. Investiert in Fürsorge und Pflege kriegsverletzter Kinder, in Organisation von zahlreichen Hilfstransporten in rumänische Waisenhäuser, ebenso in die Vorbereitungen für Auftritte und Shows, die Medienarbeit oder der Kontakt zu den Firmen und Sponsoren.
Der Verein gilt ja als weltweit einmalig. In drei Sätzen – was macht ihn so einmalig?
Erstens: Nach unserem Wissensstand gibt es weltweit keinen Verein, der schon seit der Gründung in den Vereinsstatuten festgeschrieben hat: “Kinder- und Jugendchor mit Band und humanitärer Verein für Kinder in Not?” Das bedeutet, wir singen und musizieren für unsere verschiedensten Projekte zugunsten notleidender Kinder. Zweitens: Wir sind einer der kleinsten Vereine, aber mit internationalen Kontakten in viele Länder wie Finnland, Rumänien oder Afghanistan. Drittens: Wir haben alle unsere Projekte fast ohne finanzielle Unterstützung bewerkstelligt und Hilfsgüter persönlich zu den Bedürftigen gebracht.
Wie viel Geld konnte in den vergangenen 30 Jahren gesammelt werden?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, denn viele Spenden drückten sich in direkter Arbeit und Fürsorge für die Kinder aus. Andererseits wurde viel für unsere Hilfstransporte gespendet, damit wir die Tausenden Euro für die Transportkosten nicht selbst tragen mussten. Dann gab's natürlich die Sachspenden, die bis heute einen Umfang von mehr als 40 Sattelzügen, das sind über 1.600 Tonnen, erreicht haben.
Was waren für Sie die herausforderndsten Zeiten?
Es gab immer wieder Zeiten, in denen ich Zweifel hatte, ob der Chor erhalten bleibt und weitergeführt werden kann. Nachfolger für die Chorleitung und Leute zu finden, die wirklich selbständig anpacken, ist sehr herausfordernd.
Gibt es so etwas wie einen schönsten Moment, auf den Sie gerne zurückblicken?
Mir fallen da als Erstes die CD-Präsentation und der Spaß bei den Spielefesten mit Klaus ein. Schöne Momente gab es viele, dabei auch die Auszeichnungen, die wir erhalten haben. Die Ausflüge mit dem ganzen Verein und die Auftritte in Oberösterreich und Bayern. Die Freundschaften mit manchen Chorkindern der ersten Stunde, die noch bestehen, obwohl sie längst schon selbst Eltern sind.
"Wegen Corona haben keine Sängerinnen aufgehört, weil wir versucht haben, vor allem in den Sommermonaten vereinzelt Aktivitäten durchzuführen, um die Gemeinschaft zu erhalten."
Und einen schlimmsten Moment?
Ja, wenn es Kindern schlecht geht oder wenn ihnen etwa auch von Ärzten nicht mehr geholfen werden kann.
Wie viele Mitglieder hat der Chor aktuell?
Im Moment etwa 25. Wegen Corona haben keine Sängerinnen aufgehört, weil wir versucht haben, vor allem in den Sommermonaten vereinzelt Aktivitäten durchzuführen, um die Gemeinschaft zu erhalten. Der übliche Zuwachs liegt bei zwei bis drei SängerInnen pro Jahr. Die neue Obfrau Verena Haderer rechnet damit, das halten zu können.
Wo glauben Sie, erwarten Ihre Nachfolgerin künftig die größten Herausforderungen?
Vielleicht, dass man weiterhin so motiviert Mitglieder anwirbt und hãlt, weil ja der "Freizeitstress" immer mehr wird. Ich denke auch, dass für die neue Führungsriege der Zeitaufwand eine der größten Herausforderungen sein wird.
Wie geht es mit Ernst Ranftl nun weiter?
Ich habe die Absicht, aus der Vereinsgeschichte und aus den vielen kleinen Geschichten und Abenteuern am Rande, ein Buch oder eine Fotodokumentation zu machen.
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