Ein Blindenhund ist keine Lassie"

Fischach-Tronetshofen Wenn Rosmarie Gerstl aus Tronetshofen in den Supermarkt zum Einkaufen geht oder Bankgeschäfte erledigt, ist sie nie allein. Blindenführhund Tessy war dabei als treuer Begleiter stets an der Seite der blinden 43-Jährigen. Doch nach acht Jahren wird die mittlerweile 10-jährige Labradorhündin nun "pensioniert" und durch den zweijährigen Labradoodle (Mischung aus Labrador und Pudel) Filu ersetzt. Von Dominik Schubert

Rosmarie Gerstl, die aufgrund von Diabetes seit 20 Jahren komplett blind ist, bedauert diese Tatsache: "Tessy ist mir sehr ans Herz gewachsen. Aber eine Arthroseerkrankung ist dafür verantwortlich, dass sie als Führhund nicht mehr geeignet ist." Für diese Aufgabe ist nun Rüde Filu zuständig, den Eva Rehm und Rosmarie Gerstl gemeinsam ausgesucht haben.

Denn dass bei Hund und Mensch die Chemie stimmt, ist äußerst wichtig, sagt Eva Rehm, die seit drei Jahren eine eigene Schule für Blindenführhunde in der Nähe von Ingolstadt betreibt. Dass dies bei Rosmarie und Filu bereits nach wenigen Wochen Eingewöhnungsphase der Fall ist, zeigt sich beim Spaziergang durch Fischach. Auf das Kommando "Such Ampel" führt sie der Labradoodle direkt zur Ampel an der Hauptstraße. Diese Reaktion des Hundes ist das Ergebnis eines langen, zeitaufwendigen Trainings, wie die Hundeführerin erklärt: "Die Ausbildung des Hundes dauert etwa sechs bis acht Monate. Dabei werden verschiedene Kommandos eingeübt sowie das Umlaufen von Hindernissen trainiert."

Sie weist aber daraufhin, dass der Hund ein "Hilfsmittel" im Alltag des Blinden darstellt und keineswegs ein Alleskönner ist: "Ein Blindenhund ist keine Lassie. Es muss alles trainiert werden. Das Tier hilft dem Menschen nicht aus Mitleid, sondern weil es ihm so beigebracht wurde."
Hunde sind farbenblind

Das Stehenbleiben an einer Straße, das Umlaufen von Absperrungen oder Finden von einzelnen Eingängen zu Geschäften sei alles antrainiert, sagt die Trainerin. Es sei auch ein Irrglaube, dass ein solches Tier die Farben einer Ampel erkennt und den Blinden bei Grün über die Straße führt: "Hunde sind farbenblind. Sie lernen lediglich, bei Gefahr stehen zu bleiben. Die Entscheidung, wann man über die Straße geht, liegt beim Führer, der auch die Verantwortung trägt."

Zu Hause bei Familie Gerstl führt Filu ein Leben als normaler Haushund. Doch sobald er das weiße Geschirr angelegt bekommt und gemeinsam mit seinem Herrchen auf die Straße geht, tritt er seinen "Dienst" als Führhund an. "Das Geschirr ist eine Art Uniform. Ab diesem Zeitpunkt weiß das Tier, das es nun Aufgaben zu erfüllen hat", erklärt Gerstl.

Diese Tatsache sollten auch andere Leute akzeptieren und respektieren, wie Rehm deutlich zum Ausdruck bringt: "Es ist wichtig, dass man versteht, dass ein Blindenführhund, wenn er im Dienst ist, von Fremden weder angesprochen noch angefasst oder gefüttert werden soll. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen, auf die er sich konzentrieren muss. Alles andere würde das Tier verwirren." Wenn Passanten Kontakt zu einem blinden Menschen und dessen Hund aufnehmen möchten, sei es das Beste, den Blinden selbst anzusprechen, nicht jedoch auf den Hund zuzugehen und diesen zu berühren.

Ein Leben ohne Vierbeiner kann sich Rosmarie Gerstl, deren Mann aufgrund eines Unfalls ebenfalls erblindet ist, überhaupt nicht mehr vorstellen: "Seit fast 20 Jahren habe ich einen Blindenhund als treuen Begleiter an meiner Seite. Diese Tatsache erleichtert mir und meinem Mann das Leben sehr. Außerdem gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit im Alltag."

Quelle: Augsburger Allgemeine